In einer Pressemitteilung vom 18. Juli wirft die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) Nordrhein-Westfalen (NRW) der Pflegekammer NRW einen „fraglichen Umgang mit Steuergeldern“ vor und kritisiert zudem „politische Äußerungen der Kammerpräsidentin“ zur missglückten Pflegekammergründung in Baden-Württemberg. Wir haben mit der Präsidentin der Pflegekammer NRW, Sandra Postel, über die Vorwürfe gesprochen.
Frau Postel, Verdi wirft der Pflegekammer NRW vor, Mittel zweckentfremdet einzusetzen. Hintergrund ist die Anfang Juli bekannt gewordene Auftragsvergabe an eine Hamburger Marketingagentur, deren „kostenintensive Maßnahmen (…) nicht unter die von der Landesregierung übertragenen Aufgaben fielen“. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Vorweg möchte ich erwähnen, dass uns als Pflegekammer NRW das Vorgehen von Verdi sehr wundert, da deren Vertreter:innen sowohl im Vorstand und Finanzausschuss unserer Kammer als auch in der Kammerversammlung – also unserem Plenum – sitzen. Sprich: Verdi hat das alles mitgetragen, was Verdi nun kritisiert. Aber nun zu Ihrer Frage: Der Vorwurf ist nicht korrekt. Die Pflegekammer NRW ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 13 Heilberufsgesetz vom 9. Mai 2000 gesetzlich verpflichtet, die Kammerangehörigen und die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit und berufsbezogenen Themen zu informieren. Der Vorstand und die Kammerversammlung der Pflegekammer NRW sind rein ehrenamtlich besetzt. Deren Mitglieder sind hauptberuflich als Pflegefachpersonen tätig. Es ist nicht möglich, die dem gesetzlichen Auftrag folgende Verpflichtung zur Außenkommunikation ohne externe Hilfe zu bewältigen.
Verdi kritisiert zudem „politische Äußerungen“ Ihrerseits zur gescheiterten Kammergründung in Baden-Württemberg. Verdi schreibt: „Noch bevor eine Unterlassungsaufforderung aus der Kammer greifen konnte, wurde der Beitrag wieder aus den sozialen Medien entfernt.“ Um was für ein Posting handelte es sich und warum haben Sie ihn wieder gelöscht?
Ich habe in einem Posting auf Instagram und Facebook Stellung zur gescheiterten Abstimmung zur Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg bezogen. Hierbei habe ich mich auf das Interview mit Peter Koch in Die Schwester | Der Pfleger bezogen. Einen Hinweis eines Mitglieds der Pflegekammer NRW haben wir zum Anlass genommen, das Posting rechtlich überprüfen zu lassen. Hierbei sind wir zu unserem Bedauern zu dem Ergebnis gekommen, dass eine juristische Grenze überschritten wurde, weil wir proaktiv Stellung zu einem anderen Bundesland auf unseren Kanälen bezogen haben. Daher haben wir die entsprechenden Postings auf unserem Instagram- und Facebook-Account entfernt.
Verdi fordert in einer Petition aktuell eine Urabstimmung zur Rückabwicklung der Pflegekammer NRW. Knapp 12.000 Personen haben die Petition bislang unterzeichnet. Wie sehr beunruhigt Sie diese Aktion und wie hoch schätzen Sie die Aussicht der Petition auf Erfolg ein?
Zum jetzigen Stand – am 24. Juli um 9.30 Uhr – hat die Petition rund 12.070 Unterzeichner:innen. Das sind weniger als die Hälfte als noch vor drei Jahren. Denn 2021 wurde schon einmal eine Petition gestartet mit knapp 27.000 Unterzeichner:innen. Außerdem haben längst nicht nur Pflegefachpersonen aus NRW unterzeichnet. Darüber hinaus wurde bereits während der Konstituierung der Kammerversammlung ein Antrag zur Urabstimmung diskutiert und demokratisch abgelehnt. Das bedeutet nicht, dass ich entspannt bin. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir den guten Dialog mit den Kolleg:innen der Verdi-Fraktion weiter sichtbar führen. Schließlich befinden sich zwei Kolleginnen der Fraktion im Vorstand, Ausschüsse sind paritätisch besetzt und zahlreiche Kolleg:innen sind auch in der gesamten Kammerversammlung Verdi-Mitglieder. Auch das Angebot einer strategischen Abstimmung habe ich ausgesprochen – das Angebot besteht noch immer. Die Zahlen der Petition zeigen auch ein stückweit, dass wir als Pflegekammer NRW in den vergangenen Jahren offenbar Pflegende überzeugen konnten. Mit unseren Kritiker:innen gehen wir weiterhin über unterschiedliche Kommunikationskanäle in den Austausch und suchen eine konstruktive Zusammenarbeit. Wir blicken nach vorne und arbeiten an den wichtigen Themen. So erarbeiten wir zum Beispiel derzeit die erste Berufsordnung für Pflegende in NRW, bringen gemeinsam mit den Pflegenden die Fort- und Weiterbildungen voran, kümmern uns darum, dass die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachpersonen digital vereinfacht werden und haben die federführende Projektleitung für das Thema Pflege in Krisen- und Katastrophen in einem ministeriellen Projekt des Landesausschusses Alter und Pflege übernommen.