Die Anwerbung von ausländischen Pflegefachpersonen läuft oft über private Vermittlungsagenturen – und diesen scheinen viele Mittel recht, um lukrative Geschäfte zu machen. Von "Knebelverträgen", "fragwürdigen Konditionen" und "modernem Menschenhandel" hat jetzt der Rechercheverbund Correctiv berichtet.
Pflegende müssen für eigene Anwerbung zahlen
Wollen im Ausland angeworbene Pflegende z. B. den Arbeitgeber wechseln, müssten sie die Kosten für ihre Anwerbung – darin enthalten sind Kosten für den Sprachkurs, die Reise nach Deutschland, das Anerkennungsverfahren und Vermittlungsgebühren – komplett oder teilweise zurückzahlen, wenn sie das vor Ablauf einer bestimmten Frist tun wollten, schreibt der Rechercheverbund und bezieht sich auf ihm vorliegende Arbeitsverträge. Diese Kosten könnten bis zu 15.000 Euro betragen, die Frist bis zu 5 Jahre.
"Das ist moderne Schuldknechtschaft. Wie soll ein Arbeitnehmer, der vielleicht etwas mehr als Mindestlohn verdient, solche Summen zurückzahlen?"
Das kritisierte die Professorin für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Oldenburg, Christiane Brors, gegenüber dem Recherchenetzwerk.
Deutschunterricht auf dem Balkan
In einem weiteren Beispiel berichtet Correctiv von einer Klausel, die festlege, dass eine Pflegefachperson während ihres Sprachkurses max. 15 Tage krank sein dürfe, sonst verliere der Vertrag seine Gültigkeit. Einige Vermittler heuerten Pflegende in Südamerika an und schickten sie dann in Sprachschulen auf dem Balkan, wo der Unterricht weniger koste.
In einem Fall habe ein Krankenhaus einer asiatischen Pflegerin, die kündigen wollte, neben den Kosten für Deutschstunden und Reisen sogar den Lohn in Rechnung gestellt, den die Klinik während ihrer Einarbeitung ihren Kolleginnen und Kollegen zahlte – "Praxisanleiterstunden" nannte das Krankenhaus das.
"Unsere Recherchen zeigen, dass es Krankenhäuser und Vermittler gibt, die mit Knebelverträgen zulasten der Pflegerinnen arbeiten. Die Politik unternimmt kaum etwas, um diese unlauteren Praktiken zu verhindern."
So heißt es in dem Bericht aus der Vorwoche.
Auch die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte, Isabell Halletz, äußerte sich besorgt: "Das grenzt meiner Meinung nach schon teilweise an modernen Menschenhandel, wie man mit den Nöten und Sorgen der Menschen umgeht und daraus eben Profit schlägt", sagte sie gegenüber Correctiv.
Der Rechercheverbund hat für seinen Bericht gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern in Südamerika, Serbien und Spanien sowie mit Lokalzeitungen in Deutschland recherchiert.
Anwerbung regulieren
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) betonte am Montag, dass die Anwerbung reguliert werden müsse.
"Die Pflegefachpersonen aus dem Ausland brauchen faire Konditionen und gute Startbedingungen. Dafür müssen einheitliche Vorgaben zu den Vermittlungsgebühren, den Vertragsbedingungen und der Begleitung vor Ort geschaffen werden", sagte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein.
Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland seien willkommen und würden in den Teams als Bereicherung empfunden.
"Wichtig für die Zusammenarbeit ist natürlich, dass sie gleichwertige Qualifikationen und das entsprechende Sprachniveau aufweisen sowie bei der Integration durch den Arbeitgeber begleitet werden", so Bienstein. "Anders werden die Kolleginnen und Kollegen nicht Teil des Teams und man wird sie auch nicht als Mitarbeitende halten können."