Das Zentrum für Psychiatrie Calw hat einen speziellen Vorbereitungskurs für internationale Pflegefachpersonen entwickelt, um sie optimal auf die deutsche Kenntnisprüfung vorzubereiten. Der Kurs zielt nicht nur auf fachliche Qualifikationen, sondern auch auf sprachliche und kulturelle Integration ab für eine nachhaltige berufliche Eingliederung. Dabei wird das Curriculum auf die Bedürfnisse der Pflegefachpersonen aus Mexiko zugeschnitten und berücksichtigt deren berufliche Identität sowie Lernbiografie.
Das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) am Standort Calw ist eine psychiatrische Fachklinik mit 537 Betten. Im Februar 2022 wurden mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit sieben internationale Pflegefachpersonen aus Mexiko rekrutiert. Die ZAV unterstützt Arbeitgebende bei der Rekrutierung internationaler Pflegefachpersonen. Gemeinsam mit der ZAV berücksichtigt das ZfP dabei den Kodex der Weltgesundheitsorganisation "Globaler Verhaltenskodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften", in dem es um ethische Standards bei der Rekrutierung von internationalen Pflegefachpersonen geht.
Spezieller Vorbereitungskurs für Pflegefachpersonen aus Mexiko
Da Mexiko kein EU-Land ist, muss die Anerkennung des beruflichen Abschlusses mit einem Anpassungslehrgang oder einer Kenntnisprüfung erfolgen.
Im Rahmen der Kenntnisprüfung müssen die internationalen Pflegefachpersonen eine praktische sowie eine mündliche Prüfung ablegen. Um den erfolgreichen Abschluss der Berufszulassung bestmöglich zu unterstützen, hat sich das ZfP Calw auf den Weg gemacht, einen Vorbereitungskurs für die Kenntnisprüfung zu entwickeln. Die Ziele des Vorbereitungskurses sind
- die Vorbereitung internationaler Pflegefachpersonen auf die Kenntnisprüfung,
- die Unterstützung internationaler Pflegefachpersonen bei der fachlichen Integration in den Pflegeberuf,
- die pflegefachliche Flankierung des Deutschkurses und der praktischen Arbeit auf den Stationen.
Die internationalen Pflegefachpersonen lernen noch in Mexiko die deutsche Sprache bis zum Niveau B1. Das ZfP Calw unterstützt anschließend die Pflegefachpersonen ab der ersten Woche in Deutschland mit einem eigenen Deutschkurs auf dem Klinikgelände. Begleitend findet über etwa ein Jahr ein Vorbereitungskurs für die Kenntnisprüfung statt.
Reflexionsmodul soll helfen, De-Skilling zu vermeiden
Für die formelle Integration der sieben internationalen Pflegefachpersonen aus Mexiko sind das Sprachniveau B2 sowie eine erfolgreich abgeschlossene Kenntnisprüfung notwendig. Die Integration sollte jedoch darüber hinaus auch kulturelle, soziale, berufliche und fachliche Aspekte umfassen, um für beide Seiten eine möglichst hohe Zufriedenheit und Nachhaltigkeit zu erreichen.
Das ZfP hat für den Vorbereitungskurs ein Curriculum erarbeitet, das auf Grundlage der Studienerkenntnisse von Lauxen und Blattert (2021) beruht. Lehrgänge für internationale Pflegefachpersonen werden häufig als Anpassung an Standards und Regeln in Deutschland verstanden (vgl. Rand et al., 2019). Das kann zu einem sogenannten De-Skilling führen (vgl. Grgic et al., 2019). Daher ist die berufliche Identität in den Kenntnisprüfungskurs einzubeziehen. Hier kommt es aufgrund unterschiedlicher beruflicher Sozialisationen häufig zu Brüchen und Irritationen. Diese Brüche zeigen sich auf der
- Handlungsebene,
- Wissensebene,
- normativen Ebene (Wertvorstellungen und Normen),
- Ebene der Rollenerwartung (vgl. Lauxen und Blattert, 2021, S. 77).
Der Kenntnisprüfungskurs wurde speziell für internationale Pflegefachpersonen entwickelt, um im Rahmen des Kurses gezielt auf die Bedürfnisse und die benannten Ebenen eingehen zu können. Das Curriculum sieht dafür regelmäßige Reflexionsschleifen im Rahmen eines eigenen Reflexionsmoduls vor. So lassen sich mögliche Irritationen auffangen und erklärbar machen. Auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Pflege in Deutschland im Vergleich zu Mexiko und den dadurch gewachsenen Strukturen sowie mit dem Stand der Akademisierung hilft, die genannten Ebenen zu reflektieren.
Sprachförderung stärken
Zu berücksichtigen ist, dass es in der Erwachsenenbildung um Anschlusslernen geht (vgl. Bossle, 2023, S. 102). Die internationalen Fachkräfte aus Mexiko besitzen einen Studienabschluss in Pflege. Sie bringen somit eine ausgeprägte Lernbiografie mit. Als weitere Grundlage für die Entwicklung des Curriculums wurde deshalb das Curriculum des Diplomstudiengangs Pflege der Universidad Nacional Autónoma de México herangezogen. Obwohl es Unterschiede zwischen den verschiedenen Universitäten in Mexiko gibt, wurde das Curriculum der genannten Universität als Richtlinie verwendet, um einen Überblick über die Inhalte des Pflegestudiums zu erhalten. Auf dieser Grundlage konnte das Curriculum des Vorbereitungskurses an vorhandenes Vorwissen anknüpfen. Hilfreich ist hierbei, dass das ZfP Calw seine Anwerbeprojekte auf ein Land beschränkt. So ist der Kurs in Vorbereitung zur Kenntnisprüfung spezifischer auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Pflegefachpersonen aus Mexiko zugeschnitten.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vorbereitungskurses ist die sprachliche Förderung. Dies geschieht durch dialogischen Unterricht und entsprechende Methoden, wie Team-Teaching, Partner- und Gruppenarbeiten, Rollenspiele, gemeinsames Lesen, gemeinsames Reflektieren des Textverständnisses, Lückentexte und weitere Lesehilfen (vgl. Bossle, 2023, S. 105). Der Einsatz von Online-Übersetzern hat sich im Unterricht bewährt. Im Vorfeld, insbesondere zu Beginn des Vorbereitungskurses, werden komplexe Definitionen oder einzelne Begriffe aus dem Spanischen übersetzt und bereits in Handouts oder Präsentationen eingearbeitet.
Das Unterrichtsgeschehen ist sehr dynamisch und erfordert eine hohe Flexibilität und Lösungsorientierung. Sei es bezüglich sprachlicher Herausforderungen oder aufgrund der unterschiedlichen beruflichen Sozialisationen. Gerade diese Tatsache fordert eine hohe Ambiguitätstoleranz, führt aber auch auf beiden Seiten zu einem großen Lernzuwachs und einer Horizonterweiterung.
Interessenkonflikte: Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Bossle M. Curriculumentwicklung Begleitkurs am Kompetenzzentrum Bad Kötzting. In Bossle M, Kunhardt H (Hrsg.). Integration ausländischer Mitarbeiter in die Pflege. Theorien, Konzepte sowie pädagogische Erfahrungen und Rahmenempfehlungen für die Praxis. Bern: Hogrefe Verlag; 2023: 99-110
Grgic M, Larsen C, Rand S, Riedel B, Voss D. Vertane Chancen der Fachkräftebindung in der Pflege. Strukturelle Hindernisse bei der Integration von migrierten und quereinstiegenden Fachkräften. Policy Brief Nr. 005 der Hans Böckler Stiftung (Dezember 2019). Im Internet: https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_pb_005_2019.pdf; Zugriff: 27.12.2023
Kellerer J, Rohringer M, Deufert D. Psychometric evaluation oft he Austrian version of the Nurse Professional Competence Scale Short Form (NPC-SF-AUT). Journal of Nursing Eduacation and Practice; 2023, 13 (4): 40-51
Lauxen O, Blattert B. Irritationen und Brüche in der beruflichen Identität internationaler Pflegefachpersonen. Pflegewissenschaft; 2021, 23 (2): 75-82
Nilsson J, Engström M, Florin J. Gardulf A., Carlsson M. A short version of the nurse professional competence scale for measuring nurses' self-reported competence. Nurse Education Today; 2018, 71: 233-239
Rand S, Larsen C, Lauxen O. Betriebliche Integration von neu migrierten Pflegefachkräften: Herausforderungen und Lösungsperspektiven. In: Schilder M, Brandenburg H (Hrsg.). Transkulturelle Pflege. Grundlagen und Praxis. Stuttgart: Kohlhammer; 2020: 86-98