In deutschen Pflegeheimen werden aus Sicht der Krankenkasse AOK zu viele Bewohnende mit Tabletten ruhiggestellt. Im Rheinland bekommen mehr als elf Prozent der Bewohnenden von Pflegeheimen dauerhaft Beruhigungs- oder Schlafmittel verabreicht. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind es sogar mehr als zwölf Prozent. Das geht aus Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg auf Basis aktueller Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts (WIdO) der AOK für das Online-Portal "Qualitätsatlas Pflege" hervor.
Demnach lag der Anteil solcher Dauerverordnungen in nordrhein-westfälischen Heimen mit 12,15 Prozent im Jahr 2023 fünf Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt von 7,14 Prozent. Im Gebiet der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein lag der Wert bei 11,43 Prozent und damit rund 4,3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.
Abhängigkeit und Sturzgefahr drohen
Die Zahl der Dauerverordnungen von Beruhigungs- oder Schlafmitteln habe im Rheinland und in NRW bereits vor 2023 regelmäßig über dem Bundesdurchschnitt gelegen und sei zuletzt auf einem hohen Niveau leicht gesunken.
Der Qualitätsatlas Pflege vergleicht die Jahre 2017 bis 2023. Im Jahr 2017 hatten in NRW noch 13,78 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen regelmäßig solche Mittel bekommen. Deutschlandweit waren es damals 8,17 Prozent, im Rheinland 13,28 Prozent.
Arzneimittel wie Benzodiazepine, Benzodiazepin-Derivate und Z-Substanzen wirken den Angaben zufolge kurzfristig schlaffördernd, beruhigend und angstlösend. Nach vier Wochen seien diese Effekte aber nicht mehr gegeben. Bei langfristiger Gabe drohten Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr sowie das Auftreten von Angst und Depressionen.
AOK: "Nicht zielführende Dauermedikation"
"In Deutschland zählen diese Wirkstoffe zu den häufigsten potenziell inadäquat verschriebenen Medikamenten für ältere Menschen", erklärte Susann Behrendt, Forschungsbereichsleiterin Pflege im WIdO. "Aktuelle Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen speziell in Pflegeheimen davon betroffen sind, lagen bisher kaum vor. Mit unserer Auswertung sorgen wir für mehr Transparenz. Seit der ersten Veröffentlichung dieser Daten stellen wir nur einen geringen bundesweiten Rückgang fest. Die Ergebnisse unterstreichen den anhaltenden Optimierungsbedarf bei dieser risikoreichen und nicht zielführenden Dauermedikation."
Im Vergleich der Bundesländer zeigt das Update bei den Verordnungen erhebliche Abweichungen: So war der Verordnungsanteil im Saarland im Jahr 2023 mit 15,88 Prozent doppelt so hoch wie im bundesweiten Schnitt. Auch NRW (12,15 Prozent), Baden-Württemberg (9,07 Prozent) und Rheinland-Pfalz (7,69 Prozent) zählen zum Spitzenfeld bei den problematischen Dauerverordnungen. Insgesamt kommen der Analyse zufolge die risikoreichen Dauerverordnungen bei den Heimbewohnenden im Westen deutlich häufiger vor als im Osten. Den geringsten Wert zeigt Sachsen-Anhalt – hier lag der Verordnungsanteil bei nur 2,90 Prozent.