Einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen stehen zu wenig Versorgungsangebote gegenüber. Allein in Nordrhein-Westfalen haben in diesem Jahr bereits dreimal so viele Pflegeeinrichtungen Insolvenz anmelden müssen wie im Vorjahr. Das hat der Kölner Stadt-Anzeiger unter Berufung auf das Landesgesundheitsministerium in dieser Woche berichtet.
Dreimal so viele Insolvenzen wie 2022
Demnach meldeten in den ersten zwei Quartalen 2023 insgesamt 73 Einrichtungen Insolvenz an. Im gesamten Jahr 2022 waren es nur 25.
Allerdings: Das Ministerium verweise auch darauf, dass "in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle die gemeldeten Überschuldungen nicht zu Schließungen der Leistungsangebote und einem damit verbundenen Wegfall von Plätzen in der stationären Pflege geführt haben". Die Einrichtungen seien stattdessen überwiegend von anderen Betreibern übernommen und weitergeführt worden.
Lage in der Branche kritisch
Die nordrhein-westfälische Landesgruppe des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) schlägt dennoch Alarm. bpa-Landesvorsitzender Bernhard Rappenhöner beschrieb die Situation vor Kurzem so:
"Massive Kostensteigerungen, die nicht vollständig refinanziert werden, ein wachsender Personalmangel, der längst für einen Rückgang der pflegerischen Angebote sorgt, und dann auch noch eine erschreckend schlechte Zahlungsmoral, insbesondere der Kreise und Kommunen. Die Mischung der Belastungen für die Pflegeeinrichtungen in NRW ist zunehmend existenzgefährdend."
Er warnte davor, nur auf Insolvenzen zu schauen und sprach von einem "stillen Kapazitätsabbau", wenn stationäre Einrichtungen aufgrund fehlenden Personals nicht mehr voll belegt werden könnten oder ambulante Dienste ihre Touren kürzten.
"Schlechte Zahlungsmoral" von Kreisen und Kommunen
Angesichts steigender Zahlen von Pflegebedürftigen sei aber im Gegenteil ein weiterer Ausbau der Versorgungsstruktur notwendig.
"Damit die bestehende pflegerische Versorgung gesichert und neue Angebote aufgebaut werden können, muss das Land für einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten und eine deutliche schnellere Anerkennung internationaler Pflegekräfte sorgen. Städte und Kreise müssen ihre Rechnungen rechtzeitig bezahlen und die Kostenträger müssen in den Verhandlungen angemessene Refinanzierungen für die Arbeit der Pflegeeinrichtungen zulassen."
Auch in Hessen bereiten insbesondere die wirtschaftliche Situation und Fachpersonalmangel stationären Pflegeeinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten Sorgen, wie eine Ad-hoc-Umfrage der Diakonie Hessen im Juni ergab.
Dass die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege noch prekärer ist als in der stationären Pflege zeigte auch eine bundesweite Umfrage von Diakonie Deutschland und Deutschem Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege.