Die von der Bundesregierung vorgelegte Pflegereform hat im Bundestag am Donnerstag zu einer kontroversen Grundsatzdebatte über die langfristige Organisation und Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung geführt. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Pflegereform verteidigte, bemängelte die Opposition in der ersten Beratung des Entwurfs eines Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG), die Finanzierung der Pflegeversicherung sei nicht nachhaltig. Angesichts der demografischen Entwicklung und der immer höheren Kosten sei die Pflege neu aufzustellen.
Vorschlag zur Finanzierung der Pflegeversicherung im nächsten Jahr
Lauterbach sagte, die Langzeitpflege stehe vor wichtigen Herausforderungen. Immer mehr Menschen benötigten immer länger pflegende Unterstützung. Pflegepersonal würde besser bezahlt, die Ausgaben in der Pflege stiegen. Das seien alles im Grunde gute Nachrichten, die es zu würdigen gelte, denn sie stünden für mehr Lebensqualität. Allerdings räumte der Minister auch ein, dass das System mehr Geld brauche, um weiterhin die hohe Qualität der Pflegeversicherung aufrechterhalten zu können.
Die Pflege sei der am stärksten wachsende soziale Bereich und latent unterfinanziert. Daher sei der paritätisch getragene Beitrag maßvoll anzuheben. Der Minister sagte, er wolle nichts beschönigen oder verschweigen, und fügte hinzu:
"Wir sind, was die langfristige Finanzierung der Pflege angeht, an einem Wendepunkt."
Das System könne nicht dauerhaft so ausgebaut werden. Er kündigte einen Vorschlag dazu im kommenden Jahr an. Dabei werde es etwa um die Frage der Steuerfinanzierung gehen, eine mögliche Vollkaskoversicherung oder auch die Bürgerversicherung. Er versprach eine Reform aus einem Guss.
Die Bundesregierung räumte ein, dass über eine grundsätzliche Weichenstellung in der Pflege zu beraten sei. Der vorliegende Entwurf sei ein Kompromiss, der in den Beratungen noch verändert werden sollte.
DPR: Zukunft der Profession Pflege steht auf dem Spiel
Die Profession Pflege hält dennoch an ihrer harschen Kritik an der Reform fest. Der Deutsche Pflegerat (DPR) sprach von einer "abgespeckten Reform", von der weder Politik noch beruflich Pflegende oder Pflegebedürftige profitierten. Das Finanzministerium gebe den finanziellen Rahmen vor. Die Zukunft der pflegerischen Versorgung sowie der Profession Pflege stehe auf dem Spiel und damit auch der gesellschaftliche Zusammenhalt, betonte DPR-Präsidentin Christine Vogler.
"Das aktuelle finanzielle Pokern um die Pflegereform ist angesichts der Probleme, die es gibt, würdelos. Pflege benötigt nicht nur die gesellschaftliche, sondern auch die höchste politische Deckung. Diese Hilfe des Bundeskanzlers ist jetzt geboten."
Pflegekammer Rheinland-Pfalz fordert Rückhalt der Politik
Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz beklagte, dass die ursprünglich geplanten Regelungen zum Entlastungsbetrag entfallen seien und es auch bei der finanziellen Entlastung der Pflegeempfänger Kürzungen gebe. Kammerpräsident Markus Mai sagte dazu:
"Das ist inakzeptabel. Wir fordern starke Politikerinnen und Politiker, die sich gegen diese Kürzungen wehren, da sonst dieser existenziell wichtige Versorgungsbereich immer mehr zusammenbrechen wird."
Statt eines "Pflegeversicherungsreanimationsgesetzes", sei eine Auseinandersetzung mit der Frage wichtig, ob die Pflegeversicherung überhaupt die richtige Grundlage für die Pflegeversorgung in der Zukunft darstelle.
AGVP: Entwurf geht an drängendsten Problemen der Altenpflege vorbei
Auch dem Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) geht der PUEG-Entwurf an den drängendsten Problemen der Altenpflege vorbei. Ohne "drastische Änderungen" am jetzigen Entwurf steuere die Gesellschaft weiter auf eine Versorgungskatastrophe zu. AGVP-Präsident Thomas Greiner konstatierte:
"Bei dem Gesetz von Unterstützung und Entlastung zu sprechen, ist absurd."
Kritik äußerte Greiner zudem am Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung. Dieses sei trotz vielversprechender Ansätze ungenügend, um dem Fachpersonalmangel in der Pflege zu begegnen. Die Altenpflege brauche keine Verbesserungen auf dem Papier und kein bürokratisches Klein-Klein, sondern einen Paradigmenwechsel: Langwierige Einzelprüfungen und endlose Wartezeiten bei den Ämtern müssten ein Ende haben.
Der Gesetzentwurf ist nun in den Gesundheitsausschuss überwiesen worden.