Der Vorschlag von Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), pflegende Angehörige mit einem Lohnersatzmodell besser finanziell zu unterstützen, stößt auf ein geteiltes Echo. So befürworten Sozialverbände die Einführung von Pflegegeld. Aus Sicht des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) greift dieser Ansatz jedoch deutlich zu kurz, und Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sieht die Einführung des Pflegegelds kritisch.
Prien: Pflegegeld als Lohnersatz
Prien hatte sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, ein Familienpflegegeld als Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einzuführen.
"Es wird mit unserer demografischen Entwicklung nicht möglich sein, dass Pflege allein von Fachkräften geleistet wird. Deshalb müssen wir einen Einstieg in ein Pflegegeld als Lohnersatz für pflegende Angehörige schaffen", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD dazu lediglich einen Prüfauftrag vereinbart: "Wir prüfen, wie perspektivisch ein Familienpflegegeld eingeführt werden kann."
Familienpflegegeld keine neue Idee
Bisher gibt es bereits ein Pflegegeld, das Pflegebedürftige erhalten, um damit die Kosten von Unterstützungsangeboten – auch von Angehörigen – zumindest teilweise zu begleichen. Zudem gibt es eine Familienpflegezeit, in der sich Angehörige kurzzeitig von der Arbeit freistellen lassen können und dann eine Lohnersatzleistung - das Pflegeunterstützungsgeld - erhalten. Alternativ ist dies auch länger möglich, aber nur mit einem Darlehen statt eines Lohnersatzes. Die Einführung eines Familienpflegegelds war bereits ein Vorhaben der alten Bundesregierung gewesen.
DBfK: Community Health Nurses sollten Schlüsselrolle pbernehmen
Pflegende Angehörige benötigten nicht nur mehr Geld, sondern vor allem „ein starkes Netz aus professioneller Begleitung, Beratung und Entlastung“, sagte DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper. Lohnersatz sei ein wichtiges Signal, aber keine Lösung für die strukturelle Überlastung in der häuslichen Pflege.
"Ein Pflegegeld ersetzt keine Fachkraft, keine Anleitung im Notfall und keine kontinuierliche Versorgungssicherheit. Hier kommen Community Health Nurses ins Spiel", so Klapper weiter.
Die vom DBfK seit Langem geforderten Community Health Nurses (CHN) – spezialisierte Pflegefachpersonen mit akademischer Weiterbildung – könnten laut Verband eine Schlüsselrolle einnehmen und genau die Lücke schließen, die Angehörige heute oft überfordere: "Sie beraten, steuern, intervenieren und stabilisieren in komplexen Pflegesituationen – vor Ort, verbindlich und niedrigschwellig."
Der DBfK spricht sich deshalb für die flächendeckende Einführung von Community Health Nurses aus – mit nachhaltiger Verankerung in die Regelversorgung.
Sozialverbände dringen auf Pflegegeld-Einführung
Wie tagesschau.de und ZDF.de berichten, sprechen sich mehrere Sozialverbände für die Einführung des Pflegegelds aus. Und zwar mindestens in Höhe des Elterngelds, forderte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, in den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Joachim Rock erklärte: "Das Pflegegeld sollte analog zum Elterngeld ausgestaltet sein."
Entlastungen für pflegende Angehörige in Milliardenhöhe habe zudem Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa gefordert. In einem Interview mit dem Tagesspiegel sprach sie von insgesamt 4,7 Milliarden Euro pro Jahr.
Gesundheitsökonom äußert Bedenken
Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen äußerte dagegen Bedenken: "Bei dem Konzept des Familienpflegegelds besteht die Gefahr, dass Anreize zur Arbeitszeitreduzierung gesetzt werden, obwohl eine Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bestünde." In Zeiten des Fachkräftemangels seien solche Maßnahmen gesamtwirtschaftlich nicht sinnvoll, gab der Experte laut tagesschau.de zu bedenken.
Quellen: dpa, tagesschau.de, ZDF.de, DBfK