Die Sterblichkeit von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen ist in Deutschland in den ersten beiden Corona-Pandemiewellen drastisch gestiegen. Das zeigen erste am Dienstag veröffentlichte Ergebnisse des Pflege-Reports 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Übersterblichkeit Ende 2020 bei 80 %
Demnach lag bereits ca. 3 Wochen nach Start des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die Sterblichkeit um 20 % höher als im Mittel der Vorjahre. In den ersten 3 Monaten der zweiten Pandemiewelle von Oktober bis Dezember 2020 übertraf sie das Niveau der Vorjahre sogar um durchschnittlich 30 %.
In der Spitze lag die Übersterblichkeit Ende 2020 sogar bei 80 %.
Die Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO, Antje Schwinger, verdeutlichte:
"Die Infektionsschutzmaßnahmen während der Pandemie reichten nicht aus, um die im Heim lebenden pflegebedürftigen Menschen ausreichend zu schützen."
Das müsse für künftige Pandemiekonzepte ebenso berücksichtigt werden, wie die deutlichen gesundheitlichen Folgen für die Pflegebedürftigen, insbesondere auch die psychischen Belastungen aufgrund der Isolation.
Laut einer zum Pflege-Report gehörenden Angehörigen-Befragung war für 43 % der befragten Angehörigen ein persönlicher Kontakt zu den Pflegebedürftigen zwischen März und Mai 2020 nicht möglich. Für weitere 30 % war diese Möglichkeit nur selten gegeben. Nach Angaben der Bezugspersonen war es 16 % der pflegebedürftigen Personen nicht möglich, das eigene Zimmer zu verlassen, weiteren 25 % war es nur selten möglich.
Kritisches Versorgungsbild
Die Angehörigen bemerkten während der Pandemie deutlich negative Veränderungen des Zustands der pflegebedürftigen Personen. Mehr als 70 % berichten über häufigere Gefühle von Einsamkeit und Alleinsein seitens der pflegebedürftigen Personen, häufigere Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit, eine Verschlechterung der geistigen Fitness sowie verringerte Beweglichkeit.
Insgesamt zeichnet die Untersuchung ein kritisches Versorgungsbild. Maßnahmen, die die Pflegebedürftigen vor COVID-19 schützen sollten, führten gleichermaßen zu erheblichen Einschnitten in der Versorgung sowie zu starker sozialer Isolation, sagte Schwinger weiter. Auf keinen Fall dürfe es noch einmal zu einer generellen Isolierung alter Frauen und Männer von der Außenwelt und ihren Angehörigen kommen.
Unterdessen bemängelte die Deutsche Stiftung Patientenschutz eine zu geringe Impfbereitschaft des Pflegepersonals. Mind. 80 % müssten geimpft sein, um das Virus aus den Einrichtungen herauszuhalten, sagte Vorstand Eugen Brysch im rbb. Dies sei aber nicht der Fall.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz ist wegen der geringen Impfbereitschaft beim Pflegepersonal besorgt. Um das Virus zu stoppen, sei eine Impfquote von mindestens 80 Prozent nötig. Die Stiftung fordert zur Not den Einsatz von externem Personal.https://t.co/VdcIns0ieH
— rbb|24 (@rbb24) June 29, 2021
"Wir erleben, dass beim Altenpflegepersonal die Impfbereitschaft nicht besonders hoch ist. Und das macht große Sorgen, da müssen wir dringend nacharbeiten."
Eine Impfpflicht halte er für den falschen Weg. Unter den Angehörigen pflegebedürftiger Menschen sei die Impfbereitschaft deutlich höher als beim Pflegepersonal, fügte der Patientenschützer hinzu. Schon jetzt müsse für den Herbst wegen möglicher neuer Corona-Ausbrüche in Heimen vorgesorgt werden.
Auch die Bundespflegekammer gab Ende Januar zu bedenken, dass in Kliniken die Impfbereitschaft unter Pflegefachpersonen höher ist als in Alten- und Pflegeheimen. Grundsätzlich sei die Impfbereitschaft unter Pflegepersonal jedoch hoch.