Mit ihrem Podcast "Tatort Pflege" bringen die beiden Pflegefachpersonen und Pädagoginnen Anett Friedrich und Liane Fischer pflegerisches Handeln in all seiner Komplexität verständlich erläutert interessierten Hörerinnen und Hörern näher. Wir haben nachgefragt, warum sie sich dabei am Curriculum der neuen Pflegeausbildung orientieren, warum der Podcast auch für erfahrene Pflegefachpersonen einen Mehrwert bietet und welche Ziele die beiden mit ihrem Podcast verfolgen.
Frau Friedrich, Frau Fischer, in Ihrem Podcast teilen Sie sich in die Stimme der Intuition und der Vernunft auf. Warum?
Fischer: Die Einteilung ist als Synonym zu unseren Stimmen zu verstehen. Anett ist als Stimme der Vernunft die ruhigere, besonnenere von uns beiden und ich bin die, die gerne mal dazwischenquatscht (lacht).
Warum heißt Ihr Podcast ausgerechnet "Tatort Pflege"?
Friedrich: Unser Podcast heißt so, weil er sich mit Themen und Herausforderungen in der professionellen Pflege auseinandersetzt. Die Bezeichnung 'Tatort' soll dabei eine Assoziation zum gleichnamigen Krimi-Format der ARD hervorrufen und verdeutlichen, dass es in der Pflege oft um vielseitige Phänomene geht, rechtlich Relevantes, aber auch um Missstände, die aufzudecken, zu analysieren und anzugehen sind.
Die erste Folge Ihres Podcast ist Ende Januar ausgestrahlt worden. Mittlerweile ist die zwanzigste Folge online. Wie planen Sie die einzelnen Episoden?
Fischer: Wir gehen eine Folge stets didaktisch an und besprechen einzelne Pflegephänomene inhaltlich. Das machen wir oft zu zweit. Eine Folge dauert dann meist ungefähr 45 Minuten. Manchmal haben wir aber auch einen Gast. Dann nehmen wir uns schon mal bis zu 90 Minuten Zeit. Wir stellen einen konkreten Patientenfall vor, analysieren ihn und stellen Verbindungen zu den in der Pflegeausbildung geforderten fünf Kompetenzbereichen her. Alle Folgen beinhalten abschließend eine Zusammenfassung, Lösungen und Quellenangaben, um alles nachvollziehen und gegebenenfalls noch weiter vertiefen zu können.
Warum fokussieren Sie auf diese fünf Kompetenzbereiche?
Fischer: Wir wollen zeigen, wie komplex, aber auch professionell und wissenschaftlich der Pflegeberuf ist. Pflegende müssen Handlungskompetenz in unterschiedlichsten Schwerpunkten nachweisen können. Ich verstehe die Kompetenzbereiche als Lernziele. Pflegefachpersonen, die generalistisch ausgebildet werden, müssen fit sein in Pflegediagnostik, Kommunikation und Beratung, intra- und interprofessionellem Handeln. Außerdem müssen sie ihr eigenes Handeln auf Grundlage von Gesetzen, Verordnungen und Leitlinien reflektieren und begründen sowie das eigene Handeln wissenschaftlich und berufsethisch hinterfragen können. Das ist sehr anspruchsvoll und alles hängt miteinander zusammen: Ich kann die Pflegediagnostik nur gut machen, wenn ich die Pflegetheorien und alle wissenschaftlichen Assessments, wie die Braden-Skala beim Dekubitus, kenne. Ich muss rechtliches Know-how haben und evidenzbasiert handeln können.
Friedrich: Auch Menschen, die nicht im pflegeprofessionellen Kontext arbeiten und uns hören, verdeutlicht das, wie viel Pflegefachpersonen wissen und wie komplex der Beruf ist. Das Bild, dass die Gesellschaft von der Pflege hat, trifft eher auf den Job von Pflegeassistenten zu und nicht auf jenen von Pflegefachpersonen. Elementare Tätigkeiten wie die Assistenz beim Waschen oder Essen sind zweifelsohne wichtig. Aber der Gesellschaft ist nicht bewusst, dass professionelle Pflege viel mehr ist als das.
Inwiefern eignet sich das Format des Podcast, um die komplexen und anspruchsvollen Pflegethemen zu vermitteln?
