Im Rahmen einer bundesweiten Umfrage untersuchten die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) die personelle, apparative und strukturelle Ausstattung deutscher Notaufnahmen. Dabei zeigte sich, dass die geforderten Mindeststandards flächendeckend nicht erfüllt sind, so die beiden Fachgesellschaften in einer aktuellen Pressemitteilung.
Die veröffentlichte Bestandsaufnahme von DIVI und DGINA basiert auf einer bundesweiten Online-Umfrage im Juni und Juli 2023 unter den Leitungen von 1.008 Notaufnahmen in Deutschland. Insgesamt haben sich 176 Häuser aller Versorgungsstufen beteiligt, von der Basis- bis zur umfassenden Notfallversorgung. Grundlage für die Fragen war ein gemeinsam erarbeiteter Vorschlag von DIVI und DGINA zur Mindestvorhaltung in Notaufnahmen.
Die Umfrage sollte die tatsächliche Situation mit den Empfehlungen der Fachgesellschaften abzugleichen. Erfasst wurden unter anderem die ärztliche und pflegerische Besetzung, die Qualifikation des Personals sowie die Einschätzung der Angemessenheit der vorhandenen Strukturen.
Pflegeleitung meist gut qualifiziert
Die Ergebnisse zeigen, dass in 88 bis 90 Prozent der Notaufnahmen die pflegerische Leitung und deren Stellvertretung über eine Fachweiterbildung Notfallpflege sowie eine Leitungsqualifikation verfügten. Die empfohlene Quote von einer Vollkraft (VK) pro 1200 Patientenkontakte sei von 63 Prozent der Häuser der Basisnotfallversorgung, 40 Prozent der erweiterten Notfallversorgung und 45 Prozent der umfassenden Notfallversorgung erreicht worden. Dennoch hielten 98 Prozent der Befragten diesen Schlüssel für erforderlich.
Fachweiterbildung und Ersteinschätzung unzureichend abgedeckt
In der Zeit von 8 bis 17 Uhr verfügten 85 Prozent der Basisnotfallzentren über mindestens zehn Prozent fachweitergebildete Pflegekräfte, 58 Prozent der erweiterten Notfallzentren über mindestens 20 Prozent und 26 Prozent der umfassenden Notfallzentren über mindestens 50 Prozent. Über 24 Stunden betrachtet hätten die Anteile deutlich niedriger gelegen – bei 71, 40 und 14 Prozent.
In etwa der Hälfte der Notaufnahmen sei ausgewiesenes Personal für die Ersteinschätzung vorhanden gewesen. Die Mehrheit der Notaufnahmen habe den Bedarf von einer VK je 1200 Patienten pro Jahr als wünschenswert eingeschätzt. Er wurde jedoch von 37 Prozent der Krankenhäuser der Basisnotfallversorgung, 16 Prozent der erweiterten Notfallversorgung und 26 Prozent der umfassenden Notfallversorgung sogar als zu niedrig angesehen.
Sozialdienst und Case-Management fehlen häufig
Zwei Drittel der Notaufnahmen gaben an, kein zusätzliches administratives Personal zu haben. In 80 bis 90 Prozent der Fälle hätten keine Mitarbeitenden aus dem Sozialdienst oder der Krisenintervention zur Verfügung gestanden. Auch Case-Manager seien nur selten im Regelbetrieb eingebunden gewesen.
Laut den Verfassern der Studie ist die pflegerische Leitung in den meisten Notaufnahmen gut qualifiziert. Angesichts des sich in dieser Befragung zeigenden ausgeprägten Mangels an entsprechend qualifizierten Pflegefachpersonen und der in der Diskussion befindlichen steigenden Anforderungen seien aber umgehende Anstrengungen zur entsprechenden Weiterqualifizierung von Pflegefachpersonen seitens der Notaufnahmen unabdingbar.
Auch für die weitere personelle Ausstattung mit Pflegefachpersonen (unter anderem Zahl Pflegepersonen je Patient, Personal für die Ersteinschätzung) habe Befragung einen Mangel aufgezeigt. Ein Zusammenhang zwischen einer inadäquaten Personalausstattung und dem Patientenoutcome erscheine zweifelsfrei.
Ein systematisches Review belege zudem, dass eine unzureichende Pflegepersonalausstattung mit längeren Wartezeiten, verzögerter Medikation und späterem Therapiebeginn einhergehe. Auch wenn diese Daten nicht aus Deutschland stammten, sei ein vergleichbarer Zusammenhang anzunehmen.
Forderung nach strukturellen Verbesserungen
Vollkommen unzureichend sei die Unterstützung durch Sozialdienst und Case-Management, die für eine effiziente Patientensteuerung und Entlassungsvorbereitung essenziell seien.
Große Anstrengungen seien notwendig, um die von Fachgesellschaften geforderten pflegerischen Standards in Notaufnahmen zu erfüllen. Insbesondere sollten der Anteil an Pflegefachpersonen mit Fachweiterbildung Notfallpflege erhöht, der empfohlene Personalschlüssel von einer VK je 1200 Patienten flächendeckend umgesetzt und die Unterstützung durch Sozialdienst und Case-Management verbessert werden.
Der Erstautor der Studie und DIVI-Generalsekretär, Prof. Uwe Janssens, erklärte: "Die Zahlen zeigen: Es sind noch große Anstrengungen erforderlich, um die von uns geforderten Struktur- und Personalanforderungen in Notaufnahmen zeitnah erfüllen zu können. Die im Zuge der Krankenhausreform so häufig angesprochene und wichtige Patientensteuerung kann in vielen Fällen durch fehlendes und nicht ausreichend qualifiziertes Personal durch die Notaufnahme nicht gewährleistet werden."