• 22.02.2022
  • Management
Mitarbeiterentwicklung

Karriereplanung nach dem Win-Win-Prinzip

Führungspersonen sind heute gefordert, das, was sich der Mitarbeitende wünscht, und das, was das Unternehmen braucht, in Einklang zu bringen.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 3/2022

Seite 64

Bei der Karriereplanung gibt es zwei Seiten zu berücksichtigen – das, was sich der Mitarbeitende wünscht, und das, was das Unternehmen braucht. Führungspersonen sind heute gefordert, diese mitunter gegensätzlichen Perspektiven in Einklang zu bringen. Doch wie gelingt das?

Führungspersonen kennen das: Eine Bewerberin stellt sich mit einem frisch erworbenen Hochschulabschluss vor. Sie ist sehr motiviert und möchte sich um jeden Preis schnell weiterentwickeln – am liebsten in eine leitende Position. Die Führungsperson hat jedoch Bedenken, weil die Bewerberin noch keinerlei Berufserfahrung hat. Ein anderes Beispiel: Ein langjähriger Mitarbeiter offenbart der Führungsperson, dass er nun studieren möchte und fragt, ob eine finanzielle Unterstützung möglich sei. Auf die Frage, was er denn studieren möchte, sagt er lapidar: „Irgendwas mit Pflege und Management.” Und dann gibt es noch die Mitarbeitenden, die Führungspersonen gerne fördern würden, denen es aber entweder an intrinsischer Motivation mangelt oder den Führungspersonen an einer Idee, wohin sie sie entwickeln könnten.

Alle drei Szenarien sind sowohl für die Führungsperson als auch für die Mitarbeitenden unbefriedigend.

Warum individuelle Karriereplanung so wichtig ist

Die Mitarbeitenden sind das wichtigste Gut – diese Binsenweisheit gilt besonders für Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Heute stellt die dauerhafte Bindung an das Unternehmen – neben der Akquise von neuen Mitarbeitenden – eine der größten Herausforderungen dar. Dabei spielt die Personalentwicklung eine zentrale Rolle. Wenn Führungspersonen auf die Wünsche der Mitarbeitenden eingehen und sie in ihrer Weiterentwicklung fördern, stehen die Chancen gut, dass diese Menschen langfristig bleiben – eine höhere Arbeitszufriedenheit meist inbegriffen.

Gerade engagierte Pflegefachpersonen haben oft ein konkretes Ziel vor Augen. Sie möchten vielleicht eine Weiterbildung in Intensivpflege und Anästhesie absolvieren oder sich zur Diabetesberaterin schulen lassen. Jedoch haben nicht alle Mitarbeitenden klare Vorstellungen, manche benötigen Begleitung. In einem Gespräch mit der Vorgesetzten können die besonderen Interessen und Stärken der Pflegefachperson eruiert und gemeinsam berufliche Optionen entwickelt werden.

Ist eine Pflegende technisch sehr affin und besonders genau in ihrer Arbeit, könnte sie z. B. zur Sicherheitsbeauftragten weiterentwickelt werden. Für einen langjährigen Pflegefachmann mit Rückenproblemen könnte sich eine Position eignen, die körperlich wenig beanspruchend ist, etwa als Hygienebeauftragter. Generell wird es in der Pflege zunehmend wichtig, Einsatzbereiche zu finden, die auch im Alter noch gut leistbar sind. Ältere Mitarbeitende verfügen in der Regel über einen enormen Erfahrungsschatz. Es würde einen großen Wissensverlust bedeuten, diese Menschen zu verlieren. Das gilt es, dringend zu vermeiden.

Gleichzeitig sollte den Führungspersonen bewusst sein: Nicht jeder Mitarbeitende möchte sich weiterentwickeln. Manche sind mit der Position und dem Aufgabenbereich, den sie haben, zufrieden und wünschen sich keine berufliche Veränderung. Auch diese Einstellung ist in Ordnung – sofern die Bereitschaft besteht, neues berufliches Wissen in die aktuelle Tätigkeit zu integrieren, also an fachlichen Fortbildungen teilzunehmen.

