Der Entwurf einer Neufassung des Epidemie-Gesetzes in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist höchst umstritten. Insbesondere die Zwangsrekrutierung von Pflegenden wird sowohl von der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) als auch vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest als unverhältnismäßig kritisiert.
"Wir halten derartige Maßnahmen für nicht angebracht und zudem auch für überflüssig angesichts der großen Bereitschaft der beruflich Pflegenden, Verantwortung zu übernehmen und sich mit großem Engagement zur Bewältigung der Krise einzusetzen", sagte VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner am Montag. Sie stünden freiwillig zu ihrer Verantwortung, selbst dann, wenn sie sich in der Vergangenheit gegen ihren Beruf entschieden hätten. Das zeige u. a. die Meldeplattform für Freiwillige.
Greife man trotz dieser Bereitschaft zu so rigiden Mitteln wie Zwangsrekrutierung, könne man am Ende ein falsches Signal senden und die hohe Bereitschaft gefährden, warnte Sigl-Lehner.
FREIWILLIGE MASSNAHMEN AUSSCHÖPFE
Auch der DBfK-Nordwest-Vorsitzende Martin Dichter betonte, dass es "eine Bandbreite von Maßnahmen auf freiwilliger Basis" gebe, die zunächst ausgeschöpft werden müsse, dazu zählten u. a. Prämien, Zuschläge oder Steuerbefreiungen.
Gleichzeitig warnte Dichter aber: "Aufgrund der derzeitigen Unterversorgung mit geeigneter Schutzkleidung muss jede Form der Rekrutierung von weiterem Personal strikt abgelehnt werden."
Prioritäre Aufgabe der NRW-Landesregierung sei es, alle Pflegende mit ausreichend Schutzmaterialien zu versorgen – "nicht die Zwangsrekrutierung von Personal, dem die einfachsten Materialien zum Selbstschutz fehlen".
VERFASSUNGSWIDRIGER EINGRIFF IN GRUNDRECHTE
Wie die Deutsche Presseagentur am Dienstag berichtete, hatten in einer Expertenanhörung zu dem Gesetz bereits einige Rechtswissenschaftler die Auffassung vertreten, die vorgesehenen Zwangsverpflichtungen zum Arbeitseinsatz in der Corona-Krise seien verfassungswidrig.
Das Gesetz würde der Landesregierung dem Entwurf zufolge im Katastrophenfall weitreichende Grundrechtseingriffe ermöglichen.
Die meisten Sachverständigen empfahlen, gravierende Entscheidungen über einen epidemischen Notstand nicht in die Hand des Gesundheitsministers zu legen, sondern dem Parlament zu überlassen. Auch sei eine Befristung der vorgesehenen Regelungen sinnvoll.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will das Gesetz mit Zugeständnissen an die Opposition durch den Landtag bringen. Es werde nur eine einstimmige Gesetzgebung im Parlament geben, sagte Laschet am Dienstag.
Im Parlament ist am Donnerstag eine Sondersitzung zu dem Gesetz angesetzt. Die Landesregierung strebt eine Verabschiedung noch vor Ostern an. Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP müssten sich aber "ein deutliches Stück bewegen", wenn man zu einer gemeinsamen Lösung mit der Opposition kommen wolle, sagte Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty (SPD) am Dienstag dem Radiosender WDR 5.