Frage: Ich arbeite in einem öffentlich-rechtlichen Klinikum. Es kommt immer wieder vor, dass auf unserer Station akuter Personalmangel herrscht und wir quasi patientengefährdend arbeiten. Trotzdem wird uns noch eine Kraft für eine andere Station abgezogen. Können wir uns weigern? Wie können wir uns wehren, und wer ist zuständig?
Nicht Sie entscheiden, wo Sie im Betrieb arbeiten, sondern Ihr Arbeitgeber. Er hat ein Weisungsrecht, dem Sie Folge leisten müssen. Sie haben kein Entscheidungsrecht und können maximal remonstrieren, also gegen die Entscheidung protestieren. Allerdings müssen Sie die Gründe nennen.
Es handelt sich dabei um die Überlastungsanzeige, die in der Regel zu Unrecht im Haftungsrecht diskutiert wird. Rechtlich ist auf die Paragrafen 3 bis 5 Arbeitsschutzgesetz abzustellen: Der Mitarbeiter kann vom Arbeitgeber Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden bei konkreten Gefährdungen einfordern. Diese werden im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt.
Das ändert aber nichts daran, dass Sie tun müssen, was der Arbeitgeber verlangt. Tun Sie das nicht, üben Sie ein Verweigerungsrecht aus, für das Sie einen sachlichen Grund brauchen. Das muss ein sehr guter, sicherer Rechtsfertigungsgrund sein, denn in einem Arbeitsgerichtsprozess müssen Sie beweisen, dass ein solcher Grund vorliegt. Das ist in diesen Fragen gar nicht so einfach und kommt auf den Sachverständigen an. Liegt kein Grund vor, kann Sie der Arbeitgeber abmahnen oder verhaltensbedingt kündigen. Das Risiko ist für Sie also recht groß.
Sie haben allerdings die Möglichkeit, Ihre Personalvertretung einzuschalten. Dort gibt es den Mitbestimmungsfall „Betriebliche Regelungen beim Gesundheitsschutz“. Damit sind insbesondere Schutzmaßnahmen nach Paragraf 3 bis 5 Arbeitsschutzgesetz gemeint, worunter auch eine Mindestbesetzung für einen Arbeitsbereich fällt.
Im öffentlich-rechtlichen Dienst gibt es allerdings keinen Betriebsrat, sondern einen Personalrat, der ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht hat, allerdings mit einem komplizierteren Verfahren bis hin zur Einigungsstelle.
Hierzu gibt es einen aktuellen Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 26.07.2017 (AZ: 7 BV 67c/16), in dem erstmals ein bundesdeutsches Arbeitsgericht entschieden hat, dass Arbeitgeber Pflegekräfte vor Überlastung schützen müssen. Das Arbeitsgericht entschied, dass der Betriebsrat gemäß Paragraf 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz hat.
Dieser Mitbestimmungsfall gilt zwischenzeitlich auch für das Landespersonalvertretungsgesetz, sodass die ergangene Entscheidung auch für den öffentlichen Dienst gilt. Das bezieht sich auch auf Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers, um Gesundheitsschäden bei konkreten Gefährdungen zu verhindern. Eine personelle Mindestbesetzung vorzugeben, ist durchaus eine Maßnahme, um der Gefährdung von Mitarbeitern zu begegnen. Wenn sich die Betriebsparteien nicht einigen, entscheidet eine Einigungsstelle über eine mögliche Mindestbesetzung.
Inwieweit dieser Beschluss rechtskräftig wird und Bestand behält, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat die Betriebsvertretung, sei es Betriebsrat, sei es Personalrat, damit ein Schwert in der Hand, das Änderungen in der Arbeitsorganisation ermöglicht.
Haben Sie Fragen? Möchten Sie, dass Prof. Böhme Ihnen an dieser Stelle antwortet? Dann schreiben Sie an: info@boehme-igrp.de. Bitte haben Sie Verständnis, dass nicht alle Fragen beantwortet werden können und keine Einzelberatungen möglich sind.