Aus den Reihen von Pflegenden und Betroffenen regt sich viel Protest gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Sachen außerklinische Intensivpflege.
Geht es nach dem Willen des Ministers, ist die häusliche Intensivpflege mit künstlicher Beatmung künftig die Ausnahme – dies nicht zuletzt deshalb, um künftig Abrechnungsbetrüge zu unterbinden. Ein entsprechendes Vorhaben war in der vergangenen Woche in Spahns Entwurf zum "Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz" bekannt geworden.
Schnellschuss mit weitreichenden Leistungseinschnitten
Der Deutsche Pflegerat kritisierte, dass Hinweise auf Fehlversorgung und Missbrauch kein Grund für einen stationären Aufnahmezwang seien. Das widerspreche dem Patientenwillen.
"Erheblichen Nachbesserungsbedarf" sieht auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). "In einem Schnellschuss werden für eine spezielle Gruppe von kranken Menschen weitreichende Leistungseinschnitte vorgeschlagen", sagte der stellvertretende DBfK-Geschäftsführer Peter Tackenberg. Die Einschränkung der Wahlfreiheit werde vielen Patientengruppen, etwa mit einem hohen Querschnitt oder amyotropher Lateralsklerose (ALS), nicht gerecht. Betroffene dürften nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen genötigt werden, in Pflegeeinrichtungen oder Intensivpflege-Wohneinheiten zu ziehen. Wenn es in der außerklinischen Intensivpflege einzelne schwarze Schafe gebe, müsse mit geeigneten und konsequenten Maßnahmen gehandelt werden.
"Schlag ins Gesicht"
Der Präsident der rheinland-pfälzischen Pflegekammer, Markus Mai, bezeichnete Spahns Pläne als "Schlag ins Gesicht für die versorgten Patienten als auch für die sie versorgenden Pflegefachpersonen". Im häuslichen Setting der ambulanten Intensivpflege seien professionell qualifizierte Pflegefachpersonen rund um die Uhr sehr engagiert tätig, um individuell auf die Bedürfnisse ihrer Patientinnen und Patienten einzugehen. "Nur weil die ambulante Intensivpflege zu Hause sehr teuer ist, sollten Patienten nicht gegen ihren Willen gezwungen werden, in Heime oder Wohngemeinschaften zu ziehen", so Mai.
Die Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik der Grünen, Kordula Schulz-Asche, argumentierte, es sei "unethisch, wenn das Bundesministerium für Gesundheit die Frage nach der Wirtschaftlichkeit dieser Versorgungsform" stelle. Sie forderte deshalb die Bundesregierung auf, "die Qualität in der Versorgung zu verbessern, kriminelle Machenschaften zu verhindern, aber den Menschen mit Intensivpflegebedarf größtmögliche Autonomie zu ermöglichen".
Petition gewinnt minütlich mehr Unterschriften
Parallel zu den kritischen Stimmen aus der Pflege hat ein Aktionsbündnis bestehend aus dem Verein ALS-mobil, Ability Watch und weiteren Interessenvertretungen von Menschen, die häusliche Pflege benötigen, eine Petition ins Leben gerufen. Aktuell unterstützen die Protestaktion "Lasst Pflegebedürftigen ihr Zuhause! Stoppt das Intensivpflegestärkungsgesetz" bereits mehr als 53.500 Menschen.
Zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung am Wochenende konfrontierten Betroffene Spahn mit ihrer Kritik. Das Resümee im Nachgang fiel auf Twitter ernüchternd aus:
Ich korrigiere:
— Raul Krauthausen (@raulde) 18. August 2019
Ich musste mich ihm in den Weg stellen. Argumente seitens @jensspahn / @BMG_Bund habe ich keine gehört. Ich fordere ein Gespräch mit Betroffenen zum #RISG noch im August! #nichtmeingesetz https://t.co/pD2CQsFdqv