Es werde schwierig werden, die Versorgungssicherheit und -qualität aufrechtzuerhalten, fasst der wissenschaftliche Leiter des TransMIT-Projektbereichs für Versorgungsforschung und Beratung der Gesellschaft für Technologietransfer, Wolfgang George, die Ergebnisse der Gießener Sterbestudie 2022 zusammen.
Einbeziehung von Angehörigen am problematischsten
60 % der Befragten hätten angegeben, dass sich die Versorgungsqualität insgesamt aufgrund der Corona-Pandemie z. T. erheblich verschlechtert hat. Fachliche und soziale Zuwendungen seien "massiv" zurückgegangen. Für 70 % habe sich die Einbeziehung von Angehörigen am problematischsten entwickelt. Diese sei kaum noch erfolgt. Beständig unzureichende zeitliche und personelle Ressourcen habe die Mehrheit beklagt.
Sterbekultur im Krankenhaus
Was Menschen in der letzten Lebensphase am meisten brauchen, ist in Kliniken am wenigsten vorhanden: Zeit und Personal. Sind Fürsorglichkeit und ein würdevoller Abschied trotzdem möglich? Ein Einblick in verschiedene Häuser zeigt den Umgang der Mitarbeitenden mit Sterbenden, ihren Angehörigen – und dem Tod.
Die Voraussetzungen für Sterbende seien je nach Stationstyp und deren Versorgungsauftrag sehr unterschiedlich: So verfügten Palliativstationen "mit z. T. sehr deutlichem Abstand" über die besten Bedingungen für Sterbende, deren Angehörige, aber auch für Mitarbeitende (Arbeitsklima, Ressourcen).
Unnötig lebensverlängernde Maßnahmen
Allgemeinstationen hätten hingegen mit den schwierigsten Bedingungen zu kämpfen. Die Wahrscheinlichkeit, allein zu sterben, sei hier besonders hoch.
65 % der Befragten hätten angegeben, dass oftmals bzw. immer unnötig lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen werden. Das sei problematisch und klärungsbedürftig, so George.
Der Wissenschaftler rät, in Krankenhäusern palliative Versorgungsbereiche aufzubauen, um diese dann gezielt als kompetenztragende – etwa über palliative Konsildienste – für das gesamte Krankenhaus nutzbar zu machen.
Mehrheit blickt besorgt in Zukunft
Insgesamt gebe über die Hälfte der Befragten (56 %) eine ungünstige Prognose zur Zukunft der Sterbebetreuung. Nur ungefähr 20 % erwarteten Besserung.
Die von September bis Dezember 2022 durchgeführte Online-Befragung der Gießener Sterbestudie beschäftigte sich mit den medizinisch-pflegerischen und psychosozialen Bedingungen des Sterbens. In den knapp 50 Fragen ging es u. a. um personelle, materielle und räumliche Ressourcen, das Arbeitsklima, Angehörigenintegration sowie die Kooperation mit Versorgungspartnerinnen und -partnern.
Weitere Studiendetails folgen im Jahresverlauf
Insgesamt 855 Mitarbeitende der Gesundheitsversorgung beteiligten sich, darunter 64 % aus Pflege und Ärzteschaft im Krankenhaus, 22 % von stationären Pflegeeinrichtungen, 10 % aus der häuslich-ambulanten Versorgung und 4 % von Hospizen.
Im Jahresverlauf sollen genauere empirische Studienergebnisse und Einzelauswertungen folgen.