Die Mundpflege ist ein zentraler Bestandteil der Pneumonieprophylaxe bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen. Mundpflegemethoden, die Einhaltung standardisierter Protokolle und regelmäßige Schulungen verbessern die Pflegequalität, senken das Risiko von Pneumonien und steigern das allgemeine Wohlbefinden der Patient:innen.
Die Entstehung einer Pneumonie stellt bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen ein erhebliches Risiko dar, oft bedingt durch pathologische Bakterien aus der oralen Mikroflora. Besonders bei beatmeten Patient:innen tritt häufig eine Dysbiose im Mundraum auf, die das Risiko einer Pneumonie deutlich erhöht. Um dieses Risiko zu minimieren, ist eine konsequente und effektive Mundpflege unerlässlich. Regelmäßige Mundpflege, idealerweise mindestens zweimal täglich, reduziert die Plaquebildung und schützt vor assoziierten Erkrankungen wie Gingivitis und Karies. Geeignete Mundpflegeprodukte, wie Zahnbürsten, Zahnpasten, Mundspülungen und Mundbefeuchtungsgele, unterstützen eine optimale Mundhygiene. Die Einführung standardisierter Mundpflegeprotokolle auf Intensivstationen gewährleistet eine hohe Qualität und Kontinuität der Pflege. Darüber hinaus sind Schulungen des Pflegepersonals zur richtigen Mundpflege und zur Vermittlung der Bedeutung der Mundhygiene essenziell, um die Pflegequalität zu steigern. Spezifische Mundpflegeprodukte wie Chlorhexidin-Gluconat, Glutamin oder Wasserstoffperoxid können das Risiko einer Pneumonie weiter reduzieren.
Pneumonie und Prophylaxe
Im Jahr 2019 wertete das Österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) Daten von 45.878 Patient:innen aus, die sich auf Intensivstationen (ICU) in teilnehmenden Krankenhäusern in Österreich aufhielten. Bei 1.662 Patient:innen wurden insgesamt 2.213 Krankenhausinfektionen (Healthcare Associated Infections, HAI) registriert, die erst ab dem dritten Tag nach der Aufnahme als ICU-assoziiert galten. Die häufigste ICU-assoziierte Infektion war die Pneumonie (36,4 Prozent) [1].
Pneumonien sind infektiöse Entzündungen der Lungenbläschen (Alveolen) und des Lungenzwischengewebes (Interstitium), verursacht von Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten. Besonders gefährdet sind künstlich beatmete Patient:innen, da die mechanische Beatmung das Eindringen von Keimen in die tieferen Atemwege erleichtert und schwerwiegende Komplikationen verursachen kann. Je länger die künstliche Beatmungsdauer, umso höher ist das Pneumonierisiko. Zu den künstlichen Beatmungen zählen die invasive und die nichtinvasive Beatmung. Dabei erfolgt die invasive Beatmung via Tubus – endotracheal (durch den Kehlkopf in die Trachea), orotracheal (durch den Mund) oder nasotracheal (durch die Nase) [2].
Zwar ist die Gefahr einer Pneumonie bei nichtinvasiver Beatmung im Vergleich zur invasiven Beatmung geringer, dennoch besteht ein erhöhtes Risiko für HAI, einschließlich Pneumonien [3]. Die Entwicklung einer Pneumonie bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen steigert die Wahrscheinlichkeit einer Intubation und erhöht somit das Sterberisiko [3]. Dies unterstreicht die Bedeutung der Pneumonieprophylaxe, zu der auch die Mundpflege gehört. Die Mundpflege trägt nicht nur zur Reinigung und Befeuchtung der Mundschleimhaut bei, sondern verhindert auch die Besiedelung pathogener Keime und ist ein essenzieller Bestandteil der Pflege für beatmete Patient:innen [4, 5].
Es gibt unterschiedliche Ansätze bei der Mundpflege, um einer Pneumonie entgegenzuwirken.
Grundlagen der Mundpflege
Mundhygiene. Das Pflegepersonal sollte die essenzielle Bedeutung der Mundpflege erkennen und diese Tätigkeit nicht als eine Aufgabe betrachten, die nur geringes Geschick erfordert oder einfach zu delegieren ist. Die Priorisierung der Mundhygiene trägt zum allgemeinen Wohlbefinden der Patient:innen bei: Sie eliminiert schädliche orale Bakterien, wirkt präventiv gegen funktionale Beeinträchtigungen und verbessert die Fähigkeit, zu essen und zu schlucken. Eine effektive Mundpflege kann die Prävalenz von Mikroorganismen, die zu nicht Ventilator-assoziierten Pneumonien (NV-HAP) führen, im oralen Biofilm reduzieren [6].
