Viele Entwicklungen in der Digitalisierung kommen in der beruflichen Pflege nicht an, weil Hauptansprechpartnerinnen und -partner sowie eine gesetzlich verankerte Organisationsstruktur für die berufliche Pflege – analog jener anderer Selbstverwaltungspartnerinnen und -partner – fehlen. Davon zeigte sich der Deutsche Pflegerat (DPR) in dieser Woche auf der Jahrestagung "Health – The Digital Future 2022" des Handelsblatts überzeugt. Viele digitale Lösungen würden deshalb an der beruflichen Pflege vorbei entwickelt, sagte DPR-Präsidentin Christine Vogler.
Heilberufegesetz neu ordnen, Pflegepersonal mehr Kompetenzen zugestehen
Das müsse sich ändern: Die Profession Pflege sei in die Entwicklung digitaler Lösungen nicht nur sporadisch einzubeziehen, sondern auch systematisch in den Sozialgesetzbüchern (SGB) entlang der neuen Vorbehaltsaufgaben zu verankern. Das Heilberufegesetz sei neu zu ordnen, um neue Kompetenzen auf Pflegepersonal zu verteilen.
Dazu sei auch nötig, das Gesundheitssystem neu zu strukturieren sowie SGB V und SGB XI zusammenzuführen.
Vogler verdeutlichte die Problematik anhand der Patientenakte: Bei deren Entwicklung sei die Profession Pflege nicht beteiligt gewesen. Richtig mit ihr arbeiten dürfe und könne sie trotz ihrer Kompetenzen auch nicht, weil ihr dafür vom Gesetzgeber die Rechte nicht gegeben worden seien. Das Gesundheitssystem könne so auf Dauer nicht funktionieren.
Digitalisierung kein Ersatz für Hilfeleistungen
Für DPR-Vizepräsidentin Irene Maier gehört auch eine verständliche Gesundheitskommunikation berücksichtigt, wenn es um digitale Lösungen für die Pflege geht. Eine Vereinheitlichung der Digitalisierung sei allerdings schwierig, denn beruflich Pflegende müssten die Bedarfe ihrer Patientinnen und Patienten kennen, um helfen zu können. Diese Bedarfe und Leistungen seien jedoch in der Pflege sehr unterschiedlich. Einen "goldenen Königsweg" gebe es deshalb nicht.
Zur Frage, ob Digitalisierung helfe, den Pflegenotstand zu beheben, sagte Maier:
"Wenn kein Pflegepersonal da ist, dann hilft die beste Digitalisierung nichts. Sie ist kein Ersatz für Hilfeleistungen. Wir brauchen mehr Personal in allen Settings. Digitalisierung kann jedoch begleiten, bei der Sturzprophylaxe, für eine bessere Mobilität wie auch zur Verbesserung der kognitiven Möglichkeiten. Sie kann helfen, Transfers zu vermeiden."