• 10.05.2021
  • PflegenIntensiv
Personenzentrierte Intensivversorgung

Tierbesuch auf der Intensivstation – machbar und sicher!

Tiergestützte Therapie kann sich positiv auf das Wohlbefinden von Patienten auf Intensivstationen auswirken.

PflegenIntensiv

Ausgabe 2/2021

Seite 66

Tiergestützte Therapie kann sich positiv auf das Wohlbefinden von Patienten auf Intensivstationen auswirken, Angst und Stress reduzieren sowie die Rehabilitation unterstützen. In England setzt sich die Fachgesellschaft für Intensivpflege dafür ein, Haustiere als wichtige Bestandteile des menschlichen Lebens in die Intensivversorgung einzubeziehen.

Die personenzentrierte Intensivversorgung berücksichtigt die spezifischen Kontexte von Patientinnen und Patienten (im Folgenden: Patienten), deren Familien, ihre Lebenserfahrung, Wünsche und individuellen Bedürfnisse. Diese Versorgung kann in vielen verschiedenen Formen erbracht werden, z. B. indem die Teilhabe wacher Patienten aktiv gefördert wird, sie frühzeitig mobilisiert werden und Familien in die Versorgung einbezogen werden. Eine Ausgestaltung dieser personenzentrierten Intensivversorgung ist die tiergestützte Therapie.

Tierbesuch kann Intensivversorgung unterstützen

Viele Menschen haben Haustiere, z. B. Hunde, Katzen oder andere Tiere. Die Menschen leben mit ihnen in einem Haushalt, Haustiere schlafen sogar in den Betten ihrer Besitzer. Haustiere sind ein wichtiger Teil des menschlichen Lebens.

Die britische Fachgesellschaft für Intensivpflege (British Association of Critical Care Nurses, BACCN) ging schon vor einigen Jahren der Frage nach, ob es aus fachlicher Sicht zulässig sei, dass ein Haustier – wenn es das einzige Wesen ist, das mit einem Patienten zusammenlebt und somit erste „Bezugsperson“ ist – einen Patienten im Krankenhaus besucht [1]. Seitdem hat sich einiges getan – es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Tierbesuche die Intensivversorgung im Sinne einer personenzentrierten Pflege unterstützen können.

Tiere können eine Beziehung bieten, aber auch motivierend wirken und damit die Rehabilitation unterstützen. Tiergestützte Therapie kann verschiedene Formen und Ziele beinhalten [2], z. B.:

  • Tierunterstützte Tätigkeit: ausgebildete Tiere für therapeutische, motivierende oder pädagogische Zwecke
  • Tiergestützte Therapie: Einsatz von ausgebildeten Tieren durch medizinisches Fachpersonal, um spezifische, messbare Ziele für einzelne Patienten zu ermöglichen
  • Haustiertherapie: mit eigenem Haustier, i. d. R. untrainierte Haustiere
  • Emotionale Unterstützungstiere: Einsatz von untrainierten Tieren, um eine Begleitung zu bieten, Einsamkeit zu lindern und bei Depressionen oder Angstzuständen zu helfen
  • Hilfstiere: Einsatz von ausgebildeten Tieren zur Unterstützung im täglichen Leben, z. B. Hunde für Blinde, bei medizinischen Notfällen (Epilepsie, Diabetes mellitus u. a.)

2019 hat das Royal College of Nursing, die größte britische Gewerkschaft und Berufskörperschaft für Pflegeberufe, eine Publikation zur Arbeit mit Haustieren in der Gesundheitsversorgung herausgebracht: „Working with dogs in Health Care Settings“ [3]. Und die British Intensive Care Society, die führende Organisation für Intensivpflege in Großbritannien, veröffentlichte 2020 eine Richtlinie für tiergestützte Therapie auf der Intensivstation: „Animal Assisted Intervention (AAI) in a critical care setting“ [4]. Die maßgeblichen Empfehlungen aus beiden Publikationen sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Eine tiergestützte Therapie, insbesondere mit Hunden, scheint für kritisch kranke Patienten von Vorteil zu sein: Haustierbesuche sind prinzipiell machbar und sicher auf allgemeinen Stationen, Notaufnahmen und auf Intensivstationen [5, 6, 7, 8]. Die Anwesenheit von Haustieren kann den Blutdruck und Neurohormonspiegel senken sowie Angst und Stress abbauen, sie führt zu einer verbesserten Nahrungsaufnahme der Patienten und unterstützt die Rehabilitation und das Ausdauertraining [8]. Dennoch ist die Umsetzung eine Herausforderung [9] und besondere Überlegungen für das Infektionsrisiko mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus [8] oder bestimmter Populationen wie immungeschwächter Patienten [10] sind zu berücksichtigen. Die Verwendung von Protokollen für die Tiertherapie im Krankenhaus und auf Intensivstation reduziert das Infektionsrisiko [8]. Die meisten Patienten und Mitarbeitenden schätzen die Besuche von Haustieren, nur wenige sind ängstlich [7]. Die Tiertherapie schätzen Mitarbeitende als Instrument zur Humanisierung der Intensivpflege [11].

[1] Gibson V, Plowright C, Collins T et al. Position statement on visiting in adult critical care units in the UK. Nurs Crit Care. 2012 Jul-Aug; 17 (4): 213–218

[2] Hosey MM, Jaskulski JJ, Mantheiy EC et al. Animal-assisted activity in the intensive care unit. ICU Management & Practice 2017; 17 (3): 193–195

[3] Royal College of Nursing (2019). Working with Dogs in Health Care Settings. www.rcn.org.uk/-/media/royal-college-of-nursing/documents/publications/2019/december/007–925.pdf; letzter Zugriff: 10.12.2020

[4] Intensive Care Society (2020). Animal Assisted Intervention (AAI) in a critical care setting. Im Internet: www.ics.ac.uk/ICS/Pdfs/Standards_Guidelines/Animal_assisted_intervention_guidance; letzter Zugriff:10.12.2020

[5] Giuliano KK, Bloniasz E, Bell J. Implementation of a pet visitation program in critical care. Crit Care Nurse. 1999 Jun; 19 (3): 43–50

[6] Cole KM, Gawlinski A, Steers N, Kotlerman J. Animal-assisted therapy in patients hospitalized with heart failure. Am J Crit Care. 2007 Nov; 16 (6): 575–585

[7] Nahm N, Lubin J, Lubin J et al. Therapy dogs in the emergency department. West J Emerg Med. 2012 Sep; 13 (4): 363–365

[8] Bert F, Gualano MR, Camussi E et al. Animal assisted intervention: A systematic review of benefits and risks. Eur J Integr Med. 2016 Oct; 8 (5): 695–706

[9] Branson S, Boss L, Hamlin S, Padhye NS. Animal-Assisted Activity in Critically Ill Older Adults: A Randomized Pilot and Feasibility Trial. Biol Res Nurs. 2020 Jul; 22 (3): 412–417

[10] Walden M, Lovenstein A, Randag A et al. Methodological Challenges Encountered in a Study of the Impact of Animal-assisted Intervention in Pediatric Heart Transplant Patients. J Pediatr Nurs. 2020 Jul-Aug; 53: 67–73

[11] Hosey MM, Jaskulski J, Wegener ST et al. Animal-assisted intervention in the ICU: a tool for humanization. Crit Care. 2018 Feb 12; 22 (1): 22

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