Eine adäquate Pneumonie-prophylaktische Mundpflege beginnt bereits bei der Bereitstellung und Verfügbarkeit der Pflegeprodukte. Das Angebot an Mundpflegeprodukten ist im stationären Setting allerdings oftmals unvollständig oder erfüllt nicht den Standard der aktuellen Studienlage. Dieser Umstand erschwert eine konsequente Mundpflege [7]. Doch die Bereitstellung der Pflegeprodukte ist essenziell, um die Mundgesundheit von Patient:innen verbessern zu können, und fördert die regelmäßige Mundpflege bei Patient:innen seitens des Pflegepersonals [8]. Umso schlechter die orale Gesundheit am Tag der Aufnahme auf der Intensivstation ist, desto schneller kann sich diese auch ohne Mundpflege verschlechtern [9].
Mundhygienestatus. Die Resultate einer Untersuchung [9] verdeutlichen, dass auf die Intensivstation eingewiesene Patient:innen eine ungünstige Mundgesundheitsverfassung aufwiesen, charakterisiert durch eine erhöhte Prävalenz von Zahnbelag, Zahnstein, Xerostomie-bedingter Lippenaustrocknung sowie Zungenbelag.
Folglich erweist sich die Präsenz einer qualifizierten Zahnmedizinerin oder eines qualifizierten Zahnmediziners innerhalb der Intensivstationen als essenziell im Rahmen des interdisziplinären Gesundheitsteams. Deren oder dessen Rolle umfasst die frühzeitige Erkennung von oralen Verletzungen, gegebenenfalls erforderliche Interventionen oder die Schulung des Pflegepersonals zu adäquaten Mundhygienepraktiken [9].
Mundpflege-Protokolle. Für die Erhaltung des oralen Mikrobioms ist eine einheitliche Dokumentation der Mundpflege wichtig. In dieser Dokumentation soll ersichtlich sein, zu welchen Zeitpunkten welche Produkte benutzt werden und wie oft die Mundpflege erfolgt, damit das Mikrobiom nicht beschädigt wird und es folgend nicht zu einer negativen Veränderung des Bioms durch pathologische Keime kommt [7]. Die Implementierung standardisierter Mundpflegeprotokolle auf Intensivstationen ist notwendig, um die Qualität der Mundpflege bei beatmeten Patient:innen zu erhöhen [10].
Die Studie „Impact of an Oral Care Intervention“ [6] beschreibt, dass die Einführung eines Mundpflegeprotokolls eine signifikante Bedeutung für die Infektionsprävention hat. Das Mundpflegeprotokoll stellt eine Richtlinie für das Pflegepersonal dar, dessen Einschätzung am Aufnahmetag gemacht und regelmäßig evaluiert wird, um den Patient:innen eine angepasste, routinierte Mundpflege anzubieten. In dem Protokoll sind die gängigsten mechanischen Pflegeprodukte aufgeführt, die den aktuellen Studienlagen entsprechen. Die Forscher einer anderen Studie konstatieren, dass die Einbeziehung des Zähneputzens als integraler Bestandteil eines Standardprotokolls für die Mundpflege unabdingbar ist, um die bakterielle Belastung in der Mundhöhle zu verringern [11].
Mundpflege-Intervall. Die Mundhygiene kann bereits nach einmaligem, täglichem Zähneputzen zu einer Verbesserung führen. Ausschlaggebend für das Ergebnis ist die Regelmäßigkeit der Mundpflege [8]. Hingegen empfehlen andere Studien das Zähneputzen durch Pflegepersonen zweimal pro Tag. Das regelmäßige Zähneputzen entfernt Plaque auf den Zähnen und beugt folgend auch Plaque-assoziierten Erkrankungen wie Gingivitis oder Karies sowie einer beatmungs-assoziierten Pneumonie, infolge Ablagerung von Bakterien im Plaque, vor [12].
Mundpflegeprodukte
Die gängigsten Pflegeprodukte für die Zahnpflege sind Zahnbürste und Zahnpaste, orale alkoholfreie Mundspülungen und Mundbefeuchtungsgel, die an Patient:innen ohne Zahnprothese anzuwenden sind. Es gibt auch Hinweise, dass das elektrische Zähneputzen an beatmeten Patient:innen zu einer besseren Compliance führt, da der Putzkopf kleiner ist. Eine andere mechanische und häufig herangezogene Methode ist das orale Schaumstoffstäbchen. Denn es existiert kein signifikanter Unterschied zwischen der Nutzung einer Zahnbürste und der eines Reinigungsstäbchens. Besonders effektiv ist das Zähneputzen und Auswischen mit Schaumstoffstäbchen in Kombination mit topischen Hilfsmitteln – in einer Studie mit Chlorhexidin [12].
