Rhythmische Einreibungen mit Ölen aus vielen verschiedenen Heilpflanzen, belebende und beruhigende Waschungen, Heileurythmie – die Intensivstationen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin nutzen komplementäre Methoden, um das Wohlbefinden der Patienten gezielt zu fördern. Das eigens erstellte Therapiekonzept soll insbesondere den physiologischen Schlaf-Wach-Rhythmus fördern.
Die Intensivmedizin hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, sodass akute lebensbedrohliche Erkrankungen heute erfolgreich behandelt werden können. Krankheitsunterdrückende oder -überbrückende Organersatzverfahren nehmen dabei einen zentralen Stellenwert ein. Entstanden ist eine hochentwickelte, apparative „Nonstop-Intensivmedizin“. Demgegenüber fußen physiologische Selbstheilungskräfte auf der Erhaltung einer rhythmischen Ordnung in Form des Tag-Nacht-Rhythmus – und somit eines erholsamen Schlafs.
Den Tag-Nacht-Rhythmus unterstützen
Der Ablauf einer Intensivstation enthält zahlreiche Störfaktoren, wie ständiger Lärm und Licht, die für die Patienten sehr belastend sind. Maßnahmen zur Lärm- und Lichtreduktion sind insofern als sehr bedeutsam anzusehen. Um den Schlaf-Wach-Rhythmus der Patienten zu fördern, werden auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe – neben der Anwendung moderner Sedierungs- und Mobilisationskonzepte sowie einer möglichst protektiven Beatmung – komplementäre Maßnahmen durchgeführt. Diese fußen auf einem interdisziplinär erstellten Therapiekonzept zur Optimierung des Tag-Nacht-Rhythmus auf den Intensivstationen.
Morgens: Zur Aktivierung und Stabilisierung werden den Patienten am Morgen äußere Anwendungen angeboten. Ein Aktivierungsbad mit Rosmarin wirkt anregend, vitalisierend und durchblutungsfördernd. Der Patient sollte bei der Waschung nach Möglichkeit aufrecht sitzen. Ein Erfrischungsbad mit Citrus wird von vielen Patienten gut angenommen. Es dient dem allgemeinen Wohlbefinden. Die äußere Anwendung eines ätherischen Citrusöls wirkt zudem belebend.
Wenn ein Patient Fieber hat, können Waschungen mit einem Erfrischungsbad mit Citrus, ätherischem Citrusöl oder mit frischer Zitrone dazu beitragen, die Körpertemperatur zu senken. Das Citrusöl oder Tropfen einer frischen Zitrone kann auch dazu verwendet werden, Fußauflagen und Wadenwickel anzuwenden.
Mittags: Äußere Anwendungen zur Mittagszeit sind abhängig von bestimmten Indikationen. Bei Patienten mit Pneumonie beziehungsweise exazerbierter COPD werden zum Beispiel Auflagen mit Eukalyptusöl angewendet. Die Wirkung ist antibakteriell, schleimlösend, auswurffördernd, entzündungshemmend und bronchial krampflösend. Die Auflagen mit Eukalyptus regen zudem die Konzentrationsfähigkeit an. Dies ist gerade bei Patienten auf Intensivstationen sinnvoll, um die Orientierung zu fördern. Auflagen mit Eukalyptusöl sind aufgrund der antibakteriellen Wirkung zudem gut bei Patienten mit Blasenentzündung anzuwenden.
Bei pulmonalen Indikationen kommen zudem rhythmische Einreibungen mit Bronchialbalsam zur Anwendung. Diese fördern die Lösung von Sekreten und bilden eine wärmende Hülle.
Abends: Um eine erholsame Nachtruhe zu fördern, finden auf den Intensivstationen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe Waschungen mit Edeltannen zur Erholung oder mit Lavendel zur Entspannung statt. Es ist dabei darauf zu achten, dass die Wassertemperatur 40 Grad beträgt. Mit den Waschungen lassen sich Angst und Unruhe lindern. Aufgrund der beruhigenden, entspannenden und lösenden Wirkung können bei vielen Patienten das Einschlafen und eine erholsame Nachtruhe gefördert werden.
Zur Schlafförderung können auch rhythmische Ganzkörpereinreibungen erfolgen. Die einzusetzende Substanz kann hier Lavendelöl sein. Rhythmische Einreibungen der Füße wirken entspannend und durchwärmend und sind so ebenfalls gut geeignet, um das Einschlafen zu fördern. Fußeinreibungen können mit Lavendelöl oder Kupfersalbe erfolgen.
Viele Patienten reagieren sehr positiv auf eine Herz-Salbenauflage. Diese Maßnahme erfolgt mit den Substanzen Aurum, Rose und Lavendel. Sie harmonisiert das Kreislaufsystem sowie ermöglicht ein angstreduziertes und geborgenes Einschlafen.
Brustauflagen mit Bienenwachs oder eine Rhythmische Einreibung des Rückens mit Bronchialbalsam oder Lavendelöl lösen Sekrete und bilden eine wärmende Hülle. Sie sind bei Patienten mit pulmonalen Beschwerden sehr gut zur Schlafförderung einsetzbar.