Friedrich: Lernen mit einem Podcast ist eine Form des digitalen Lernens, die immer mehr an Beliebtheit gewinnt. Vor allem jüngere Menschen, Auszubildende und Studierende erreichen wir damit. Auf unterhaltsame Weise können sie so ihr Erlerntes aus dem Unterricht vertiefen.
Fischer: Insgesamt sehen wir digitales Lernen als wichtige Ergänzung zum traditionellen Unterricht. Das fördert kritisches Reflektieren und selbstgesteuertes Lernen. Indem Interessierte unsere Podcasts hören, können sie mehr Pflegefachwissen fallbezogen erfahren, um sich so zum Beispiel auch effektiv auf die mündlichen Abschlussprüfungen in der Pflegeausbildung vorzubereiten.
Ihr Podcast adressiert also primär Pflegeauszubildende?
Fischer: Genaugenommen sind die Inhalte für alle Menschen interessant, die mit Pflege zu tun haben. Jüngere Personen können mit unseren Podcasts lernen, pflegende Angehörige können Aspekte für ihre Pflege im häuslichen Umfeld rausziehen und Pflegefachpersonen, die schon viele Jahre in ihrem Beruf arbeiten, bleiben auf dem neuesten Stand und bilden sich fort mit unseren Folgen.
Friedrich: Die ehemalige getrennt erfolgte Ausbildung in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie die seit 2020 geltende generalistische Pflegeausbildung unterscheiden sich sehr voneinander. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, dass auch 'alte Hasen' uns hören, um die Unterschiede besser zu verstehen. Uns wurden da bereits viele 'aha-Momente' zurückgemeldet von Kolleginnen und Kollegen.
Wie viele Menschen hören Ihren Podcast?
Fischer: Pro Folge haben wir mittlerweile rund 700 Zuhörende. Insgesamt folgen unserem Kanal inzwischen mehr als 1.000 Interessierte.
Sie sind selbst in der Pflegebildung tätig. Nutzen Sie Ihren eigenen Podcast in Ihrem Unterricht?
Fischer: Passt das Thema des Podcast thematisch gerade in den Unterricht, nutzen wir ihn tatsächlich. Ich habe es im Rahmen der Praxisanleitung einmal eingesetzt als es um Seh- und Hörbeeinträchtigungen von Patientinnen und Patienten ging. Dann wird zunächst eine Fallsituation aus dem eigentlichen Curriculum besprochen und danach gibt es die Folge von uns dazu, um verschiedene Beispiele mit ähnlichem analytischem Herangehen zu haben.
Friedrich: Insbesondere für die Analysen sind Grund- und Basiswissen wichtig. Je mehr Beispiele herangezogen werden können zu einem Pflegephänomen, desto besser. Wir zum Beispiel haben teilweise erst nach unserer Ausbildung gelernt, die Pflegetheorie auf einen realen Patientenfall anzuwenden. Aber auch heute noch bereitet unser Bildungssystem nicht wirklich auf die Anforderungen während der Pflegeausbildung vor. Selbstorganisiertes Lernen, analytisches Denken und Verknüpfen sind Fähigkeiten, die meist erst mit dem Studium richtig trainiert werden. Im ersten Moment sind dann manche Azubis zu Beginn ihrer Ausbildung überfordert damit, dass sie oft viel selbst Ausarbeiten müssen.
Sie planen eine Evaluation Ihres Podcast. Warum?
Fischer: Genau. Wir sind dabei, Bachelor- oder Masterstudierende zu gewinnen für eine wissenschaftliche Auswertung unserer Inhalte. Je nach Thema einer Podcastfolge schreiben wir regelmäßig deutschlandweit Pflegeschulen an. Durch zahlreiche Gespräche wissen wir, wie bereichernd eine Folge im Unterricht für das Verständnis des Praxisbezugs oder hinsichtlich digitalen Lernens sein kann. Das wollen wir gerne auch evidenzbasiert evaluieren.
Friedrich: Zugegebenermaßen haben wir eine der schwersten Zielgruppen. Der eigene Lernanspruch und die Motivation sind bei vielen Pflegenden nicht so ausgeprägt. Das kann ich aber auch verstehen: Viele kommen nach der Arbeit oder der Schule völlig k.o. nach Hause. Dann fehlt einfach die Kraft, um sich noch weiter mit komplexen Pflegethemen zu beschäftigen. Vielleicht ist das aber auch den aktuellen Rahmenbedingungen in der Pflege geschuldet…