Chlorhexidin-Gluconat führt zu einer Reduktion der pathologischen Schleimhautbakterien der Zunge und verringert so das Risiko einer nosokomialen Pneumonie [8]. Das Tränken eines Schaumstoffstäbchens in Chlorhexidin zum Reinigen der Mundhöhle kann zu einer Verbesserung der Mundgesundheit beitragen [13]. Eine solche Verbesserung beweisen auch die Interventionen einer weiteren Studie [14], nach der der BOAG-Score (Barnason’s oral assessment guide) in der Gruppe mit Verwendung von 0,12-prozentigem Chlorhexidin im Vergleich zur Kontrollgruppe über den Beobachtungszeitraum hinweg signifikant abnahm. Dies zeigt eine potenzielle Verbesserung der Mundhygiene mit Anwendung des Chlorhexidin-Gluconats für die Mundpflege. Außerdem minimiert eine dreimal tägliche Integration von 0,12-prozentigem Chlorhexidin eine mikrobielle Besiedlung im Mundraum beatmeter Patient:innen. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass 2-prozentiges Chlorhexidingel zur Reduzierung des Pneumonierisikos beitragen kann, da es die Bakterienlast im Mundraum verringert [15].
Glutamin, eine unverzichtbare Aminosäure, reguliert die Proteinsynthese, die Atmung sowie den Stickstofftransport im Organismus. Unter erhöhtem Stress wird der Glutaminvorrat im Körper erschöpft. Diese Substanz kann die Produktion entzündungsfördernder Zytokine sowie zytokinbedingter Apoptose reduzieren und die Wundheilung fördern, indem sie die Zahl der Fibroblasten erhöht und die Kollagensynthese stimuliert. Eine orale Glutaminmundspülung kann einer oralen Mukositis entgegenwirken. Vor allem eine oral angewendete 5-prozentige Glutaminlösung wirkt präventiv gegen die Entstehung einer Pneumonie [15].
Wasserstoffperoxid ist eine oxidierende Flüssigkeit und wird in der Mundpflege eingesetzt, da es gram-positive und gramnegative Bakterien abtötet. Dank seiner desinfizierenden Wirkung tötet Wasserstoffperoxid orale anaerobe Bakterien ab und verhindert somit eine vermehrte pathologische Bakterienlast im Sputum. Die Verwendung einer 3-prozentigen Wasserstoffperoxid-Lösung zweimal täglich zur Mundpflege reduziert im Vergleich zur 0,9-prozentigen Kochsalzlösung das Pneumonierisiko signifikant [10].
Empfehlungen für die Praxis
In der Praxis ist die regelmäßige Mundpflege bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen regelmäßig gemäß der aktuellen Protokolle unerlässlich. Es sollte sichergestellt sein, dass alle erforderlichen Pflegeprodukte verfügbar sind und das Pflegepersonal regelmäßige Schulungen erhält, um die Mundpflegequalität auf einem hohen Niveau zu halten.
Außerdem sollte das Pflegepersonal auf eine detaillierte Dokumentation der Mundpflege achten, um den Pflegeverlauf und den Zustand der Mundhöhle nachvollziehen zu können. Eine genaue Aufzeichnung hilft nicht nur dabei, die Pflegequalität zu überwachen, sondern erleichtert auch die Anpassung und Optimierung der Pflegeprotokolle, wenn dies erforderlich ist. Die Häufigkeit und die Wahl der Mundpflegeprodukte spielen eine entscheidende Rolle.
Studien zeigen, dass bereits eine Mundpflege einmal täglich eine Verbesserung des Mundhygienestatus erzielen kann, wobei eine höhere Frequenz von Vorteil ist.
Die Kombination verschiedener Produkte wie Zahnbürsten, Mundspülungen und Schaumstoffstäbchen hat sich als besonders effektiv erwiesen. Mundpflegeprodukte sind individuell auf den Zustand der Patient:innen abzustimmen. Schaumstoffstäbchen sind eine hilfreiche Ergänzung, insbesondere bei Patient:innen mit eingeschränkter Mundöffnung. Die Verwendung von Mundbefeuchtungsgels hilft, die Mundschleimhaut feucht zu halten, und kann das Wohlbefinden der Patient:innen zusätzlich steigern.
