Bis zu 1,3 Millionen Krankenhausaufenthalte von Pflegebedürftigen wären jährlich potenziell vermeidbar, wenn Patientinnen und Patienten besser versorgt würden. Dafür sei allerdings ihr individueller pflegerischer und medizinischer Bedarf stärker zu berücksichtigen. Das zeigen aktuelle Ergebnisse des Barmer-Pflegereports 2023, die die Krankenkasse am Dienstag veröffentlichte.
Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen etablieren
Insbesondere chronisch Kranke und Pflegebedürftige würden oft weder ambulant noch stationär bestmöglich versorgt. Um das zu ändern seien "dringend neue, effizientere Versorgungsstrukturen" nötig, teilte die Kasse in Berlin mit.
Barmer-Vorstandsvorsitzender Christoph Straub nannte als Beispiele wohnortnahe, sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen. Diese könnten verschiedene Gesundheitsberufe, Arztpraxen sowie Pflegedienste vereinen und seien von Bund und Ländern im Rahmen der aktuell diskutierten Krankenhausreform zu etablieren.
Rahmenbedingungen anpassen
Dem Pflegereport zufolge waren zwischen den Jahren 2017 und 2022 monatlich im Schnitt rund 280.000 pflegebedürftige und kurz vor der Pflegebedürftigkeit stehende Patientinnen und Patienten in einer Krankenhausbehandlung. Dabei handelte es sich nach Barmer-Angaben häufig um ambulant-sensitive oder Pflegeheim-sensitive Fälle, die unter besseren medizinischen Bedingungen von der Hausarztpraxis oder im Pflegeheim hätten behandelt werden können.
Dazu zählten Herzinsuffizienz mit monatlich rund 15.900 Krankenhausfällen und Diabetes mellitus Typ 2 mit etwa 4.000 Fällen.
Studienautor Heinz Rothgang von der Universität Bremen sagte:
"Bei einer gezielteren Versorgung im Vorfeld müssten Pflegebedürftige mit entsprechenden Erkrankungen meist gar nicht erst in ein Krankenhaus. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen."
Längere Liegezeiten
Knapp ein Viertel der Krankenhauspatientinnen und -patienten war laut Pflegereport im vergangenen Jahr bereits vor der Aufnahme in die Klinik pflegebedürftig. Rund 275.000 Menschen oder 1,9 Prozent seien dies unmittelbar im Anschluss an die stationäre Behandlung geworden.
Wer nach einem Krankenhausaufenthalt pflegebedürftig werde, liege zuvor länger in der Klinik. Im Vergleich zu nicht pflegebedürftigen Patientinnen und Patienten seien das durchschnittlich 3,4 Tage mehr. Das liege insbesondere an der Schwere der Grunderkrankung.
Digitalen Datenaustausch fördern
Auch wer bereits pflegebedürftig ins Krankenhaus komme, müsse dort mit bis 2,7 Tagen mehr rechnen. Ein weiterer Faktor für eine verzögerte Entlassung aus der Klinik sei, dass Pflege zu Hause oft erst zu organisieren sei. Der stationäre Aufenthalt verlängere sich sogar um mehr als sechs Tage, wenn eine Kurzzeitpflege folge.
Um eine bessere Versorgung zu gewährleisten, sollten beispielsweise Kliniken Kranken- und Pflegekassen regelhaft informieren, sobald klar sei, wann eine Patientin oder ein Patient entlassen werde, schlug Straub vor. Möglich sei dies im Rahmen des digitalen Datenaustauschs.
Pflegeberuf aufwerten
Schon aufgrund des Personalmangels sei aber auch „dringend“ erforderlich, Pflegeberufe weiter aufzuwerten und vorhandene Ressourcen effizienter einzusetzen. Straub betonte:
"Gut ausgebildete Pflegekräfte könnten ärztliche Leistungen übernehmen, wo es sinnvoll und möglich ist."
Straub knüpft damit an aktuelle Diskussionen um kompetenzorientierte Arbeitsteilung an.