Ein 96 Personen umfassendes Wissenschaftsteam aus 39 Ländern hat die erste globale Leitlinie zur Sturzprävention veröffentlicht. Darin enthalten sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) eine Reihe von evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen zur Sturzprävention und -behandlung für ältere Erwachsene.
Präventions- und Behandlungsrichtlinien zu Stürzen bislang uneinheitlich
Der an der Erstellung der Leitlinie beteiligte Altersmediziner und DGG-Sturzexperte Clemens Becker sagte in der Vorwoche:
"Uns ist es nach zwei Jahren Arbeit erstmals gelungen, einen globalen Konsens zu schaffen für die Prävention, Diagnostik und Therapie von Stürzen."
Denn die bisher gültigen Präventions- und Behandlungsrichtlinien seien uneinheitlich. Dabei gebe es allein in Deutschland jährlich eine halbe Mio. Krankenhauseinweisungen, die unmittelbar auf einen Sturz zurückzuführen seien. Viele ältere Menschen verstürben an den Folgen.
"Durch eine frühzeitige Prävention – also gezielter Vorsorge – könnten wir die Zahl der Einweisungen um 20 Prozent reduzieren."
Die neuen Empfehlungen berücksichtigten einen personenzentrierten Ansatz, der die Perspektiven älterer Erwachsener einschließe – auch in Bezug auf Betreuende und andere Interessensgruppen.
Zudem seien jüngste Entwicklungen der elektronischen Gesundheitsdienste miteinbezogen.
Damit sei methodisch eine Rundumbeleuchtung der Sturzprävention und -behandlung gelungen, die sämtliche Bevölkerungsschichten auf dem Globus einbeziehe, erläuterte Becker weiter. Das sei wichtig, da Stürze bei älteren Menschen v. a. in einkommensschwachen Kreisen vorkämen.
Geriatrische Institutsambulanzen als Anlaufstellen
Der Altersmediziner plädiert dafür, dass nach dem Vorbild der geriatrischen Rehabilitation nun verstärkt in geriatrische Institutsambulanzen als Anlaufstellen für ältere Patientinnen und Patienten investiert werden solle.
Insbesondere für Industrieländer wie Deutschland ergeben sich nach den "World Falls Guidelines" nun u. a. folgende Empfehlungen:
- Wesentlich umfänglichere Beratung aller älteren Erwachsenen als bisher zur Sturzprävention und körperlichen Aktivität.
- Mind. einmal jährliche Befragung betroffener Patientinnen und Patienten nach Stürzen oder Sturzrisiken.
- Zugang für Menschen mit Demenz oder Parkinson zu systematischen Trainingsprogrammen (Physiotherapie und Übungsprogramme).
- Eine auf den individuellen Gesundheits- oder Krankheitszustand zugeschnittene Prävention für das Sturzrisiko insbesondere für ältere Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen.
Multifaktorielles Risiko-Assessment: Jede ältere Person wird untersucht
Weitere Empfehlungen der neuen globalen Sturzleitlinie umfassen Einzelheiten zu Bewertungs- und Interventionskomponenten sowie -kombinationen.
"Uns war es wichtig, einmal genau zu definieren, was medizinisch als Sturz oder auch schwerer Sturz klassifiziert werden kann und wie dann mit den Betroffenen genau umgegangen werden sollte."
Der Konsens der beteiligten Autoren: Jede ältere Person – auch jene ohne erkennbare Verletzungen – mit Gebrechlichkeitserscheinungen oder Schwierigkeiten, selbstständig aufzustehen, wird tiefergehend untersucht. Bisher seien Menschen nur bei Verletzungen oder wiederholten Stürzen umfassender untersucht worden.
Wie solch ein multifaktorielles Risiko-Assessment genau auszusehen hat, wird in der neuen Leitlinie genau ausgeführt.