Zwar müssten Kliniken in Deutschland keinen Kollaps befürchten angesichts steigender COVID-19-Patientinnen und -Patienten. Der Engpass sei allerdings das Personal. Diese Auffassung vertrat Stefan Kluge, Chef der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, am Dienstag im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".
"Der Pflegemangel ist unser Hauptproblem", betonte Kluge. Das sei schon vor Corona so gewesen. Wenn mehr COVID-19-Betroffene auf Intensivstationen behandelt werden müssten, müsse Personal innerhalb einer Klinik umverteilt werden "und das führt zu einer Leistungseinschränkung der übrigen Bereiche, das muss uns ganz klar sein."
Aktuell würden 6 % der "Testpositiven" stationär im Krankenhaus aufgenommen, so Kluge. Ungefähr 2 % der Infizierten müssten auf eine Intensivstation. Die Gesamtzahl dieser Patientinnen und Patienten mit COVID-19 sei aktuell "noch relativ moderat". Freie Intensivbetten gebe es derzeit genug. Selbst wenn die Zahlen weiter stiegen, müsse niemand in Deutschland sterben, weil er kein Beatmungsbett bekomme.
Infiziertes Personal arbeitet weiter
Wie dramatisch der Personalmangel in der Pflege mancherorts ist, verdeutlicht ein Beispiel aus Bayern: In einer Lebenshilfe-Einrichtung im unterfränkischen Mellrichstadt arbeiten sogar mit Corona infizierte Pflegende weiter, damit die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner sichergestellt ist.
Sie hätten sich freiwillig dazu entschieden und hätten bislang keine Symptome, berichtete der Bayerische Rundfunk vor wenigen Tagen unter Berufung auf Aussagen des Geschäftsführers Jens Fuhl.
Ausnahmeregelungen in Bayern und Bremen
Deshalb habe das zuständige Gesundheitsamt eine Ausnahmeregelung erlassen. Das infizierte Personal kümmere sich ausschließlich um die ebenfalls infizierten Bewohnerinnen und Bewohner.
Dennoch würden für die Mitarbeitenden strenge Auflagen gelten: So dürften sie ihre Wohnungen nur verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Außerdem gebe es einen separaten Ein- und Ausgang für die betreffenden Personen.
Strenge Auflagen
Das Landratsamt Bad Neustadt betonte ausdrücklich, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handelt. Die positiv getesteten Pflegenden seien symptomfrei und versorgten unter Vollausstattung ausschließlich positiv Getestete. Die negativ getesteten Bewohnerinnen und Bewohner, die in einem gesonderten Trakt unter Quarantäne stünden, würden von negativ getestetem Personal versorgt.
Eine ähnliche Ausnahmeregelung erteilte die Gesundheitsbehörde in Bremen für ein Wohnheim für Menschen mit geistigen Behinderungen. 9 der 15 Menschen seien mit dem Corona-Virus angesteckt. Die Heimbewohner verstünden nicht, dass sie Abstand halten müssten, so ein Sprecher der Gesundheitsbehörde gegenüber dem Bremer Regionalmagazin "buten un binnen" in der vergangenen Woche. Sie in ihrem Zimmer zu isolieren, sei ebenfalls nicht möglich. Daher sollten nun einige der 10 ebenfalls positiv getesteten Mitarbeitenden die Versorgung dieser Menschen übernehmen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Mitarbeitenden keine Krankheitssymptome hätten und eine FFP2-Maske trügen.