Ob im Verband, in der Gewerkschaft oder auf Social Media – Pflegefachpersonen zeigen, wie berufliches Engagement politische Wirkung entfalten kann. Ein Überblick über Wege, Einfluss zu nehmen und die Pflege voranzubringen.
Als Andrea Kiefer anfing, sich für die Belange von Beschäftigten in der Pflege zu engagieren, wollte sie die Zustände nicht länger hinnehmen. "Ich habe gesehen, dass es viele Missstände gab und die Pflege mit ihren Forderungen nicht gehört wurde", sagt Kiefer, die seit fast 29 Jahren Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Südwest ist. Und sie stellte schnell fest, dass man sehr wohl etwas bewirken kann.
Sie beteiligte sich beim DBfK Südwest an einer Arbeitsgemeinschaft, die ein Personalbemessungsinstrument für die Intensivpflege entwickelte. "Dabei habe ich gesehen, dass wir mit unseren Vorschlägen Gehör finden und so einen Schritt weiterkommen", sagt Kiefer, die bis zu ihrem Rentenbeginn im April stellvertretende Leitung der Weiterbildungsstätten am Bildungszentrum des Klinikums Stuttgart war.

Pflegerische Perspektive in politische Entscheidungsprozesse einbringen
Ob es der Personalschlüssel, das Aufgabenspektrum oder die Bezahlung ist – es gibt vieles, wo Pflegepersonal Verbesserungsbedarf sieht. Wenn es darum geht, wie sich Veränderungen bewirken lassen, kommt schnell der Gedanke an ein politisches Amt. Doch gibt es auch viele andere Möglichkeiten, um sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege einzusetzen.
Eine Möglichkeit besteht darin, sich – so wie Andrea Kiefer – bei einem Verband zu engagieren. Dazu gehören neben dem DBfK zum Beispiel der Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland, der Verband der Schwesternschaften vom DRK oder der Deutsche Pflegeverband. Die Verbände entwickeln nicht nur das Berufsbild der Pflege weiter, wie etwa bei den Community Health Nurses. Sie bringen auch die pflegerische Perspektive in politische Entscheidungsprozesse ein: zum Beispiel durch Stellungnahmen, bei Anhörungen wie im Bundestag, in Landtagen und auf kommunaler Ebene sowie im persönlichen Austausch mit politischen Entscheiderinnen und Entscheidern.
Stimme der Pflege wird zunehmend gehört
Sich beispielsweise in Berufsverbänden zu engagieren, ist wichtig, damit die Anliegen der Pflege auch tatsächlich im politischen Entscheidungsprozess gehört werden, betont Andrea Kiefer. "Im Bundestag oder auch in Landtagen reden viele fachfremde Personen mit, die nicht die Expertise haben, die Beschäftigte aus der Pflege mitbringen." Das Pflegepersonal weiß aus dem Arbeitsalltag, wo Probleme bestehen und welche Bedarfe es gibt, um beispielsweise für eine gute Pflegequalität zu sorgen.
Und diese Stimme der Pflege wird auch zunehmend berücksichtigt, berichtet das Mitglied des DBfK-Bundesvorstands. Wenn Gesetzentwürfe geschrieben werden, werden DBfK, Deutscher Pflegerat oder andere Akteure aus der Pflege um Stellungnahmen gebeten. "Was wir äußern, findet sich dann teilweise in den Gesetzentwürfen wieder", sagt Kiefer.
Mit Streiks und Öffentlichkeitsarbeit Druck ausüben
Wer sich für die Belange von beruflich Pflegenden engagieren möchte, kann das beispielsweise auch im Rahmen einer Gewerkschaft tun. Gewerkschaftsmitglieder machen durch Streiks und Öffentlichkeitsarbeit Druck, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gewerkschaften verhandeln mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgeberverbänden über Tarifverträge und drängen bei Arbeitgebern auf Entlastung. Sie können dadurch nicht nur bessere Gehälter erreichen, sondern auch für Entlastung sorgen, wie das Beispiel des Universitätsklinikums Gießen und Marburg zeigt. Gewerkschaften machen sich zudem durch die Beratung von Betriebs- und Personalräten für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stark.
