Wie kommt der Aufbau der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein seit dem Start im April 2018 voran? Kammerpräsidentin Patricia Drube nimmt hierzu Stellung – und plädiert für Geduld. Die Ergebnisse der Arbeit würden erst sukzessive im Berufsalltag der Pflegenden zu spüren sein. Das gelte es auszuhalten.
Immer wieder ist zu hören: Man hört gar nichts von der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein – was macht ihr eigentlich? Beschäftigt ihr euch nur mit euch selbst?
Nein, tun wir nicht! Unsere Position wird zu so vielen Themen nachgefragt, dass wir kaum hinterherkommen, Inhalte zu diskutieren und zu konsentieren. Der Bedarf an Pflegestudienplätzen in Schleswig-Holstein, die Auszeichnung der landesbesten Absolventinnen und Absolventen, die Integration von Kolleginnen und Kollegen aus Drittstaaten, die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes, der Qualifikationsmix im Zusammenhang mit den Personaluntergrenzen, die „Zurückgewinnung“ von ausgestiegenen Kollegen – die Liste der inhaltlichen Anfragen an die Pflegeberufekammer ist lang und es ist eine Herausforderung, sie in einem abgestimmten Prozess mit den gewählten Vertreterinnen und Vertretern zu bedienen.
Wir können sagen: Die Pflegeberufekammer ist im Gesundheitswesen auf Landesebene angekommen und wir sehen immer klarer, was es bedeutet, dass in Zukunft keine Entscheidungen, die unsere Berufsausübung betreffen, ohne uns getroffen werden.
Die Aufbauarbeit der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein lässt sich in 3 grobe Bereiche unterteilen:
- Der Aufbau des organisatorischen Fundaments, also einer öffentlichen Verwaltung.
- Die Arbeit nach innen, d. h. die Zusammenführung der Kammermitglieder zu einem Berufsstand.
- Die Arbeit nach außen, d. h. die sichtbare und wirksame Mitgestaltung im Gesundheits- und Pflegewesen.
Zunächst zum organisatorischen Fundament: Eine solide Verwaltungsstruktur mit gut organisierten, effizienten Prozessen ist notwendig, um langfristig im Interesse der professionellen Pflege agieren zu können. Dazu gehören einerseits die Erarbeitung von demokratischen Spielregeln für das Miteinander der gewählten Vertreterinnen und Vertreter, andererseits auch die Entwicklung von gut funktionierenden und rechtssicheren Verfahren rund um den Aufbau und die Pflege des Berufsregisters, die Erfassung der Qualifikationen der Berufsangehörigen, die Finanzierung der Kammer sowie der Aufbau eines multiprofessionellen hauptamtlichen Teams.
Dabei ist zu beachten, dass die Pflegeberufekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts klare verwaltungstechnische Standards einzuhalten hat, gleichzeitig den Kammermitgliedern gegenüber aber auch als sympathische „Mitmachorganisation“ begegnen möchte.
Und dabei sind wir dann schon bei Punkt 2, der Arbeit nach innen. Auch in Schleswig-Holstein können sich nicht alle Pflegefachpersonen für die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer begeistern. Schon im Zusammenhang mit der Erstregistrierung entstand immer wieder die Frage: Was bedeutet es, den Pflegeberuf auszuüben? Denn die Mitgliedschaft in der Pflegeberufekammer ist für diejenigen gesetzliche Pflicht, die ihren Beruf in Schleswig-Holstein ausüben. In Bezug darauf, was für jede einzelne Pflegefachperson eine berufliche Identität stiftet – ob es die Zuständigkeit für Maßnahmen der Körperpflege ist, das Ausführen ärztlicher Verordnungen oder die Befähigung zur pflegerischen Diagnostik und Prozesssteuerung – gibt es offenbar innerhalb der Mitglieder der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein eine große Bandbreite.
Das Kammergesetz fasst den Begriff der Berufsausübung allerdings recht weit: „Die Ausübung des Berufes umfasst jede Tätigkeit, bei der berufsgruppenspezifische Fachkenntnisse vorausgesetzt, eingesetzt oder lediglich mitverwendet werden“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Pflegeberufekammergesetz SH). Eine Aufgabe der Kammer sehen wir darin, den Kern unserer Profession und die Spezifika unseres berufseigenen Wissens zu formulieren und zu kommunizieren. Wir leiten aus der Heterogenität der Berufsgruppe und des beruflichen Selbstverständnisses innerhalb unserer Berufsgruppe einen immensen Bildungs- und Kommunikationsauftrag ab. Dazu gehört auch, innerhalb unserer Berufsgruppe überhaupt zu vermitteln, welchen Sinn eine berufsständische Selbstverwaltung hat und was sich durch ein Kammergesetz und durch den Erlass einer Berufsordnung für Pflegende ändert.
Pflegende haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder auf traumatische Art Fremdbestimmung erfahren. Das trägt dazu bei, dass der Begriff Kammer in Verbindung mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen bei einigen Kolleginnen und Kollegen eine Abwehrreaktion auslöst. Eine Aufgabe der Pflegeberufekammer ist es, zu vermitteln, dass sie nicht eine Institution der Fremdbestimmung, sondern der Selbstbestimmung ist. Sie hat die Aufgabe, mit ihren Mitgliedern eine Berufsordnung zu entwickeln, die Pflegende darin unterstützt, wirksam Rahmenbedingungen einzufordern, die eine befriedigende Berufsausübung ermöglichen.
An dieser Stelle knüpft die Kammerarbeit nach außen an. Ein wissenschaftlich, fachlich und ethisch hochstehender Berufsstand wie die professionelle Pflege wird in Zukunft ihre Perspektive in die Gestaltung des Gesundheits- und Pflegewesens einbringen. Die Aufgabe ist, durch die Erarbeitung konkreter, konstruktiver Konzepte eine Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen zu fördern und dafür zu sorgen, dass Pflege in allen Versorgungsbereichen, insbesondere aber auch in der Primärversorgung, eine Rolle übernimmt, die ihrer Kompetenz entspricht.
Für Schleswig-Holstein bedeutet das, dass die Pflegeberufekammer die Verantwortung wahrnimmt, den Anteil professioneller Pflege bei der Gesundheitsversorgung einer alternden Bevölkerung neu zu definieren. Es bedeutet, die eigenständige Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachpersonen voranzubringen und mit Ärztinnen und Ärzten derart zu kooperieren, dass jeweils die Berufsgruppe, die etwas am besten kann, es auch tut – und vergütet bekommt.
Die Agenda ist lang und die Ergebnisse der Arbeit der Pflegeberufekammer werden erst sukzessive im Berufsalltag der Pflegenden zu spüren sein. Das müssen sowohl die Verantwortlichen in der Pflegeberufekammer als auch alle Kammermitglieder aushalten. Missstände, die über Jahrzehnte kultiviert wurden, können nicht in wenigen Monaten beseitigt werden.
Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein nimmt ihren Anteil an der Gestaltungsverantwortung wahr. Ich bin davon überzeugt, dass die Errichtung der Pflegeberufekammer eine notwendige Bedingung dafür ist, dass sich die Situation der beruflich Pflegenden langfristig verbessert. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass diese Bedingung nicht hinreichend ist, sondern dass alle beteiligten Akteure – insbesondere die Politik – entschiedene Weichenstellungen vornehmen müssen, damit Deutschland endlich den Status ablegen kann, pflegerisches Entwicklungsland zu sein.