Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hat von 2018 bis 2022 rund 26.500 Schreck- und Gewaltvorfälle als meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert. Jährlich sind das etwa 5.300. Die meisten Meldungen kommen der BGW zufolge aus den Branchen "Betreuungs- und Beratungseinrichtungen" (35 Prozent), "Pflege" (28 Prozent) sowie "Kliniken" (14 Prozent). Meldepflichtig sei ein Arbeitsunfall, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führe.
Zahl der Meldungen hat zugenommen
Laut aktuellem BGW-Gewaltbericht hat die Zahl der Meldungen über die Jahre zugenommen: Für die Jahre 2015 bis 2019 habe der Jahresdurchschnitt bei knapp 5.000 Schreck- und Gewaltvorfällen gelegen. 2015 seien rund 4.500 Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Schreck und Gewaltvorfällen gemeldet worden.
Wie stark die Häufigkeit der Vorfälle zunehme und in welchem Maß ein stärkeres Bewusstsein dafür sorge, dass diese öfter gemeldet würden, lasse sich nicht sicher feststellen. Erst Ende Januar war aber bekannt geworden, dass Pflegepersonal und Ärzteschaft in Krankenhäusern immer öfter Opfer gewalttätiger Übergriffe werden.
Wut, Hilflosigkeit und Angst als Folgen von Gewalt
BGW-Hauptgeschäftsführer Jörg Schudmann sagte im März:
"Wie man es auch dreht und wendet, die Zahlen sind zu hoch. Der Umgang mit Gewalt und Aggression ist deshalb ein wichtiger Teil des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes."
Dass die meldepflichtigen Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind, zeigt auch eine BGW-Studie von 2020, deren Ergebnisse ebenfalls im Gewaltbericht enthalten sind: 349 Beschäftigte aus Notaufnahmen nahmen an einer Online-Umfrage teil. 87 Prozent von ihnen gaben an, innerhalb eines Jahres körperliche Gewalt durch Patientinnen oder Patienten erfahren zu haben, 64 Prozent durch deren Angehörige. Noch mehr Beschäftigte hatten Erfahrung mit verbaler Gewalt gemacht: 97 Prozent durch Patientinnen oder Patienten, 94 Prozent durch Angehörige. Als emotionale Folge empfanden die meisten Befragten Ärger oder Wut. Viele gaben an, sich hilflos zu fühlen und mehr als ein Viertel berichtete von Angstgefühlen.
Führungskräfte und Unternehmensleitungen in der Verantwortung
Die Studie ergab auch: Eine hohe Resilienz und das Gefühl, durch die Einrichtung gut auf mögliche Gewaltübergriffe vorbereitet zu sein, wirken schützend vor psychischen Verletzungen. Wesentlich sei deshalb auch, wie sich Führungskräfte und Unternehmensleitungen positionierten, betonte Schudmann. Und zwar mit der klaren Botschaft, dass Gewalt gegenüber ihren Mitarbeitenden nicht akzeptiert werde, und mit dem Angebot entsprechender Präventionsmaßnahmen.
--> Handlungshilfen, Qualifizierungsangebote und Unterstützungsangebote
Maßnahmen gegen Gewalt in Unternehmen zu unbekannt
Allerdings: In diesem Punkt zeigte sich in der Umfrage Nachholbedarf: 24 Prozent der Befragten kannten keine Angebote zum Umgang mit Gewalt in ihrem Unternehmen. Insgesamt fühlte sich nur jede oder jeder zehnte durch die eigene Einrichtung auf solche Übergriffe gut vorbereitet.
Ein ähnliches Bild zeigt die zweite im Datenbericht enthaltene Studie von 2021: In einer Umfrage zu sexueller Belästigung und Gewalt gab ein Drittel der Befragten an, nichts über Maßnahmen zur Prävention oder Nachsorge in ihrem Unternehmen zu wissen.
Schudmann hob hervor:
"Grundvoraussetzung für präventive Maßnahmen gegen Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz ist eine betriebliche Kultur, die offen und systematisch mit diesem Thema umgeht."