Neben mechanischen Reinigungsmethoden wie dem Zähneputzen sollten auch chemische Hilfsmittel eingesetzt werden, um die pathogene Bakterienlast effektiv zu senken. Als topisches Hilfsmittel eignet sich der Einsatz von Chlorhexidin-Gluconat als Standard. Eine weitere Möglichkeit stellt der Einsatz von Glutamin und Wasserstoffperoxid dar, um die bakterielle Last effektiv zu reduzieren und somit das Pneumonierisiko zu senken. Eine strukturierte und gezielte Mundpflege ist ein wesentlicher Bestandteil der Pneumonieprophylaxe bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen.
Weitere Langzeitstudien sind notwendig, um die langfristigen Effekte der eingesetzten Pflegeprodukte auf die Mundgesundheit zu erforschen und die Pflegeprotokolle kontinuierlich an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen.
Mit Umsetzung evidenzbasierter Empfehlungen lässt sich die Mundpflege bei nichtinvasiv beatmeten Patient:innen optimieren. Dies erhöht nicht nur die Lebensqualität der Patient:innen, sondern verbessert auch die Patient:innensicherheit auf Intensivstationen.
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Praxisprojekts im Bachelorstudiengang für Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege an der Fachhochschule Wiener Neustadt. Die Verfasserinnen wählten ein systematisiertes Review, um aus der Analyse verschiedener Studien – deutsch- und englischsprachige Literatur ab 2013 – evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die Pflegepraxis abzuleiten.
[1] Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Gesundheitssystemassoziierte Infektionen in Österreich (2021): Eine Zusammenstellung nationaler Daten zum Datenjahr 2019
[2] Josten S. NIV. In: I Care – Pflege. Georg Thieme Verlag 2015: 799
[3] Johnny JD, Drury Z, Ly T, Scholine J. Oral Care in Critically Ill Patients Requiring Noninvasive Ventilation: An Evidence-Based Review. Critical Care Nurse 2021; 41 (4): 66–70
[4] Ewering AK. Körperpflege und Bekleidung. In: I care – Pflege. Thieme Verlag 2015: 336–347
[5] Tang X, Shen Y, Pan X et al. Oral care for intensive care unit patients without mechanical ventilation: Protocol for a systematic review and meta-analysis. Systematic Reviews 2022; 11 (5): 1–8
[6] Stepinski J, Rowe S, Robertson R. Impact of an Oral Care Intervention among Medical-Surgical Patients. Medsurg Nursing; Pitman Bd. 31, 2022 (2): 91–98
[7] Giuliano K, Baker D, Benjamin E. Preventing Non-Ventilator Hospital-Acquired Pneumonia: A Survey of Medical-Surgical Nurses. Medsurg Nursing 2023; 32 (2): 118–133
[8] Satheeshkumar PS, Papatheodorou S, Sonis S. Enhanced oral hygiene interventions as a risk mitigation strategy for the prevention of non-ventilator-associated pneumonia: A systematic review and meta-analysis. British Dental Journal 2020; 228 (8): 615–622
[9] Steinle EC, Pinesso JAM, Bellançon LB et al. The association of oral health with length of stay and mortality in the intensive care unit. Clinical Oral Investigations 2023; 27 (7): 3875–3884
[10] Nobahar M, Razavi MR, Malek F, Ghorbani R. Effects of hydrogen peroxide mouthwash on preventing ventilator-associated pneumonia in patients admitted to the intensive care unit. The Brazilian Journal of Infectious Diseases 2016: 20 (5): 444–450
[11] Gregorczyk-Maga I, Pałka A, Fiema M et al. Impact of tooth brushing on oral bacteriota and health care-associated infections among ventilated COVID-19 patients: an intervention study. Antimicrobial Resistance & Infection Control 2023; 12 (1). doi:10.1186/s13756–023–01256–6
[12] Marino PJ, Hannigan A, Haywood S et al. Comparison of foam swabs and toothbrushes as oral hygiene interventions in mechanically ventilated patients: A randomised split mouth study. BMJ Open Respiratory Research 2016; 3: 1–10
[13] Marusiak M, Paulden M, Ohinmaa A. 1_Prof oral health care prevents mouth lung infection in long term care homes_Cinahl. Canadian Dental Hygienists Association 2023; 57 (3): 180–190
[14] Kes D, Aydin Yildirim T, Kuru C et al. Effect of 0.12% Chlorhexidine Use for Oral Care on Ventilator-Associated Respiratory Infections: A Randomized Controlled Trial. Journal of Trauma Nursing 2021; 28 (4): 228–234
[15] Kaya H, Turan Y, Tunalı Y et al. Effects of oral care with glutamine in preventing ventilator-associated pneumonia in neurosurgical intensive care unit patients. Applied Nursing Research 2017; 33: 10–14