Systemrelevante Beschäftigte sollen krisenbedingt bis zu 12 Stunden täglich arbeiten "dürfen". Das regelt eine neue Rechtsverordnung aus der vergangenen Woche, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zusammen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erlassen hat.
Gleichzeitig wird die Mindestruhezeit zwischen Arbeitsende und -beginn verkürzt – und zwar von üblicherweise 11 auf 9 Stunden. Die sogenannte "Covid-19-Arbeitszeitverordnung" lockert damit bestehende Regelungen des Arbeitszeitgesetzes für die Dauer der Corona-Krise und ist zunächst bis 31. Juli befristet.
Die Ausnahmen dienen der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern" und erfasst alle Tätigkeiten, die dazu erforderlich sind, heißt es in der Verordnung.
VIEL KRITIK AN ERHÖHTEN ARBEITSZEITEN
"Die Arbeitsbelastung in der stationären Pflege ist bereits jetzt schon sehr hoch. Dies wird längerfristig zu einer Gefährdung der Patientensicherheit führen“, ist sich der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, Markus Mai, sicher. Konzentrationsdefizite und Ermüdungserscheinungen müssten insbesondere in der pflegerischen Versorgung eingedämmt werden.
"Zur Sicherung der Pflegeversorgung und der Gesundheit der Pflegefachpersonen appellieren wir an die Arbeitgeber im Land, die gesetzlich erlaubten Ausnahmen bei der Arbeitszeit nur in Notsituationen umzusetzen. Pflegefachpersonen sind keine Roboter. Sollten sie nicht in der Lage sein, die extrem langen Arbeitszeiten zu bewältigen, so dürfen ihnen daraus keine Nachteile entstehen", so Mai weiter.
Jetzt räche sich, dass vor der Corona-Krise in den Krankenhäusern Tausende Pflegestellen abgebaut und Personalschlüssel in Pflegeeinrichtungen viel zu niedrig gewesen seien. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung Konsequenzen aus der Krise zieht und endlich für eine bessere Personalausstattung in der Pflege sorgt", betonte Mai.
Auch der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke warnte davor, mit der Gesundheit der Beschäftigten "Schindluder zu treiben" und fordert die Arbeitgeber auf, sich der Verantwortung für ihre Beschäftigten zu stellen und die Notfallregeln nur zu nutzen, "wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind".
Kritisch äußert sich ebenso die Opposition: "In Zeiten der Corona-Pandemie ist der Gesundheitsschutz für die Menschen das Allerwichtigste. Wenn jetzt gerade diejenigen, die sowieso schon am Anschlag arbeiten, noch länger arbeiten sollen und keine angemessenen Ruhephasen mehr haben, dann ist das absolut kontraproduktiv", so die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik der Grünen, Beate Müller-Gemmeke.