Die Fakultät für Pflegewissenschaft an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar (PTHV) wird "aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt". Das teilte die Gemeinschaft der Pallottiner als Träger der katholischen Hochschule kurz vor Ostern auf ihrer Homepage mit.
Hoffnung auf Akademisierung der Pflege aufgegeben
Ursprünglich sollten die Pflegewissenschaften als verkleinerter Teil der erst im Januar gegründeten Fakultät für Humanwissenschaften weitergeführt werden.
Provinzial Pater Helmut Scharler sagte auf der Homepage:
"Dieser Schritt ist notwendig, um die Hochschule auf einem gesunden Fundament in die Zukunft führen zu können.“
3 Gründe seien für diese Entscheidung ausschlaggebend:
- staatliche Mitbewerber erheben keine Studiengebühren
- Die Pallottiner sind nach dem Ausstieg der Marienhaus Holding aus der PTHV GmbH zum Jahresende 2020 alleiniger Gesellschafter und stünden damit auch finanziell in der Verantwortung. Da die Studierendenzahlen rückläufig seien und zu wenig Studierende eingeschrieben seien, könne die Fakultät wirtschaftlich nicht aufrechterhalten werden. Der Bachelor-Studiengang Pflegeexpertise habe aufgrund fehlender Nachfrage nicht gestartet werden können.
- Die bei Gründung der Fakultät "gehegte Hoffnung, dass die Pflege in Deutschland akademisiert wird", habe sich "nicht im nötigen Maße erfüllt".
Zum dritten Punkte ergänzte Scharler:
"In Deutschland hat die Pflege hier weniger erreicht als in anderen Ländern."
Studium soll noch in Regelstudienzeit beendet werden können
Zu Zeit hat die pflegewissenschaftliche Fakultät rd. 250 Studierende, von denen rund 90 Teilnehmer aus der Kooperation mit der Universität Koblenz zur Ausbildung von Berufsschullehrern stammen. Ein großer Teil der anderen Studierenden habe "die Regelstudienzeit bereits überschritten und zahlt somit auch keine nennenswerten Gebühren mehr".
Studierende, die bereits eingeschrieben sind, sollten laut Mitteilung auf der Pallottiner-Homepage, "ihr Studium zumindest in der Regelstudienzeit beenden können, Neuaufnahmen sind nicht mehr möglich".
Die PTHV ist eine katholische Hochschule in freier Trägerschaft im Rang einer Universität. Der erste Pflegestudiengang startete im Wintersemester 2006.
PTHV-Alumnis äußern sich enttäuscht
Die Alumni der Pflegewissenschaftlichen Fakultät äußerten sich am Montag überrascht in einer Stellungnahme. Sie seien lediglich per Mail über die Entwicklungen in Kenntnis gesetzt worden, so der Sprecher des Alumni-Netzwerks, Roland Brühe.
Die Entscheidung sei nicht nur "sehr bedauerlich", sondern werfe auch "viele Fragen auf".
"Befremdlich" sei u. a., dass Mitarbeitende und Studierende ohne Vorwarnung mit dem absehbaren Ende ihrer Tätigkeit bzw. ihres Studiums konfrontiert würden.
"Wo man von einer an Werten orientierten Organisation ein Gesprächsangebot erwartet hätte, wurden Tatsachen geschaffen."
Es wäre wünschenswert gewesen – "wenn nicht sogar geboten" – die Zukunft gemeinsam mit allen Beteiligten zu besprechen und Lösungen zu suchen. Dass die "Entscheidung über eine Stilllegung einseitig und augenscheinlich ohne gemeinsame Prüfung der Optionen" getroffenen worden sei, sei enttäuschend.
Entscheidung schadet Pflegewissenschaft und Pflegeprofession
Auch sei zwar die Akademisierung der Pflege kein Selbstläufer hierzulande, aber nach Einschätzung von Expertengremien wie dem Wissenschaftsrat eine der zentralen Zukunftsaufgaben im Gesundheitssystem.
Angesichts einer wachsenden Zahl alter, pflegebedürftiger und chronisch kranker Menschen, zunehmender Versorgungsprobleme in ländlichen Regionen oder auch schwindender Pflegepotenziale in den Familien komme Pflegenden zunehmend die Aufgabe zu, nicht nur zu versorgen, sondern tragfähige Versorgungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen.
"Die dafür erforderliche Selbstständigkeit und Handlungskompetenz kann nur im Rahmen eines Pflegestudiums erworben werden. Deshalb gilt eine zügige Akademisierung der Pflegeberufe als dringend geboten."
Und weiter betonen die Alumni:
"Gerade weil der Akademisierungsprozess der Pflege in Deutschland schleppender als in anderen Ländern verläuft, ist es wichtig, sich an berufener Stelle für eine Stärkung der Pflege und eine Etablierung pflegewissenschaftlicher Studiengänge einzusetzen."
Insofern sei es eine "in mehrfacher Hinsicht gelungene und weitsichtige Allianz" gewesen, die seinerzeit vom Orden der Pallottiner und den Begründern der Pflegewissenschaftlichen Fakultät eingegangen worden sei. Sie habe die erste und bis heute einzige pflegewissenschaftliche Fakultät auf deutschem Boden ermöglicht.
"Die Entscheidung zur Stilllegung der Pflegewissenschaftlichen Fakultät schadet unserer Ansicht nach den Pallottinern und der Weiterentwicklung der Hochschule ebenso wie der Disziplin Pflegewissenschaft und der Pflegeprofession."
Die Alumni fordern deshalb die Provinzleitung der Pallottiner auf, ihre Entscheidung zu überdenken und "mit den von ihren Folgen betroffenen Personen in einen konstruktiven Dialog" zu treten.
Weiteren Aufschluss zur "Umstrukturierung und strategischen Neuausrichtung der PTHV" gibt voraussichtlich eine Online-Pressekonferenz am Donnerstag.