Der Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege (SVR) hat am Donnerstag ein Gutachten zur Personalsituation im Gesundheitssystem veröffentlicht. Im Wesentlichen kommt der SVR zu dem Schluss, dass die strikte Sektorentrennung und die im internationalen Vergleich große Zahl an Krankenhausbelegtagen zu einer Verknappung der Ressource Personal führe. Denn im Vergleich mit anderen Ländern habe Deutschland nicht weniger Pflegekräfte, sondern mehr, so der SVR.
Deutschland mit Spitzenrate bei "Fachkräften pro Einwohnern"
Beim Verhältnis "Fachkräfte pro Einwohner" komme Deutschland auf eine Spitzenrate, sagte SVR-Vorsitzender Michael Hallek. 12 Pflegekräfte und 4,5 Ärzte kämen auf tausend Einwohner. Dieser Spitzenwert habe ihn überrascht.
Beim Verhältnis "Fachkraft zu behandeltem Fall" belege Deutschland hingegen einen der hinteren Plätze. Zu viele stationäre Fälle und eine vergleichsweise lange Verweildauer seien hierfür ausschlaggebend.
Hoher Personalaufwand, aber kein besseres Outcome
Derweil liefere das deutsche Gesundheitssystem trotz des hohen stationären Personalaufwands kein größeres Outcome. Hallek warnte:
"Die Lebenserwartung ist niedriger als in Ländern mit weniger Personal und auch bei großen Erkrankungen schneiden wir schlechter ab. Wir müssen anfangen, mit der Verschwendung der Ressource Personal aufzuhören."
Messer: 20 Prozent Akademisierung als Zielmarke
Die stellvertretende SVR-Vorsitzende Melanie Messer unterstrich, dass es vor allem bei der Akut- und Langzeitpflege "riesige Engpässe" gebe, die in den nächsten Jahren noch größer würden. Die Aufgaben und Profile der Pflege seien deutlich aufzuweiten, forderte die Pflegewissenschaftlerin.
Als Beispiel nannte sie Advanced Practice Nurses, die viele klassische ärztliche Tätigkeiten eigenverantwortlich übernehmen könnten. Eine stärkere Akademisierung der Pflege sei dafür Voraussetzung. Derzeit habe in Deutschland nur ein Prozent der Pflegekräfte eine Uni-Abschluss – der SVR empfiehlt eine Zielmarke von 20 Prozent.
Teilzeit im Krankenhaus: Fluch und Segen
Hallek unterstützt die Stoßrichtung der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch kommt das durch Klinikschließungen freiwerdende Personal auch an den richtigen Stellen an? "Ja", glaubt der Klinikleiter. Für Hallek, der an der Uniklinik Köln das Centrum für Integrierte Onkologie leitet, gibt es vor allem bei den Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte im Krankenhaus noch Luft nach oben.
"Der Schlüssel ist die Kommunikation zwischen Ärzten und Pflege. Wir müssen Hierarchien abschleifen."
Auch die Quote "Pflegekraft zu Patient" müsse vom Management stärker berücksichtigt werden, mahnte der SVR-Chef. Hilfreich könnten auch Teilzeitangebote sein, etwa für Pflegekräfte im Studium, die nebenher noch arbeiten wollten.
Generell müsse jedoch Ziel sein, Mitarbeiter wieder in Vollzeit zu bekommen. Denn Deutschlands Kliniken hätten im internationalen Vergleich eine "sehr hohe Teilzeitquote". Für mehr Vollzeit "müsse das Umfeld stimmen", bemerkte Pflegeexpertin Messer, "sodass Krankenhausmitarbeiter in verschiedenen Lebenslagen in die Lage versetzt werden, Vollzeit zu arbeiten".
Update 26.04.2024
Der Deutsche Beufsverband für Pflegeberufe (DBfK) teilt die Auffassung aus dem Gutachten, dass der Fachkräftemangel nur durch eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems mit einem Fokus auf Gesundheitsförderung und Prävention, einer Umverteilung der Aufgaben, einer Stärkung der Primärversorgung sowie einer Kompetenzerweiterung einschließlich Professionalisierung und Akademisierung zu bewältigen ist. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein sagte:
"Wir fordern auch schon lange, dass die Aufgabenprofile modernisiert und die Verantwortungsbereiche der Pflegefachpersonen erweitert werden. Dazu gehört zwingend ein allgemeines Heilberufegesetz, das Pflegefachpersonen die eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde erlaubt. Wir teilen auch die Empfehlung aus dem Gutachten, Pflegekammern und eine Registrierungspflicht zu etablieren, um unsere Autonomie und Selbstorganisation zu stärken."
Die im Gutachten genannten Maßnahmen seien jetzt in einen Maßnahmenplan zu überführen, forderte der Deutsche Pflegerat. Erforderlich sei die Bildung einer Task-Force unter Beteiligung der Profession Pflege, "die jeden einzelnen Punkt wertfrei aufgreift und umgehend in die Umsetzung bringt".