Auch die Abteilungsziele im Blick haben

Bei der Personalentwicklung sind allerdings nicht alleinig die Wünsche der Mitarbeitenden ausschlaggebend. Führungspersonen sollten ebenfalls die Abteilungsziele im Blick haben: Wohin soll sich die Abteilung weiterentwickeln? Welche strategischen Änderungen sind geplant? Welche Qualifizierungsmaßnahmen gehen damit einher?

In der Regel werden Abteilungsziele interprofessionell entwickelt und müssen in der Folge kommuniziert und mit Leben gefüllt werden. Dabei kann es sich um neue Abteilungen wie eine neurologische Frührehabilitation handeln, die Zusammenlegung von Stationen, das Vorantreiben der Digitalisierung etc. Sind neue Entwicklungen geplant, sollten Führungspersonen früh bedenken, welche Qualifizierungsmaßnahmen sich daraus ergeben. Ist z. B. eine zertifizierte Stroke Unit geplant, sollten frühzeitig die dafür erforderlichen pflegerischen Fort- und Weiterbildungen in die Wege geleitet und umgesetzt werden.

Doch auch ohne größere strategische Veränderungen sollten Führungspersonen im Blick haben, welche personellen Wechsel in näherer Zukunft anstehen und welcher Qualifizierungsbedarf sich daraus ergibt. Hilfreich sind dabei folgende Kennzahlen:

  • Welche Führungspositionen werden in den nächsten Monaten/Jahren frei?
  • Wer geht in absehbarer Zeit in Rente oder Erziehungsurlaub? Welche Qualifikationen und Erfahrungen entfallen dadurch, z. B. Beatmungstherapeut oder „Gipspfleger“?
  • Welche neuen Mitarbeitenden kommen ins Team? Welche Qualifikationen und welche Erfahrungen bringen sie mit?
  • Wie sieht die Altersstruktur im Team aus?
  • Ändert sich das Patientenspektrum in der Abteilung? Geht damit ein anderer Pflegebedarf einher? Verschiebt sich z. B. das Altersspektrum und es werden mehr Menschen mit Demenz behandelt, macht es Sinn, dass die Mitarbeitenden neue Qualifikationen erwerben, wie den Umgang mit Menschen mit Demenz.

Führungspersonen sollten für ihre Abteilung eine Übersicht erstellen, welche Qualifikationen im Team erforderlich sind und welcher Qualifizierungsbedarf damit einhergeht. Strategische Entwicklungen sollten dabei ebenso bedacht werden wie ein ausgewogener Skill-Grade-Mix in der Abteilung.

Ein Beispiel: In einer Abteilung ist geplant, künftig vermehrt Altenpflegerinnen und Altenpfleger einzusetzen. Diese bringen wichtige Kompetenzen mit, speziell für den geriatrischen Bereich, haben aber oft Lücken, was das Setting Krankenhaus angeht. Um einen guten Einstieg für die neuen Mitarbeitenden zu gewährleisten, kann ein Qualifizierungsprogramm sinnvoll sein. In einem 10-Tage-Seminar könnten die Altenpflegenden auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Sie erhalten einen Einblick in die Struktur des Krankenhauses, das Aufnahme- und Entlassmanagement und spezielle pflegerische Maßnahmen, die in Altenpflegeeinrichtungen eher selten sind. Ein solches Programm bietet den Vorteil, dass es künftig auch generalistisch qualifizierten Pflegenden den beruflichen Start in der Klinik erleichtern kann.

Das Wissen um den Skill-Grade-Mix in den Abteilungen sowie der Klinik ist auch dann hilfreich, wenn kurzfristig auf Ereignisse reagiert werden muss. Das zeigt die Coronavirus-Pandemie deutlich, wenn – oft ohne zeitlichen Vorlauf – wieder Isolationsbereiche eröffnet oder erweitert werden müssen.

