Das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam setzt auf Praxisentwicklung, um wissenschaftliche Erkenntnisse in die Patientenversorgung zu überführen und personzentrierte Pflege voranzutreiben. Ein wichtiges Instrument hierbei ist die Pflegewissenschaftliche Praxisbegleitung.
Die Idee der Pflegewissenschaftlichen Praxisbegleitung (PPB) als Instrument der Praxisentwicklung entstand aus Gesprächen mit Clinical Nurse Specialists und Nurse Practitioners aus den USA. Diese spezialisierten Kolleg:innen begleiten regelmäßig Pflegefachpersonen in der Praxis, um die Eignung von Versorgungsmodellen und individuelle Bedarfe seitens der Mitarbeitenden zu identifizieren – beispielsweise edukative Maßnahmen sowie Prozess- und Strukturanpassungen. Dieses "Job Shadowing" steht häufig unter einer konkreten Fragestellung und folgt einer festen Struktur aus Vorgespräch, gemeinsamer Terminvereinbarung, Begleitung in der Praxis und anschließender gemeinsamer Reflexion.
Am Klinikum Ernst von Bergmann wird die pflegerische Versorgungspraxis seit nunmehr einem Jahr systematisch evidenzbasiert und personzentriert weiterentwickelt. Ein wichtiges Instrument hierfür ist die PPB, die sich am Job Shadowing orientiert, jedoch an den deutschen Kontext angepasst wurde. Der Fokus liegt auf der Beobachtung und Analyse von Versorgungssituationen. Neben Aspekten wie Hygiene oder Prozessorganisation werden dabei auch Themen wie interprofessionelle Zusammenarbeit und Personzentrierung betrachtet und erfasst. Ein Assessmentinstrument wurde entwickelt, um die gewonnenen Eindrücke systematisch und vergleichbar zu dokumentieren.
Beobachtung und Analyse von Versorgungssituationen
Die PPB wird von klinisch tätigen Pflegewissenschaft‧ler:innen mit Masterabschluss durchgeführt und folgt – wie das internationale Vorbild – einer festen Struktur: Bei einem Vorgespräch mit der Stations- oder Bereichsleitung wird ein geeigneter Termin vereinbart, um relevante Prozesse, Abläufe und Strukturen zu besprechen, auf die bei der PPB das Augenmerk gelegt werden soll. Die PPB beginnt mit einer Vorstellung der durchführenden Person im Rahmen der Übergabe, um für Transparenz und Klarheit zu sorgen. Gemeinsam wird entschieden, in welchem Bereich mitgearbeitet wird und welche Besprechungen und Termine während des Dienstes zusätzlich begleitet werden sollen, um ein möglichst umfangreiches Bild zu erhalten. Die aktive Mitarbeit der die PPB durchführenden Person macht einen spürbaren Unterschied. Denn die PPB ist weder Audit noch Stationsbegehung. Sie lebt von der authentischen Präsenz der durchführenden Person in den Versorgungssituationen sowie von Gesprächen mit Patient:innen, Angehörigen und Kolleg:innen des interprofessionellen Teams. Die kollegiale Zusammenarbeit in der Versorgung bietet die Erfahrung, dass klinisch tätige Pflegewissenschaftler:innen auch Pflegefachpersonen sind, die ab 6.00 Uhr morgens und am Wochenende in der direkten Patientenversorgung tätig sind.
Während der PPB achten sie auf Aspekte wie Arbeitskultur, Professionalitäts- und Pflegeverständnis, Führung, Innovationsoffenheit gegenüber der evidenzbasierten Praxis und der Pflegewissenschaft, Funktionalität der Arbeitsumgebung, Qualität der Informationsübergabe und Dokumentation, interprofessionelle Zusammenarbeit, Umsetzung des Pflegeprozesses sowie Vorbehaltsaufgaben, Prozessqualität und Personzentrierung.
Implementierungsstrategien gemeinsam planen
Nach der Begleitung, die oft einen gesamten Dienst umfasst, findet ein Feedbackgespräch mit der Stationsleitung statt – bei Interesse auch mit den begleiteten Kolleg:innen. Anschließend werden die Beobachtungen ausgewertet und zusammen mit pflegesensitiven Qualitätskennzahlen analysiert. Denn im Unterschied zum Job Shadowing stehen bei der PPB Kontextfaktoren der Versorgungseinheit im Vordergrund. Versorgungssituationen werden als exemplarische Beobachtungen betrachtet, die auf diese Faktoren Rückschlüsse ermöglichen. Auf dieser Grundlage werden Prioritäten für die Weiterentwicklung der Praxis festgelegt. Klinisch tätige Pflegeexpert:innen mit Bachelorabschluss planen anschließend zusammen mit Pflegewissenschaftler:innen und weiteren Kolleg:innen aus Pflege, Therapie und Medizin die notwendigen Implementierungsstrategien und setzen sie gemeinsam um.
Die PPB trägt dazu bei, die Versorgungsqualität und Zufriedenheit aller Beteiligten kontinuierlich zu verbessern. Zudem werden Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis gebaut sowie die Akzeptanz hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen und Pflegewissenschaft gefördert.