In den sozialen Medien kursiert derzeit eine fristlose Kündigung, die eine stationäre Einrichtung einer pflegerischen Mitarbeiterin ausgesprochen hat. Die Kündigung erfolgte offenbar, weil die Mitarbeiterin zunächst an der „Corona-Demonstration“ in Berlin teilgenommen und sich anschließend geweigert hatte, sich auf Corona testen zu lassen. Der Beitrag geht der Frage nach, ob die Kündigung zulässig war.
Die Teilnahme an einer – ausdrücklich genehmigten – Demonstration kann nie verboten sein. Insofern kann auch die Teilnahme der Mitarbeiterin kein Kündigungsgrund sein. Das Heim stützt die Kündigung vielmehr darauf, dass die Mitarbeiterin den Test auf SARS-CoV-2 verweigert haben soll.
Darauf eine fristlose Kündigung zu stützen, erscheint fraglich. Jede fristlose Kündigung würde zunächst einen Verstoß voraussetzen, der für die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber (im Folgenden: Arbeitgeber) das Festhalten am Arbeitsverhältnis nach objektiven Maßstäben unzumutbar macht. Ferner muss gewährleistet sein, dass auch keine anderweitigen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Belastung des Arbeitsverhältnisses zu kompensieren.
Gründe für und gegen eine Kündigung
Verweigerung versus Gesundheits- und Infektionsschutz. Der Kernvorwurf in vorliegendem Falle ist, dass die Arbeitnehmerin die medizinische Untersuchung verweigert. Sie möchte sich keinem Corona-Test unterziehen. Objektiv ist ein solcher Test allerdings an sich angezeigt. Denn offensichtlich nahm die Mitarbeiterin an einer Demonstration teil, auf der großflächig gegen Hygienevorschriften verstoßen worden ist – dies kann als gesetzt angenommen werden, da die Polizei die Demonstration aufgelöst hat. Eine potenzielle Infektion der Mitarbeiterin liegt daher nahe.
Ein Arbeitgeber ist nicht nur den Mitarbeitenden gegenüber zu deren Gesundheitsschutz verpflichtet, sondern insbesondere auch gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern, die zugleich Hochrisikopatientinnen und -patienten sind. Es besteht eine Garantenpflicht – seitens des Arbeitgebers und der hier betroffenen Mitarbeiterin des Alten- und Pflegeheims.
Das bedeutet: Infiziert sich eine Bewohnerin oder ein Bewohner, erkrankt oder verstirbt diese Person gar im Zuge nicht ordnungsgemäß erfolgter Maßnahmen, kommen hier strafrechtliche Maßnahmen im Rahmen der fahrlässigen Körperverletzung oder sogar fahrlässigen Tötung in Betracht – zulasten der Mitarbeiterin wie auch der Heimleitung.
Es besteht somit ein beiderseitiges Interesse, ein entsprechendes Infektionsrisiko, das durch die Teilnahme der Mitarbeiterin an der Demonstration offensichtlich entstanden ist, gegenüber Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Kolleginnen und Kollegen zu verhindern.
Der PCR-Test (Polymerase Chain Reaction, Polymerase-Kettenreaktion) auf SARS-CoV-2 ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ein probates Mittel, das Risiko auszuschließen.
Körperliche Unversehrtheit versus Gefährdungslage. Auf der anderen Seite hat eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auch wenn die Belastung eines Corona-Tests gering ist, kann die bzw. der Arbeitnehmende die Mitwirkung an einer entsprechenden Untersuchung so lange verweigern, wie der Arbeitgeber nicht ein berechtigtes Interesse an einer medizinischen Untersuchung hat. Dieses berechtigte Interesse wird normalerweise dann angenommen, wenn eine entsprechende Gefährdungslage, wie im vorliegenden Fall, gegeben ist. Es bestand also die Verpflichtung zum Test, der die Mitarbeiterin nicht nachgekommen ist. Somit liegt ein arbeitsrechtlicher Verstoß vor.
Letztes Mittel versus Freistellung. Dann stellt sich allerdings noch die Frage, ob keine weniger einschränkenden Maßnahmen als die Kündigung bestehen. Denn die Kündigung muss das letzte Mittel sein.
Das ist aber anzunehmen. Denn ähnlich wie bei Reisen ins Ausland, nach denen sich eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer nicht zur Frage erklärt, ob es sich um ein Risikogebiet handelt oder aber den entsprechenden PCR-Test auf SARS-CoV-2 verweigert, besteht seitens des Arbeitgebers die Möglichkeit, die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer – ohne Entgelt – von der Arbeitsleistung freizustellen. Im vorliegenden Fall wäre dieser Schritt nach Meinung der Verfasser vorrangig zu gehen gewesen.
Wiederholungsfall. Im Wiederholungsfalle wäre allerdings eine Kündigung möglich, sofern die unerwartete Notwendigkeit der Freistellung die Arbeitsabläufe im Unternehmen belastete – allerdings nur dann, wenn der Arbeitgeber eine Abmahnung in Verbindung mit der Freistellung von der Arbeit ohne Entgelt ausgesprochen hatte.
Fazit
Die Kündigung dürfte einer richterlichen Überprüfung nicht standhalten – so verständlich das Verhalten des Arbeitgebers sein mag. Zu bedenken ist, dass die Lösung des Falls sich durchaus anders darstellen kann, wenn der Sachverhalt ein anderer war – z. B. wenn die Verweigerung des Tests mit Beleidigungen gegen den Arbeitgeber verbunden war.