Mehr Geld für Pflegepersonal – und das bei einer geringeren Wochenarbeitszeit und mehr planbarer Freizeit bei gleichzeitig deutlich erhöhter Flexibilität. Das verspricht der neue Tarifvertrag von Gewerkschaft Verdi und den diakonische Altenhilfeeinrichtungen in Hessen. Knapp 2 Jahre lang habe der Dienstgeberverband Diakonische Altenhilfe Hessen (DV.DAH) mit Verdi verhandelt.
Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Ab 1. April gilt nun der in Hessen erstmals zwischen einer Gewerkschaft und einem kirchlichen Träger vereinbarte Vertrag für rd. 1.450 Beschäftigte. Gleichzeitig löst der Tarifvertrag die bis dahin geltende kircheninterne Arbeitsvertragsrichtlinie ab.
Die Vorteile des neuen Tarifwerks wirkten sich für die Beschäftigten deutlich im Portemonnaie und der Arbeitszeit aus; für die Dienstgebenden in einer höheren Attraktivität bei Berufs- und Quereinsteigern sowie mehr Verlässlichkeit und Flexibilität in der Dienstplangestaltung, urteilte DV.DAH-Sprecher Pfarrer Oswald Beuthert am Donnerstag. Deshalb könne er von "einem erstmalig branchengerechten und kirchengemäßen Tarifwerk sprechen".
5-Tage-Woche und Anspruch auf freie Wochenenden
Die Kernpunkte des Tarifwerks sind:
- Absenkung der Arbeitszeit um bis zu 1,5 Stunden auf 38,5 Stunden pro Woche
- verlässliche Dienstpläne mit grundsätzlichem Anspruch auf ein freies Wochenende innerhalb von 14 Tagen und dem Ziel einer 5-Tage-Woche
- Erhöhung der Zeitzuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
- höhere Ausbildungs- und Einstiegsgehälter mit „Spitzenwerten in ganz Hessen“
- feste Jahressonderzahlungen von 1.753 Euro (2022) und 1.806 Euro (2023)
- zum 1. April 2023: prozentuale Entgelterhöhung für alle Lohngruppen um 3,03 %
Der Tarifvertrag sei "keineswegs selbstverständlich in der Pflege", so Beuthert.
"Wir sind mächtig stolz darauf, wie innovativ wir in der deutschen Tariflandschaft unterwegs sind. Unser Tarifwerk ist individuell auf die Senioreneinrichtungen der hessischen Diakonie zugeschnitten, es ist schlanker und damit viel praktikabler als bisherige Tarifverträge, die in der Pflege angewendet werden, und es macht uns als Arbeitgeber wirklich attraktiv bei einem immer deutlicher zu Tage tretenden Fach- und Arbeitskräftemangel."
Auch Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler äußerte sich zufrieden:
"Der Abschluss in Hessen zeigt: Kirchen und Tarifverträge – das geht."
Für viele Menschen im Land und v. a. für Beschäftigte bei konfessionellen Trägern sei längst nicht mehr nachvollziehbar, weshalb für Kirchen im Arbeitsrecht so viele Ausnahmen gälten.
"Das ist ein kleiner, für die Betroffenen aber sehr wichtiger Schritt in Richtung einer finanziellen Aufwertung der Altenpflege."
Tarifvertrag bedeutet mehr Mitbestimmung für das Personal
Der in Hessen geschlossene Tarifvertrag sei aber noch aus einem anderen Grund bedeutend: Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung würden von nun an auf Augenhöhe zwischen Arbeitgebenden und der Gewerkschaft ausgehandelt. Die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten bestimmten selbst, welche Forderungen sie aufstellten und welche Kompromisse sie akzeptierten.
Bislang werden die Löhne und Arbeitsbedingungen von kirchlichen Trägern zumeist in Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt. Deren Entscheidungen könnten Beschäftigte wenig beeinflussen.
In Niedersachsen bestehen bereits seit einigen Jahren Tarifverträge zwischen Diakonie und Verdi.