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Karl Lauterbachs Krankenhausreform

Triumph mit Nachwirkungen

Karl Lauterbach kann aufatmen: Der Bundesrat gibt grünes Licht, das KHVVG kommt.

Karl Lauterbach kann aufatmen: Der Bundesrat gibt grünes Licht, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) kommt. Der nächsten Regierung hinterlässt der Minister ein anspruchsvolles Erbe. Ein Kommentar von Chefredakteur Florian Albert.

Karl Lauterbach kann aufatmen: Der Bundesrat gibt grünes Licht, das KHVVG kommt. Seine Gegner hatten bis zuletzt nichts unversucht gelassen. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke schreckte nicht davor zurück, kurz vor der Sitzung seine eigene Gesundheitsministerin vor die Tür zu setzen, um ein Votum für Lauterbachs Reform zu verhindern. Genutzt hat ihm dieser fragwürdige Schachzug nicht. 

Die heutige Entscheidung ist der Schlusspunkt eines fast dreijährigen Ringens um die Zukunft der Krankenhausversorgung und ein großer Erfolg für den Minister, dessen Name mit der größten Krankenhausausreform seit zwei Jahrzehnten verbunden sein wird. Lauterbach selbst hatte die Erwartungen hochgeschraubt. Er versprach nichts Geringeres als eine Revolution und hat das KHVVG damit in die Traditionen der großen Gesundheitsreformen wie Lahnstein oder die Einführung der DRG gestellt. Ob seine ganz persönliche Zeitenwende gelingt, bleibt abzuwarten. Lauterbach hinterlässt der nächsten Regierung jedenfalls ein anspruchsvolles Erbe.

Lauterbach hat viele Probleme angepackt

Selbst seine schärfsten Kritiker gestehen Lauterbach zu, dass er die drängenden Probleme der Krankenhäuser in Angriff genommen hat. Er hat die Bundesländer in die Pflicht genommen, die zu lange die Zügel der Planung schleifen ließen und die Investitionsmisere zu verantworten haben. Sie müssen ihren Planungsauftrag nun ernsthafter wahrnehmen – und das ist eine gute Nachricht. Es ist alarmierend, wie lückenhaft die Datenlage in vielen Landeshauptstädten lange war. Informationen über regionale Bedarfe und die Verfügbarkeit von Ressourcen in den Kliniken sind Mangelware. Für Patienten ist es ein Gewinn, dass die dringend geforderte Spezialisierung endlich vorankommt. Lauterbach setzt mit den Leistungsgruppen und einem gestuften Versorgungssystem das um, was Sachverständige bereits seit Jahren empfehlen.

Krankenhausreform mit Tücken

Zur Wahrheit gehört aber auch: Lauterbachs Gesetz ist umstritten, und das nicht nur in der Krankenhauslobby. Das gilt sowohl fürs Kleingedruckte wie auch für grundlegende Weichenstellungen. Deutschland krankt an Bürokratie und Vorschriften, die nicht handhabbar sind. Das Versprechen von Kanzler Olaf Scholz, die "Deutschlandgeschwindigkeit" zur Richtschnur seiner Politik zu machen, fand bei Lauterbachs Reform keine Beachtung. Das KHVVG wird den bereits hyperkomplexen Gesundheitsbetrieb noch komplizierter machen. Vor allem die Vorhaltefinanzierung könnte sich als hoch problematisch, wenn nicht sogar Irrweg erweisen. Viele Experten fürchten, dass der Umverteilungseffekt gering sein, der Umbau des Finanzierungssystems aber enorme Ressourcen binden und zu vielen Unsicherheiten auf dem Markt führen wird. Wer die Herausforderungen und Widersprüche des Vorhabens en détail nachvollziehen will, dem sei ein Vortrag von Inek-Chef Frank Heimig ans Herz gelegt.

Für die angebliche Abkehr vom Fallpauschalensystem mag Lauterbach der Applaus der Parteibasis sicher sein. Ordnungspolitisch ist es eine fragwürdige Großoperation mit offenem Ausgang. Der Fallbezug bleibt bestehen, an den Korridorgrenzen dürften Kliniken noch härter kalkulieren als ohnehin schon. Profitieren werden die Unternehmensberatungen, deren Geschäft auf Jahre gesichert ist. In anderen Bereichen geht Deutschland weiter munter Sonderwege. Für die neuen Mindestvorhaltezahlen gibt es weltweit kein Vorbild, man startet methodisch bei Null, ließ das damit betraute Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IGWIG) schon verlauten.

Die regulatorische Flut hält auch in anderen Bereichen an. Lauterbach will die Ambulantisierung fördern – allerdings wird die Zahl der Abrechnungs- und Versorgungsmodelle noch unübersichtlicher. Vieles wurde auch in dieser Legislatur gegen den Rat von Praktikern übers Knie gebrochen. Der vermeintliche Gamechanger Tagesbehandlung ist ein Rohrkrepierer. Ein funktionierendes Geschäftsmodell für sektorenübergreifende Versorger ist bislang nicht in Sicht. Auch Lauterbach schafft neue Berichtspflichten und Personalvorgaben. Zu den Pflegepersonaluntergrenzen und dem Pflegebudget gesellen sich nun zusätzliche Anforderungen in den Leistungsgruppen – dazu kam auf den letzten Drücker die ärztliche Personalbemessung, für die sich nur Ärzte begeistern können. Kritisches Sichten, Ausmisten, Vereinheitlichen? Fehlanzeige. Stattdessen ächzt das System unter ständig neuen Regulierungen, die den Geist einer Politik atmen, die jedes noch so kleine Problem mit Gesetzen und Verordnungen lösen will. Ein Ausbrechen aus diesem Teufelskreis ist nicht in Sicht.

Finanzierung bleibt die größte Baustelle

Auch die heikelste Frage, die Finanzierung der Krankenhäuser – investiv wie betriebswirtschaftlich – bleibt mit dieser Reform ungelöst. Während in der Öffentlichkeit Lauterbachs Versprechen einer großangelegten Klinikrettung verfangen, zeigt sich beim Transformationsfonds ein anderes Bild. Es ist absehbar, dass die Krankenkassen gegen diesen Teil der Reform klagen werden, mit Aussicht auf Erfolg, wie erste rechtliche Einschätzungen andeuten. Lauterbach folgt damit den fragwürdigen Methoden, die bereits zur haushälterischen Strategie des gescheiterten Ampelbündnisses gehörten. Woher die 50 Milliarden Euro nach einer erfolgreichen Klage kommen sollen, bleibt unklar. Die Debatte um die Schuldenbremse wird erst eröffnet – und der Eindruck verfestigt sich, dass Kliniken im Schatten von Klimaschutz, Ukrainehilfe und Mobilität zur Nebensache verkommen. Ob und wie dies mit dem ideologischen Ziel einer Entökonomisierung vereinbar sein soll, ist vorerst Lauterbachs Geheimnis.

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