Schleppende Umsetzung, ernüchternde Bilanz – so fällt das Urteil aus der Gewerkschaft Verdi und den Beschäftigten an den Uniklinika in Nordrhein-Westfalen (NRW) nach einem Jahr der Tarifeinigung für Entlastung.
Weniger Pflegefachpersonen als vereinbart im Einsatz
Statt zum Beispiel auf der Intensivstation mit zehn Pflegefachpersonen arbeiten zu können, seien es meistens nur sieben oder acht, beschreibt Intensivpfleger Alexander Bujotzek von der Universitätsmedizin Essen gegenüber der Westdeutschen Allgemeine Zeitung (WAZ) in der Donnerstagsausgabe. Und weiter:
"Ich mache meinen Job gern, ich würde ihn gern besser machen können."
Um Lücken im Pflegepersonal schließen zu können, seien in seinem Bereich inzwischen 16 Pflegefachpersonen aus der Leiharbeit tätig, so Bujotzek. Das seien zwar sehr gut qualifizierte Personen, aber sie seien längst nicht so gut mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut wie festangestelltes Pflegepersonal. Dennoch gebe es Schichten, in denen keine Pflegefachperson vom Stammpersonal anwesend sei.
Auch Kollegin Caroline Heitmann von der unfallchirurgischen Notaufnahme kennt die Probleme, die fehlendes Pflegepersonal verursacht: Statt sieben Pflegefachpersonen arbeiten ihren Angaben in der WAZ zufolge pro Schicht zwei bis drei Pflegende auf der Station.
Pflegefachpersonen aus der Leiharbeit kompensieren leeren Arbeitsmarkt
Der vereinbarte Tarifvertrag Entlastung sieht vor, dass die Uniklinika, die die personelle Aufstockung nicht leisten können, Entlastungstage für die überlasteten Pflegenden vergibt. Werden diese genommen, verschärft das allerdings die ohnehin prekäre Personalsituation für die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen.
Vereinbart worden sei, den Tarifvertrag stufenweise und mit Übergangsfristen umzusetzen, verteidigt der Ärztliche Direktor der Unimedizin Essen, Jochen A. Werner. Zudem sei die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.
"Kein Tarifvertrag Entlastung ändert etwas daran, dass in vielen Berufsgruppen gut ausgebildetes Personal kaum verfügbar ist."
Verdi-Landesfachbereichsleiterin NRW, Susanne Hille, sagte in einer Mitteilung der Gewerkschaft:
"Es reicht nicht, wenn Politik und Arbeitgeber gebetsmühlenartig einen Fachkräftemangel beklagen und im Ausland auf die Suche gehen. Wir haben es in der Hand, Gesundheitsberufe durch gesunde Arbeitsbedingungen wieder attraktiv zu machen. Dann klappt es auch mit der Personaleinstellung."
Verdi und die sechs Universitätsklinika Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster konnten sich 2022 erst nach elf Wochen und 25 Verhandlungstagen auf einen neuen Tarifvertrag verständigen. Das war der bislang längste Arbeitskampf im nordrhein-westfälischen Gesundheitssystem. Der Tarifvertrag Entlastung ist zu Jahresbeginn 2023 in Kraft getreten.