Regina Brunnett, Krankenschwester und Professorin für Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit an der Hochschule Fulda, leitet das BMBF-geförderte Forschungsprojekt „RiGeV – Rassismen in der Gesundheitsversorgung“, in dessen Rahmen 19 qualitative Interviews mit Patient:innen über Rassismuserfahrungen geführt wurden. Wir befragten sie zu den Ergebnissen.
Frau Professorin Brunnett, ist Rassismus im Krankenhaus ein Randphänomen?
Nein, Alltagsrassismus ist sehr häufig, auch institutioneller und struktureller Rassismus kommen vor. Alle von uns interviewten Männer und Frauen berichteten von herablassenden Verhaltensweisen des ärztlichen und pflegerischen Personals wie ungewolltes Duzen, aggressive, unhöfliche oder gleichgültige Ansprache sowie spöttischen Bemerkungen.
Forschungsarbeiten haben mehrfach ergeben, dass Schmerzäußerungen von Migranten nicht ausreichend ernst genommen werden. Haben Ihre Interviewpartner Ähnliches berichtet?
Ja. Viele Interviewpartner:innen berichteten, dass Mitarbeitende ihnen die eigene Körperwahrnehmung – zum Beispiel Schmerzen, Wehen oder Schluckbeschwerden – absprachen und Dramatisierung unterstellten. In Folge wurden mehrfach zu wenige Schmerzmittel verabreicht, auch traten Komplikationen und schlechtere Krankheitsverläufe auf. Die schlechten Erfahrungen haben nicht selten das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung untergraben. Viele Interviewte geben an, dass sie solche Erfahrungen im Alltag sehr häufig machen. Als Folge der andauernden Kränkungen traten bei einigen Patient:innen psychische und psychosomatische Symptome wie Magenschmerzenoder Erschöpfung auf.
Was schlussfolgern Sie aus der Studie?
Krankenhäuser müssen aktiv werden, um Rassismus in der Gesundheitsversorgung abzubauen. Aus dem englischsprachigen Ausland sind vielversprechende Ansätze bekannt, zum Beispiel die Verankerung im Leitbild, die Etablierung von Diversitätskomitees, die Einrichtung von Beschwerdestellen und konsequente Sanktionen. Außerdem sollten rassismuskritische Inhalte in Ausbildung und Studium integriert und rassismuskritische Weiterbildungen für Pflegekräfte und Ärzt:innen angeboten werden. Das beinhaltet vor allem die Reflexion des eigenen Verhaltens, etwa im Rahmen von Supervisionen.