Zu den Dachverbänden von Gewerkschaften zählen Verdi und der dbb beamtenbund und tarifunion. Mit dem Bochumer Bund gibt es seit 2020 zudem eine Fachgewerkschaft, die sich ausschließlich für die Interessen des Pflegepersonals einsetzt. Der Bochumer Bund hat bisher weniger als 3.000 Mitglieder und ist derzeit nicht tariffähig, weshalb er bislang keine Tarifverträge abschließen kann.

Gewerkschaften in der Pflege: Tarif, Streik und Mitbestimmung
Eines der Gewerkschaftsmitglieder der noch jungen Fachgewerkschaft ist Jens Witt. "Wenn es um Probleme in der Pflege ging, hat es mich immer gestört, wenn sich jemand nur beschwert, aber nichts tut", sagt er. Er selbst hielt sich ebenfalls lange zurück – bis er Gewerkschaftsmitglied wurde. "Wenn ich möchte, dass sich etwas verändert, muss ich auch selbst etwas einbringen", sagt Witt, der gelernte Krankenpfleger ist und heute an der Schnittstelle zwischen Pflege und IT bei einem Krankenhausverbund arbeitet. Beim Bochumer Bund unterstützte er zunächst bei der externen Kommunikation und wurde im vergangenen Jahr Pressesprecher.
Wenn sich Pflegebeschäftigte engagieren, können sie nicht nur dafür sorgen, dass sich etwas bei den Gehältern und Arbeitsbedingungen bewegt, betont Witt. Er sieht auch noch großes Potenzial für die Pflege, sich fachlich stärker einzubringen. "Die Pflege weiß sehr viel, aber ist noch nicht gut darin, das auch nach außen zu transportieren", sagt er. "Die Pflege wird sich letztlich aber nur dann gut präsentieren können, wenn sie für Fachlichkeit einsteht."
Sichtbarkeit erhöhen: Pflegeaktivismus und Social Media
Neben Berufsverbänden und Gewerkschaften gibt es noch zahlreiche andere Organisationen, bei denen sich Beschäftigte aus der Pflege engagieren können. Dazu zählen die Pflegekammern, die es bisher in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gibt. Zudem gibt es weniger stark institutionalisierte Strukturen, etwa Pflegebewegungen wie Walk of Care oder Aktionsbündnisse, zu denen "Pflege am Boden" zählte. Sie machen bei Kundgebungen, Infoveranstaltungen oder auch durch Stellungnahmen auf Missstände in der Pflege aufmerksam.
Auch ohne in eine Organisation eingebunden zu sein, kann man der Pflege Gehör verschaffen. So gibt es einige Pflegefachpersonen, die auf Social Media viele Menschen mit ihren Themen erreichen. Dazu zählt zum Beispiel Vanessa Schulte.
Pflege bewegt etwas – Erfolge und "dicke Bretter"
Egal auf welche Weise – langfristig lässt sich viel bewegen, wenn man sich für die Interessen der Pflegebeschäftigten engagiert. Andrea Kiefer sieht viele Erfolge in den vergangenen Jahren: vom Personalbemessungsinstrument in der Langzeitpflege über die Möglichkeit zur akademischen Qualifizierung bis hin zum Pflegeberufegesetz, in dem erstmals Vorbehaltsaufgaben definiert wurden, die ausschließlich Pflegefachpersonen übernehmen dürfen. "Pflegeverbände und Pflegeorganisationen können stolz darauf sein, was sie erreicht haben", sagt die Vorsitzende des DBfK Südwest.
Letztlich kann es zwar dauern, bis sich etwas ändert. Stets aufs Neue müssen Pflegethemen ins Gespräch gebracht werden. "Es sind immer wieder dicke Bretter, die man bohren muss", sagt Kiefer. "Aber am Ende sieht man: Es geht vorwärts."