Mitarbeiter- und Unternehmensinteressen zusammenbringen

Führungspersonen stehen in dem Spagat, zwischen den Wünschen der Mitarbeitenden und den Abteilungszielen zu moderieren. Nur wenn es ihnen gelingt, beide Seiten zu berücksichtigen, können sie die aktuellen Herausforderungen erfolgreich meistern. Dabei spielen folgende Aspekte eine Rolle:

Mitarbeitergespräche. Diese sind ein wichtiger Baustein, um individuelle Interessen und Wünsche in Erfahrung zu bringen. Dabei können mögliche berufliche Optionen aufgezeigt und gemeinsam durchgespielt werden. In der Regel werden diese Gespräche von den Stationsleitungen geführt, sie können aber auch durch die Pflegedienstleitung (PDL) erfolgen. Manchmal wenden sich Mitarbeitende direkt an die PDL und bitten um ein Gespräch. Diesem Wunsch sollte dann auch nachgekommen werden.

Sinnvoller als verpflichtende Jahresmitarbeitergespräche ist es, die Augen und Ohren offen zu halten und Mitarbeitergespräche zusätzlich bei Bedarf zu führen, z. B. wenn eine Pflegeperson sich besonders motiviert oder unzufrieden zeigt. Die Stationsleitung benötigt dafür die notwendigen zeitlichen Kapazitäten, um diese Gespräche zu führen. Zudem ist es erforderlich, dass sie entsprechend geschult ist. Zudem sollte sie in regelmäßigem Austausch mit der PDL stehen und den künftigen Qualifizierungsbedarf ebenfalls im Blick haben. So kann sie ihr Team gezielt daraufhin beobachten, wer Führungsqualitäten oder besondere Interessen für weitere Positionen mitbringt.

Ressourcen. Wenn Mitarbeitende wissen, in welche Richtung sie sich weiterentwickeln möchten, sollte die Führungsperson überlegen: Stimmen auch die Voraussetzungen? Denn wenn sich jemand als Wundmanagerin qualifizieren möchte, diese Position aber in der Abteilung in absehbarer Zeit nicht benötigt wird, macht eine Qualifizierung aus Unternehmenssicht wenig Sinn. Ebenso wird es die Mitarbeitende frustrieren, wenn sie ihr neu gelerntes Wissen nicht anwenden kann. Ein Wechsel – womöglich in ein anderes Unternehmen – könnte die Folge sein. Unternehmen sollten daher, wenn sie jemanden in eine bestimmte Richtung fördern, auch eine passende Position anbieten können.

Darüber hinaus ist es wichtig, dem Mitarbeitenden möglichst gute Rahmenbedingungen während der Qualifizierung anzubieten. Kommt es zu einer zeitlichen oder finanziellen Überforderung, geht das zulasten des Mitarbeitenden und damit auch des Unternehmens. Im ungünstigsten Fall wird die Person krank oder kündigt. Hier kann das Unternehmen gegensteuern, indem es eine Qualifizierung zeitlich und finanziell fördert, entweder durch Freistellung, Stipendien oder Ausgleich der Lohndifferenz, die sich z. B. bei Arbeitszeitreduktion ergibt.

Personalentwicklungsmaßnahmen. Was tun, wenn Mitarbeitende sich gerne weiterentwickeln möchten, aber keine Idee haben, in welche Richtung? In diesem Fall können sich Hospitationen anbieten. Diese geben einen Einblick in einen neuen Arbeits- oder Aufgabenbereich und können somit wertvolle Orientierung leisten. Interessiert sich ein Mitarbeiter z. B. für die Intensivpflege, könnte ihm ein vierwöchiger Einsatz auf der Intensivstation ermöglicht werden. Hierbei sollte allerdings der Lerneffekt im Vordergrund stehen – und keinesfalls ein personeller Engpass in dem anderen Bereich. Das würde interessierte Personen eher frustrieren und den gegenteiligen Effekt haben. Auch eine Rotation kann sinnvoll sein, um einen Wechsel in andere Bereiche niedrigschwellig auszuprobieren.

