trans Personen erfahren vielfältige Formen von Diskriminierung und sind daher im Gesundheitssystem oft unsichtbar. Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zögen sich allerdings von Gesundheitsangeboten zurück. Sie nähmen präventive Maßnahmen weniger wahr und würden meist erst aktiv, wenn es fast zu spät sei, beschreibt Pädagoge und Gesundheitswissenschaftler Julius Rummich. Diese nachvollziehbare Reaktion hat Rummich im Rahmen einer Forschungsarbeit auf das sogenannte Minoritäten-Stress-Modell zurückführen können. Er untersuchte anhand einer Stichprobe, wie Pflegefachpersonen zu einer diskriminierungsfreien Pflege von trans Männern beitragen können. "Ziel ist es, durch eine Sensibilisierung des Pflegepersonals trans-spezifische Bedürfnisse zu berücksichtigen und eine respektvolle Pflege zu gewährleisten", so der Gesundheitswissenschaftler und Business Development Manager Healthcare gegenüber BibliomedPflege. Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen ermöglichten eine diskriminierungsärmere Pflege für alle Beteiligten.
Für trans-spezifische Bedürfnisse sensibilisieren
Der diagnostische Blick des Pflegepersonals, die Erfahrung, die es mitbringe, sei mit einfachen Methoden zu ergänzen. So hätten trans Personen andere medizinische Bedürfnisse, als Außenstehende – auch erfahrene Pflegefachpersonen – vermuteten. Beispielsweise könne es irritierend sein, wenn ein Mann einen gynäkologischen Termin vereinbare. Gelinge es dabei, diskriminierungsarme Situationen zu schaffen, reduziere das den psychischen Druck aufseiten der Pflegebedürftigen.
Rummich hat vor allem folgende Diskriminierungsformen identifiziert:
- Deadnaming und falsche Ansprache
Die Ansprache mit dem ehemaligen Namen oder dem falschen Pronomen. - Fehlendes Wissen des Fachpersonals
Vorannahme von Bedarfen ohne Nachfragen. - Unangemessene Neugier
Indiskrete Fragen, die anderen Personen auch nicht gestellt werden. - Verweigerung medizinischer Versorgung
Wie Termine für Vorsorgeuntersuchungen, Verweigerung der Medikation von Hormontherapien oder der notwendigen Monatshygiene.
Um trans Männer kompetent und respektvoll betreuen zu können, empfiehlt Rummich Pflegefachpersonen, folgende Maßnahmen zu beachten:
- Respektvolle Kommunikation: Bedarfe erfragen, korrekte Pronomen und Namen verwenden.
- Sensibilisierung und Fortbildung: Interne Schulungen zu den Gesundheitsbedürfnissen von trans Personen.
- Vermeidung von Deadnaming: Datenerfassungssysteme anpassen, um geänderte Namen korrekt zu vermerken.
- Barrierefreie medizinische Versorgung: Gynäkologische und andere notwendige Untersuchungen zugänglich und diskriminierungsfrei gestalten.
- Nutzung vorhandener Räume: Eine Nachfrage zur Transition sollte nicht vor den Ohren Dritter erfolgen. In der Abteilung vorhandene Räumlichkeiten sollten genutzt werden, um entsprechende Vier-Augen-Gespräche zu führen.
"Pflegefachpersonen spielen eine zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung von trans Männern – die Handlungsempfehlungen helfen allen Beteiligten", betont der Gesundheitswissenschaftler. Durch reflektierte und trans-sensitive Praxis könnten sie Barrieren abbauen und für eine diskriminierungsärmere Gesundheitsversorgung sorgen. Die Integration der vorgeschlagenen Empfehlungen sei auf alle Beteiligten übertragbar und damit ein wichtiger Schritt hin zu einem inklusiveren Gesundheitssystem.