Marion D. liebt ihren Beruf als pflegerische Stationsleiterin in einer Zentralen Notaufnahme eines kleinen Krankenhauses. Jetzt hat sie schweren Herzens trotzdem gekündigt. Hier beschreibt sie warum.
Ich bin Krankenschwester, 52 Jahre alt, und übe meinen Beruf mit Leib und Seele aus. Bis vor Kurzem habe ich in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) einer kleineren Klinik gearbeitet. Seit 2019 in 50 % Teilzeit, dann in 75 % in der Hoffnung, nicht mehr so oft "außer der Reihe" arbeiten zu müssen.
Ende 2020 habe ich die pflegerische Leitung auf der Station übernommen. Ich dachte, in dieser Position kann ich etwas bewegen, mein Team schützen, mich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.
5 Planstellen unbesetzt
Anfang 2021 wurde dann erst eine Kollegin schwanger und rutschte damit sofort ins Beschäftigungsverbot, eine andere Kollegin fiel kurz vor der Rente aus gesundheitlichen Gründen aus.
Die Personaldecke war schon im Vorfeld "eng", aber nicht hoffnungslos; ließ sich mit einer Zeitarbeitnehmerin und moderatem "Einspringen aus dem Frei" gut bewältigen. Bis dahin hatten wir – das übrige Kollegium und ich – noch die Hoffnung auf baldige Verstärkung durch Neueinstellungen.
Dann fielen zusätzlich 2 weitere Kolleginnen in Vollzeit aus. Ersatz war nicht in Sicht, sodass von 11 Planstellen 4 unbesetzt waren. Im Mai fiel eine weitere Kollegin gesundheitsbedingt aus, somit waren also 5 Planstellen unbesetzt.
Extreme Mehrbelastungen
Die nicht besetzten Stellen wurden weiter mit Kolleginnen und Kollegen aus Zeitarbeitsfirmen "gefüllt".
Doch trotz massiven Einsatzes war die Patientenversorgung häufig nur noch rudimentär und inadäquat möglich. Das frustrierte alle Beteiligten.
Die Kolleginnen und Kollegen aus der Zeitarbeit konnten weder gut noch konsequent eingearbeitet werden. Für die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen aus dem Stammteam bedeutete das Arbeiten unter diesen Bedingungen mit ständig wechselnden (fach-)fremden Kolleginnen und Kollegen eine extrem hohe Mehrbelastung. Anleitungen, Kontrollen, Telefonate und die gesamte Administration mussten das Stammteam irgendwie "wuppen".
Dass der Betrieb der ZNA überhaupt noch aufrechterhalten werden konnte, war ausschließlich dem engagierten und keineswegs selbstverständlichen Einsatz der festangestellten Kolleginnen und Kollegen zu verdanken. Die Zahl der Überstunden spricht für sich.
Azubis und Praktikanten als Ersatz für fehlende examinierte Pflegefachpersonen
Gefährdungsanzeigen, Gespräche mit der Pflegedienstleiterin, dem Personalleiter, dem kaufmännischen Direktor und dem Chefarzt der Chirurgie verpufften ohne Erfolg.
Gerade einmal zwei Bewerberinnen und Bewerber konnten wir in diesem Jahr akquirieren. Sie schauten sich das Drama an und verschwanden schnell auf Nimmerwiedersehen.
V. a. Wochenenden waren völlig unterbesetzt. Auszubildende (!) der Gesundheits- und Krankenpflege oder Praktikantinnen und Praktikanten (!) des Rettungsdienstes mussten eine zweite examinierte Pflegefachperson ersetzen, damit eine Pflegefachperson nicht allein im Dienst war.
An einigen Tagen arbeitete selbst die Pflegedienstleitung auf Station mit.
Leitliniengerechte Ausführung der Pflege immer öfter nicht möglich
Dennoch kam es wiederholt und unvermeidbar vor, dass Schichten nur mit – teilweise neuen – Kolleginnen und Kollegen von Zeitarbeitsfirmen besetzt waren, die weder über ausreichend Fachkenntnisse verfügten noch mit den Abläufen der Abteilung vertraut waren.
Verbesserungen sind trotz massiver Unterstützung der Pflegedienstleitung in naher Zukunft nicht in Sicht. Nicht nur ich fürchte um meine Resilienz und Gesundheit.
So habe ich zum 30. September 2021 gekündigt, arbeite aber schon jetzt nicht mehr in der Pflege aufgrund zahlreicher Überstunden. Konsequenz: 6 unbesetzte Planstellen!
Ich möchte nicht mehr an dieser Mängelverwaltung teilhaben. Ich möchte nicht mehr erwarten müssen, dass meine Kolleginnen und Kollegen ihr Privatleben kurzfristig "über den Haufen werfen" müssen, um einzuspringen, damit die Abteilung am Laufen bleibt und die Geschäftsführung ein Problem weniger hat.
Ich möchte weder verantwortlich sein, wenn eine Person aus meinem Team allein im Dienst steht, noch möchte ich allein dort stehen und ggf. daran beteiligt sein, wenn eine Patientin oder ein Patient zu Schaden kommt, weil eine sachgemäße und leitliniengerechte Ausführung der Pflege aufgrund der vorherrschenden Arbeitsbedingungen nicht möglich ist.
Berufsausstieg für immer
Mir ist dieser Schritt nicht leichtgefallen, ich habe wirklich gern in der ZNA gearbeitet, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Ich dachte wirklich, ich arbeite bis zur Rente in der Pflege. Mir blutet das Herz, obwohl der Kopf weiß, dass dieser Schritt richtig war und die einzig mögliche Konsequenz.
Für mich wird der Ausstieg aus meinem Beruf für immer sein. Gern hätte ich den Pflegejob bis zur Rente ausgeübt, aber unter diesen Arbeitsbedingungen geht das nicht – schon gar nicht bis 67!
Ich bin enttäuscht, leer, ohnmächtig, wütend. Gern würde ich mehr für die Profession Pflege tun. Aber dazu braucht es mehr als Einzelkämpfer. Oft haben Kolleginnen und Kollegen einfach zu große Angst vor Sanktionen oder gar Kündigungen, wenn sie sich gegen die unhaltbaren Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen und „nein“ sagen. Oft ist es Bequemlichkeit, oft auch Unwissenheit ob der eigenen Rechte.
Künftig arbeite ich als medizinische Fachangestellte.