Rhythmische Massagen ergänzen Therapie
Rhythmische Massagen mit Substanzen zur Anregung der Wärmeorganisation gehören ebenfalls zum komplementären Therapieangebot der Intensivstationen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe. Tagsüber werden Massagen mit den Ölen Rosmarin, Lindenblüte-Orange und Bienenwachs angeboten. Jedes dieser Öle hat eine andere Wirkung:
- Rosmarin: feurige, kräftige Wärme
- Lindenblüte-Orange: bringt Wärme ins Fließen
- Bienenwachs: belebende, sättigende Wärme.
Zur Nacht werden rhythmische Massagen mit Lavendelöl, Solumöl und Cuprum angewendet. Diese haben folgende Wirkungen:
- Lavendel: beruhigende, lösende Wärme
- Solumöl: nachhaltige, in die Tiefe gehende Wärme, gibt Schutz
- Cuprum: innerliche, raumgebende Wärme.
Den Körper ins Gleichgewicht bringen
Heileurythmie ist darauf ausgerichtet, den Menschen innerlich wie äußerlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das Konzept richtet sich besonders an Menschen während und nach einer schweren Krankheit. Es gibt zahlreiche empirische Belege für die Wirksamkeit dieser Therapieform. Heileurythmie setzt Sprache und Gebärden ein, die in eine speziell gestaltete Bewegung umgesetzt werden. Ziel ist es, die Formkräfte des Körpers, die aufgrund einer Krankheit verlorengegangen sind, wachzurufen und Organfunktionen positiv zu beeinflussen.
Auf den Intensivstationen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe finden heileurythmische Übungen am Morgen statt. Wichtig sind zunächst eine direkte Ansprache des Patienten und die klare Benennung der nachfolgenden Abläufe. Unter der Aussprache des Buchstabens U streicht die Heileurythmistin die Körperseiten des Patienten fest ab. Hiermit soll eine bessere Verbindung mit dem Leib und somit auch der Selbstwahrnehmung unterstützt werden. Durch häufige Wiederholungen soll Halt vermittelt und Vertrauen erfahrbar werden.
Unter Aussprache des Buchstabens L wird eine runde Bewegung bei Sedierung passiv in sich wiederholenden Sequenzen mit den Füßen und Armen durchgeführt. Dieses wird von dem Klingen des Lautes begleitet. Bei eigener Tätigkeit werden die Formen oft unterstützt. Diese Übung soll die Flüssigkeitsströme anregen, die Vitalität fördern und die Sauerstoffaufnahme unterstützen.
Unter Benennung des Buchstabens E wird mit Zehen, Füßen, Beinen, Fingern, Händen und Armen passiv und aktiv eine kreuzende Bewegung ausgeführt. Dies fördert die Präsenz im Leib. Das Wachwerden und das „sich Spüren“ soll so unterstützt werden. Die Übung ist potenziell blutdruckregulierend.
Die Übungen L und E können auch im rhythmischen Wechsel erfolgen. Für viele Patienten wirkt dies erfrischend.
Musiktherapie soll Atmung unterstützen
Die Musiktherapie trägt zu einer Modulation des Atems bei, indem der Atemrhythmus des Patienten musikalisch aufgegriffen wird. Sie fördert den Prozess des Wieder-Zu-Sich-Kommens, löst seelische Erstarrungen, hat eine wärmende und tagesinkarnierende Wirkung. Sie weckt den Lebensmut, vermittelt Zuversicht, Hoffnung und Lebensfreude. Mithilfe der Musiktherapie gelingt es, das Körpergefühl positiv zu beeinflussen und eine sensorische Stimulation durch taktile Schwingungsübertragungen sowie eine innere Schwingungsfähigkeit zu erreichen. Der Rhythmus der Musik wirkt anregend, die Harmonie beruhigt. Diffuse Bewusstseinszustände werden aufgelöst und die Aufmerksamkeitsfähigkeit gefördert. Zudem kann eine musiktherapeutische Behandlung antidepressiv und stressreduzierend wirken und führt zu einer Angst- sowie Schmerzreduktion. Musik hat eine spirituelle Qualität, sie löst religiöse Erfahrungen ohne störende Begrifflichkeit in Situation von Verzweiflung und innerer Orientierungslosigkeit aus. Durch die Musik können biografische Aspekte gestalterisch aufgegriffen werden, indem positive Erinnerungen hervorgerufen werden können. Auch kann die Musik dazu beitragen, Neues anzunehmen.
Der Artikel basiert auf einem Konzept der beiden Intensivstationen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe mit dem Titel „Tag-Nacht-Rhythmus in der Intensivmedizin“. Das Konzept wurde interprofessionell mit Ärzten, Pflegenden und Therapeuten erarbeitet. Ansprechpartner für Rückfragen sind die Pflegerischen Leitungen der beiden Intensivstationen, Jens Bindemann (jens.bindemann@havelhoehe.de) und Jana Böhland (jana.boehland@havelhoehe.de). Auch die klinikeigene Expertin für Anthroposophische Pflege, Maria Jung (maria.jung@havelhoehe.de), steht für Rückfragen zur Verfügung.