Für einige Mitarbeitende kann die Mitarbeit in Projekten eine Möglichkeit sein, um im kleinen Rahmen Verantwortung zu übernehmen und erste „Führungserfahrung“ zu sammeln. Auch Traineeprogramme sind eine gute Option, um motivierte Mitarbeitende mit wenig Erfahrung an neue Arbeitsbereiche heranzuführen. Sie können den Einstieg erleichtern und die Hemmschwelle reduzieren, sich an neue Aufgaben heranzutrauen. Das ist besonders für Führungspositionen oder herausfordernde Bereiche wie die Intensivpflege interessant.

Monitoring. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Aspekt bei der Mitarbeiterentwicklung. Dazu braucht es ein gutes Monitoring der Führungspersonen. Eine Matrix kann einen Überblick bieten, ob die erforderlichen Qualifikationen in der Abteilung vorliegen und wo nachgebessert werden muss. Ein guter Skill-Grade-Mix wird dabei immer wichtiger. Führungspersonen sollten sich von der Vorstellung verabschieden, künftig alle Stellen mit Gesundheits- und Krankenpflegerinnen zu besetzen. Deshalb sollte schon frühzeitig überlegt werden, wie andere Berufsgruppen wie Medizinische Fachangestellte oder Rettungskräfte für den neuen Einsatzbereich qualifiziert werden können.

Möglichst beide Seiten in Einklang bringen

Bei allen Gesprächen und Maßnahmen, die Führungspersonen anbieten können – nicht immer gelingt es, Mitarbeitende im Sinne der Unternehmensstrategie zu fördern und weiterzuentwickeln. Was also tun, wenn Pflegende chronisch unzufrieden sind? Sinnvoll ist hier, möglichst frühzeitig zu intervenieren und herauszufinden, was die tatsächliche Ursache für die Unzufriedenheit ist. Ist es das Gefühl, sich nicht weiterentwickeln zu können? Oder liegt die Unzufriedenheit vielleicht woanders begründet?

Grundsätzlich gilt es, die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden zu respektieren. Das betrifft auch die berufliche Weiterentwicklung. Wenn jemand unbedingt eine Qualifizierung wünscht, die aus Unternehmenssicht keinen oder wenig Sinn macht, können Führungspersonen klar vermitteln: „Wenn dir diese Weiterbildung so wichtig ist, kannst du das natürlich machen. Wir werden es aber nicht fördern können.“ Allerdings sollten – wenn möglich – immer Brücken gebaut werden, um die Interessen beider Seiten in Einklang zu bringen.

Im Beispielfall der Bewerberin mit dem frisch erworbenen Hochschulabschluss könnte die Führungsperson folgendes Angebot machen: Sie stellt ihr in Aussicht, sie in das Projekt XY einzubinden und damit erste Projektverantwortung zu übernehmen. Parallel arbeitet sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin und kann Berufserfahrung sammeln. Wenn sie sich dabei bewährt, kann sie anschließend ein Traineeprogramm für Führungskräfte durchlaufen. Damit kommt die Führungsperson den Bedürfnissen der Bewerberin entgegen und bietet ihr gleichzeitig eine gute Begleitung an. Das kommt auch dem Unternehmen zugute. Und es wäre schade, eine so motivierte Mitarbeiterin schon im Bewerbungsgespräch zu verlieren.

Wie individuelle Karrierewünsche und Unternehmensinteressen zusammengebracht werden können, war Thema des Workshops „Pflegemanagement“ der B. Braun-Stiftung 2020, der im Rahmen der Fortbildung für Pflegende stattfand. Die in diesem Artikel vorgestellten Maßnahmen sind eine Zusammenfassung der Workshop-Ergebnisse. Weitere Informationen unter www.bbraun-stiftung.de.

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