Nach dem Scheitern der Pflegekammer in Baden-Württemberg haben am Montag und Dienstag mehrere Verbände ihr Bedauern ausgedrückt und sehen die Politik in der Pflicht.
Der Gründungsausschuss für eine Pflegekammer in Baden-Württemberg äußerte sich enttäuscht nach Bekanntgabe des Nichterreichens des Quorums durch Sozialminister Manfred Lucha: "Die Veröffentlichung des Ministers hat uns überrascht, da wir in unserem Abschlussbericht das Erreichen des Quorums dargelegt haben. Es wird einmal mehr deutlich, dass von Anfang an der politische Wille für eine Kammer in Baden-Württemberg gefehlt hat", erklärte der Vorstandsvorsitzender des Gründungsausschusses, Peter Bechtel.
Gründungsausschuss Pflegekammer BaWü: Landespflegerat unterstützen
Nach Rechtsauffassung des Gründungsausschusses sei das gesetzlich geforderte Quorum von 60 Prozent der Pflegefachpersonen, die eine Pflegekammer befürworten, erreicht worden. Minister, Regierung und Oppositionsparteien sollten nun zu ihren Beteuerungen aus der Vergangenheit stehen, "die vor uns liegenden Herausforderungen mit der Profession anzugehen. Der Landespflegerat muss daher künftig finanziell unterstützt und Ansprechpartner für die Politik werden. Er muss als Gremium in alle politischen Entscheidungen einbezogen werden und dort eine Stimme bekommen, wo Entscheidungen zur und über die Pflege gefällt werden", forderte die stellvertretende Vorsitzende des Gründungsausschusses, Gabriele Hönes.
DVP: Spaltung des Berufstandes wird in Kauf genommen
So sieht es auch der Vorsitzende des Deutschen Pflegeverbandes (DVP), Markus Mai: Der Landespflegerat Baden-Württemberg müsse mit mindestens zwei Vollzeitstellen und einer Geschäftsstelle aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Zum Scheitern der Pflegekammer ergänzte Mai, es sei unsäglich, was die Politik "mit Ansage von Experten" der Pflege in Baden-Württemberg aufgebürdet habe. Die "Spaltung des Berufsstandes" werde damit billigend in Kauf genommen. Zu Pflegekammern gebe es keine Alternative. Der Berufsstand werde nachhaltig nur stark und eigenständig in starken Pflegekammern.
Bundesverband Pflegemanagement: Rückschlag für Profession Pflege
Als großen "Rückschlag für die professionelle Pflege in Baden-Württemberg und Deutschland" bezeichnet der stellvertretende Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement, Hanjo Börsch, das Scheitern der Pflegekammer. "Mit Blick auf die erheblichen multiplen Herausforderungen der pflegerischen Versorgung in Gegenwart und Zukunft führt kein Weg an der Stärkung der beruflichen Pflege vorbei", so Börsch. Die Politik müsse nun auf anderem Wege die Stärkung der beruflichen Pflege sicherstellen, insbesondere durch Ausweitung von politischer Beteiligung und Einbeziehung sowie der Festigung bestehender Vertretungsstrukturen. Auch Börsch verwies auf den Landespflegerat.
DBfK Südwest: Ziele der Pflegekammer gerieten in den Hintergrund
Die Vorsitzende des DBfK Südwest, Andrea Kiefer, sieht die Ursache des Nichterreichen des Quorums in den vielen "Debatten rund um den Registrierungsprozess", die den "Blick auf den eigentlich Zweck von Heilberufekammern zeitweise verstell" und "die Ziele einer Landespflegekammer in den Hintergrund gerückt" hätten.
VPU: Kammerkritiker sollen nun Antworten liefern
Der Verband der Pflegedirektorinnen und -direktoren der Universitätskliniken Deutschlands (VPU) betonte die Bedeutung der Errichtung einer Pflegekammer, um die beruflichen Belange der Pflegenden wirksam zu vertreten: "Nun stellt sich die Frage, wie der notwendige Schritt in die Professionalisierung der Pflege ohne eine entsprechende Kammerstruktur erfolgen kann. Hier sind insbesondere die Kritiker gefragt, die entsprechenden Antworten zu liefern", betonte der Vorstandsvorsitzende des VPU, Torsten Rantzsch. Pflegende und politische Akteure sollten sich weiterhin aktiv in die Diskussionen und Gestaltungen der Pflegepolitik einbringen: "Die Herausforderungen in der Pflege sind vielfältig und erfordern eine starke und geeinte Stimme, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Anerkennung des Berufes zu stärken und die Pflegequalität zu sichern."