Das erstmals von der Aesculap Akademie organisierte Forum Hygiene im Februar 2024 bot den 160 Teilnehmenden ein Themenspektrum von nosokomialen Infektionen und Händehygiene über chirurgische Wundinfektionen bis hin zur Infektionsprävention.
Dr. Georg-Christian Zinn vom Bioscientia Zentrum für Hygiene und Infektionsprävention in Ingelheim thematisierte die leider immer noch unzureichende Händehygiene. Von der gewünschten Compliance-Rate von 80 Prozent sei man im Gesundheitswesen noch weit entfernt. Dabei sei gute Hygiene längst ein klarer Wettbewerbsvorteil. "Damit Hygieneregeln befolgt werden, müssen sie sinnvoll, klar definiert, bekannt, durchführbar, von Führungskräften akzeptiert und gefördert und kosteneffektiv sein", erklärte Dr. Zinn und empfahl, nicht mit Druck und Strafen zu arbeiten, sondern auf Fortbildung, Beobachtung und Feedback, Kontrollmechanismen, klare schriftliche Protokolle sowie freundliche Erinnerungen zu fokussieren, wenn man Versäumnisse bemerkt.
Eine ähnliche Haltung vertrat auch Dr. Kristina Böhm, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), in Bezug auf Hygiene beim ambulanten Operieren (AOP). Bei AOP-Einrichtungen seien vor allem Baumaßnahmen ein neuralgischer Punkt. "Oft setzen sich Praxisinhaber dabei nicht mit den Hygieneanforderungen auseinander. Dabei kann eine frühe Einbeziehung des Gesundheitsamts noch vor dem Bauantrag ggf. sogar Kosten sparen", betonte Dr. Böhm. In AOP-Einrichtungen fehle es oft an Platz, aber auch an Kenntnis der umfangreichen und zum Teil schwer überschaubaren gesetzlichen Anforderungen. Dennoch mahnte Dr. Böhm: "Die ambulanten Praxisinhaber sind gefordert, sich auf dem neuesten Stand zu halten."
Über die Studienlage zu Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen berichtete Priv.-Doz. Dr. Seven Aghdassi vom Charité-Hygieneinstitut. So haben laut Daten aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) Männer generell ein höheres Risiko für Wundinfektionen, insbesondere bei orthopädischen und abdominalchirurgischen Eingriffen. Frauen wiederum sind bei herzchirurgischen Operationen stärker gefährdet. Daneben gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der Liegedauer von transurethralen Blasenkathetern und dem Risiko einer Blasenkatheter-assoziierten Harnwegsinfektion (CAUTI). "Das Fazit ist nicht überraschend oder revolutionär: Man sollte lange Liegezeiten von Blasenkathetern vermeiden", erklärte Dr. Aghdassi.
Für die Vermeidung chirurgischer Wundinfektionen (Surgical Site Infections, SSI) ist es wichtig, die Compliance mit bekannten Prozessparametern (Verzicht auf präoperative Haarentfernung, korrekte präoperative Hautdesinfektion, perioperative Antibiotikaprophylaxe, präoperative Dekolonisation, orale Darmdekolonisation und perioperative Blutzuckerkontrolle) zu verbessern, berichtete Prof. Rami Sommerstein vom Nationalen Zentrum für Infektionsprävention Swissnoso an der Universität Luzern und Bern. In einem Pilotprojekt an acht Kliniken habe man binnen zwei Jahren so eine Reduktion der SSI-Rate in der Implantatchirurgie um 50 Prozent erreichen können, in der Darmchirurgie seien 25 Prozent weniger tiefe und Hohlraum-Wundinfekte aufgetreten. Auffällig niedrig sei die Compliance-Rate mit nur 40 Prozent bei der Blutzuckermessung gewesen. "Das scheint als interdisziplinäre Aufgabe besonders schwer umzusetzen zu sein", meinte Prof. Sommerstein.
Häufige Händedesinfektion schadet dem Hautmikrobiom von Angehörigen der Gesundheitsberufe übrigens langfristig nicht, erklärte Prof. Ulrike Seifert vom Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Universitätsmedizin Greifswald – auch nicht bei über 100 Händedesinfektionen mit ethanolbasiertem Händedesinfektionsmittel bei (EHBR) pro Arbeitsschicht. Das hat sie in einer prospektiven explorativen Studie am Handmikrobiom von vier Krankenschwestern herausgefunden. "Auch nach 20 Jahren Berufserfahrung rekonstituiert sich das individuelle Handmikrobiom nach Feierabend und vor allem nach längerer Abwesenheit vom Job. Es bleibt also relativ stabil", sagte Prof. Seifert.
Weitgehend verzichtbar sind dagegen medizinische Einmalhandschuhe, wie Prof. Irit Nachtigall ausführte. Die Regionalleiterin Infektiologie und ABS am Helios Klinikum Bad Saarow warnte: "Gerade Handschuhboxen sind oft Bakterienreservoires." Darüber hinaus komme es zu Hautschäden durch das feuchte Milieu im Handschuh und zu unnötiger Umweltbelastung. Vor allem aber habt der Handschuheinsatz ihrer Einschätzung nach oft weniger Händedesinfektion zur Folge und damit eine vermehrte Übertragung von Erregern. Prof. Nachtigall hat bei den Helios-Krankenhäusern daher 2023 die interne Kampagne "Helios lässt das Gummi weg" initiiert, die von Plakaten, Flyern und Stickern flankiert wurde. "Direkt nach der Kampagne ist bei uns Verbrauch von Händedesinfektionsmittel um 15 Prozent gestiegen", sagte sie. "Doch um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, muss man kontinuierlich dranbleiben."
--> Zum Programm: Forum Hygiene I 24. - 25. Februar 2025