Ein offener Brief auf Facebook trifft derzeit den Nerv von zehntausenden Menschen: Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Johanna Uhlig wendet sich darin direkt an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und kritisiert die Arbeitsbedingungen in deutschen Kliniken.
Uhlig beklagt den zunehmenden Fachkräftemangel in der Pflege, der auch ihre Intensivstation betreffe und das Arbeitsklima in der Klinik verschlechtere.
"Erfahrene Kollegen kündigten, weil sie die immer schlechter werdenden Bedingungen und den drohenden Qualitätsverlust nicht mehr persönlich mittragen konnten“, schrieb Uhlig am vergangenen Sonntag. Andere hätten unter dem Druck des 3-Schichtsystems die Kündigung eingereicht.
"Mein Partner ist besorgt, wütend und weist mich des Öfteren darauf hin, dass es nicht sein kann, dass ich während meiner gesamten Schicht weder etwas gegessen, noch getrunken habe. Aber was ihn am meisten erschreckt, ist, dass es mir häufig nicht möglich ist, zur Toilette zu gehen."
Die bisherigen Projekte der Politik gegen den Pflegenotstand sieht Uhlig kritisch: Die generalistische Pflegeausbildung, die ab 2020 greift, bezeichnet sie als "Kirsche auf dem Sahnehäubchen der Probleme". Sie glaubt nicht, dass eine solche Ausbildung künftige Pflegende auf ihren Beruf adäquat vorbereite:
"Ich habe drei Jahre eine Ausbildung speziell in der Kinderkrankenpflege gemacht. Niemals wäre ich in der Lage, ältere Menschen derart kompetent zu versorgen, wie ein/e examinierte Altenpfleger/in. Genauso wenig qualifiziert wäre diese Person für die Pflege meiner 500g schweren Patienten."
Mittlerweile ist Uhligs Post über 74.000 Mal geteilt worden. Das ging auch nicht an Spahn spurlos vorbei. Seine Antwort kam am Montag per Videobotschaft:
Spahn sagte, Uhligs Schilderungen hätten ihn "persönlich bewegt". Der Politiker verwies auf sein Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, mit dem die Regierung neue Pflegestellen finanzieren will. Er räumte aber auch ein: "Ja, ich weiß. Das reicht noch nicht."