Im Sprint der digitalen Revolution sind Technologien aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken: Mit unseren Freunden chatten wir per WhatsApp, auf Reisen finden wir den Weg mit Google Maps, und Gesundheits-Apps sind beliebt wie nie. Doch wie sieht es im beruflichen Alltag in der Pflege aus – einer Branche, die gemeinhin als wenig technikaffin gilt?
Bislang wissen wir relativ wenig darüber, wie moderne Technologien von Pflegenden im Arbeitsalltag genutzt werden und welche Potenziale oder Risiken damit verbunden sind. Auch zu den Einstellungen von Pflegenden gegenüber der fortschreitenden Digitalisierung gibt es mehr Fragen als Antworten. Wie beurteilen sie den Einsatz von Technologien im Arbeitsalltag? Erwarten sie, dass die Technik zukünftig die pflegerische Arbeit unterstützt und damit erleichtert?
Diesen Aspekten widmete sich das 2017 durchgeführte Gemeinschaftsvorhaben „Pflege 4.0“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Offensive Gesund Pflegen (OGP). Im Rahmen des Projektes führte die BGW eine Literaturrecherche, zwei Experten-Workshops und eine schriftliche Befragung unter 576 Vertreterinnen und Vertretern der Pflegebranche durch, deren Resultate kürzlich in einem BGW-Forschungsbericht veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse wurden, soweit möglich und sinnvoll, differenziert betrachtet nach Arbeitsbereichen – Krankenhäuser, stationäre Altenpflege, ambulante Dienste – sowie nach vier „Fokustechnologien“:
- Elektronische Dokumentation – oder das schriftliche Festhalten der Pflegeplanung und pflegerischer Maßnahmen mit geeigneter Software,
- Telecare – das Erbringen von Pflegeleistungen, Diagnostik und Behandlung durch Informations- und Kommunikationstechnologien unter Überbrückung von Distanz,
- Technische Assistenz – als digitale Unterstützung in der häuslichen und pflegerischen Umgebung,
- Robotik – welche für den Menschen autonom Aufgaben übernimmt, bei Routinetätigkeiten unterstützt oder zu sozialer Interaktion anregen soll.
Digitalisierung in der Pflege nicht angekommen? Doch!
Die Pflege hat oft den Ruf einer „Nachzüglerin“ bei der fortschreitenden Digitalisierung. Im gesamten Gesundheitswesen sollen demnach moderne Technologien bislang relativ wenig verbreitet sein und in der Pflege noch weniger als in der Medizin. So war bei der deutschlandweiten Befragung durch TNS Infratest (2016) nur das „sonstige verarbeitende Gewerbe“ weniger als das „Gesundheitswesen“ digitalisiert und laut Prognos AG (2015) lediglich die „Fischerei und Aquakultur“.
Vor diesem Hintergrund überrascht ein Befragungsergebnis des Deutschen Gewerkschaftsbundes: Laut seiner Befragung von fast 10 000 Beschäftigten fühlten sich im Gesundheitswesen mit 88 Prozent mehr Beschäftigte von der Digitalisierung betroffen als im Durchschnitt aller Branchen (83 Prozent) (Institut DGB-Index Gute Arbeit 2016).
Die im Frühjahr 2017 durchgeführte Befragung der BGW stützt die Ergebnisse des Deutschen Gewerkschaftsbundes tendenziell: PCs und das Internet wurden im pflegerischen Berufsalltag bereits fast ausnahmslos genutzt. Ein Smartphone als digitales Endgerät setzten immerhin drei Viertel der Befragten ein – und ein Tablet 60 Prozent.
Und wie sieht die Nutzung der eingangs genannten Fokustechnologien aus? In der Literatur liegen nur Daten für die elektronische Dokumentation vor. Hier wird oft auf eine Studie der Hochschule Osnabrück verwiesen. Laut dieser hatte im Jahr 2014 knapp ein Drittel der befragten Krankenhäuser die elektronische Dokumentation mindestens in einer Organisationseinheit umgesetzt und ein weiteres Drittel mit ihrer Umsetzung begonnen (Hübner et al. 2015).
Auch in der BGW-Stichprobe unter Pflegekräften ließ sich der Trend hin zur vermehrten Nutzung EDV-gestützter Dokumentationssysteme beobachten: Fast 70 Prozent der Befragten aus Krankenhäusern nutzten diese. In der stationären Altenpflege waren es mit 80 Prozent noch mehr (Abb. 1).
Einschränkend ist zu erwähnen, dass die BGW-Branchenbefragung trotz ihrer relativ großen Stichprobe nicht repräsentativ ist, ebenso wie alle weiteren bislang zu dem Thema veröffentlichten Erhebungen. Dennoch deuten die Daten darauf hin, dass moderne Technologien in der Pflege offensichtlich bereits stärker verbreitet sind als gemeinhin angenommen. Die Digitalisierung macht auch vor diesem Tätigkeitsfeld keinen Halt.
Digitalisierung – Potenziale und Risiken
Was denken Pflegende?
Noch viel Handlungsbedarf
TIPP
Institut DGB-Index Gute Arbeit (2016): Wie die Beschäftigten die Arbeitsbedingungen in Deutschland beurteilen. Mit dem Themenschwerpunkt: Die Digitalisierung der Arbeitswelt – Eine Zwischenbilanz aus der Sicht der Beschäftigten. www.dgb.de/themen/++co++68afe972-a4f4–11e6–8bb9–525400e5a74a, Abruf: 15.01.2018
Merda, Meiko; Schmidt, Kristina; Kähler, Bjørn (2017): Pflege 4.0 – Einsatz moderner Technologien aus der Sicht professionell Pflegender. Forschungsbericht der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Berlin, Hamburg
TNS Infratest Business Intelligence (2016): Monitoring-Report. Wirtschaft DIGITAL 2016. Hg. v. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/monitoring-report-wirtschaft-digital-2016.pdf, Abruf: 15.01.2018