Kritik, Vorwürfe, harscher Ton: Mit diesen acht Formulierungen entschärfen Pflegende Konflikte – und gewinnen Angehörige sogar als Partner.
Manchmal wird es brenzlig: Die Spannung zwischen Pflegefachpersonen und Angehörigen nimmt merklich zu, der Ton wird rauher, die Stimmen werden schriller. Dass Angehörige beim Pflegepersonal nachfragen, auch mal ungeduldig werden oder Kritik üben, kommt häufiger vor. Doch wenn sich Konflikte zuspitzen, gar drohen zu eskalieren, braucht es besonnene Gegenstrategien – und diese acht Sätze:
1. "Ich sehe, dass Sie besorgt sind."
Ein Satz, der sofort wirkt: Er signalisiert Aufmerksamkeit und nimmt dem Moment die Schärfe. Angehörige spüren, dass ihre Gefühle wahrgenommen werden – und nicht gleich mit Verteidigung oder Abwehr abgeschmettert werden. Wichtig ist die Haltung: ruhiger Ton, klare Präsenz, Ich-Botschaft. Grundlage ist das Prinzip der "Gewaltfreien Kommunikation", entwickelt vom Psychologen Marshall B. Rosenberg (Gewaltfreie Kommunikation, Junfermann, 2009). Weitere Varianten des Satzes: "Ich sehe, wie wichtig Ihnen das ist" oder "Ich verstehe, dass Sie sich ärgern".
2. "Es ist gut, dass Sie das ansprechen."
Vorwürfe – ob gerechtfertigt oder nicht – können Pflegende hart treffen. Diese Entgegnung aber gibt ihnen ein Stück Souveränität zurück. Sie verwandelt die vorgetragene Kritik in ein Gesprächsangebot. Und macht gleichzeitig deutlich: Der Vorwurf wird ernstgenommen, als Meinungsäußerung wertgeschätzt, validiert. So entsteht eine gemeinsame Ebene, kann die aufkommende Spannung abgefedert werden.
3. "Lassen Sie uns gemeinsam schauen, was wir in dieser Situation tun können."
Zwei Zauberwörter in einem Satz: "Gemeinsam" und "wir" – die Begriffe geben ein deutliches Signal in Richtung Kooperation. Hier entstehen keine Fronten, hier wird kein Kampf ausgetragen, sondern respektvoll und wertschätzend an einer Lösung gearbeitet. Durchaus mit zielgerichtetem Hintergrund: Angehörige sind das Bindeglied zu den Pflegebedürftigen, kennen dessen Gewohnheiten, seine Persönlichkeit. Dieses Wissen zu nutzen, kann die Pflegearbeit merklich unterstützen.
4. "Wie denken Sie darüber?"
Ganz klar: ein Satz für Fortgeschrittene. Aber was für eine fantastische Einladung zum Dialog! Die Frage bindet die Angehörigen endgültig ein, zeugt von Zutrauen in deren Kompetenz und Wissen über den Pflegebedürftigen. Dem könnte (und: sollte) auch ein innerer Dialog vorangehen, die Auseinandersetzung mit der Frage: Was mag ich an diesem Angehörigen? Was kann er gut, wie kann er in der Pflegearbeit mithelfen, wie können wir die Ressource nutzen? Oft kommen so Hinweise, die den Pflegealltag erleichtern.
5. "Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe …?"
Der Ton ist schärfer, unterschwellige Vorwürfe stehen im Raum – doch richtig greifbar ist das nicht? Statt mit einer Antwort zu reagieren, lieber erst mal: nachfragen. Kommunikationsexpertin Karin Kuschik ("50 Sätze, die das Leben leichter machen", Rowohlt 2022) empfiehlt, Eindrücke offen zu benennen: "Ich habe das Gefühl, Sie verdächtigen mich – stimmt dieser Eindruck?" Im beiläufigen Ton ausgesprochen wirkt das nicht schwer, sondern fördert Klärung.
6. "Sie Fuchs!"
Zugegeben eher für harmlosere Situationen geeignet: Schlagfertigkeitstrainerin Nicole Staudinger ("Leicht gesagt! Wie wir richtig rüberbringen, was nicht falsch ankommen soll", Knaur 2022) empfiehlt diese kleine Retourkutsche jedem, der sich bevormundet fühlt und spürt, wie der Ärger in ihm hochkocht. Gesagt mit einem Lächeln und freundlichem Ton (wichtig: niemals schnippisch!) bewahrt die Entgegnung die eigene Gelassenheit und verschafft eine Atempause – in der man sich beruhigen und sich eine (klügere) Antwort überlegen kann.
7. "Entschuldigen Sie bitte."
Ja, so einfach kann es sein. Und dann auch wieder: so schwer. Doch ehrlich um Verzeihung zu bitten, entspannt eine konfrontative Situation meist sofort. Wichtig ist, kein "Aber" nachzuschieben – denn der Nachtrag hebt die Entschuldigung auf. Besser: "Entschuldigen Sie bitte, dass Sie warten mussten. Ich habe gerade nach einer Patientin gesehen, die sich unwohl fühlte." So entsteht Augenhöhe, die Spannung sinkt.
8. — — —
Richtig gelesen: Manchmal ist der beste Satz auch einfach der, der weggelassen wird. Schweigen aushalten. Das empfiehlt auch die S3-Leitlinie Palliativmedizin: Angehörige reden lassen, zuhören, nicken, präsent bleiben. Auch Angehörige brauchen ein Ventil, manchmal muss einfach alles raus: die Sorge, der Ballast, die Unsicherheit. Dann ist die beste Deeskalationsstrategie, es zuzulassen.
Fazit
Deeskalation in angespannten Momenten braucht keine Zauberformeln, sondern vor allem Haltung. Wer Gefühle spiegelt, nachfragt, Kooperation anbietet oder sich ehrlich entschuldigt, nimmt Konflikten die Schärfe. Angehörige fühlen sich ernst genommen, Pflegende behalten die Kontrolle über die Situation. Und am Ende gilt ohnehin, was George Bernard Shaw einst sagte: "Im richtigen Ton kannst du alles sagen. Im falschen – nichts."