In jedem dritten Bett auf Intensivstationen hierzulande kann keine Patientin oder kein Patient mehr behandelt werden, weil entsprechend geschultes Pflegepersonal fehlt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 643 Intensivmedizinerinnen und -medizinern der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN).
Spürbare Einschränkungen in der Patientenversorgung
DIVI-Past-Präsident Uwe Janssens sagte am Donnerstag:
"Die zurückliegenden, zermürbenden Monate haben zu einer Verschlechterung der Stimmung und zu weiteren Kündigungen von Stammpflegekräften geführt!"
In der nächsten Zeit sei mit einer "spürbaren Einschränkung in der Versorgung der Bevölkerung" zu rechnen.
Bereits jetzt seien 20 % der maximal betreibbaren High-Care-Betten, in denen Patientinnen und Patienten invasiv beatmet werden können, und sogar 35 % der Low-Care-Betten auf Intensivstationen gesperrt.
Prognose: Arbeitsbelastung des Pflegepersonals wird noch steigen
DIVI-Präsident Gernot Marx verdeutlichte:
"Wir sind derzeit in der absurden Situation, dass wir zwar glücklicherweise nur rund 1.500 COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen behandeln müssen, gleichzeitig fehlen uns aber mehr als 4.000 Betten."
Die Notfallversorgung sei wieder eingeschränkt; geplante, schwere Operationen müssten verschoben werden – "eine dauerhaft nicht vertretbare Situation", mahnte Marx.
Eine absehbar schwere Herbst- und Winterwelle mit vielen COVID-19-Betroffenen, aber auch weiteren respiratorischen Infektionen, wie Influenza, könne die Intensivmedizin in Deutschland erneut an und über ihre Grenzen bringen. Darin sind sich DIVI und DGIIN einig. Der Beatmungsanteil von Intensivpatientinnen und -patienten werde voraussichtlich "deutlich steigen" und mit ihr auch die Arbeitsbelastung des Personals.
Berufliche Perspektiven für die Pflege entwickeln
Beide Fachgesellschaften drängen darauf, das vorhandene Pflegepersonal zu halten und ihre Arbeitsbedingungen auf Intensivstationen "spürbar" zu verbessern. Es sei jetzt "unbedingt erforderlich, das System grundlegend zu reformieren".
Vorschläge hierzu hat die DIVI gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege bereits im März veröffentlicht in der "Stellungnahme zur Stärkung und Zukunft der Intensivpflege in Deutschland". Zu ihren Vorschlägen zählen z.B. der Aufbau psychosozialer Unterstützungsangebote, die Einführung eines verbindlichen Personalbemessungsinstruments und modern Arbeitszeitmodelle.