Praxiserfahrungen des Klinikums Ansbach zeigen: Schmerzen können mithilfe eines professionellen Schmerzmanagements vermieden werden. Pflege spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Zwei Pain Nurses berichten aus ihrem Berufsalltag.
Nach einer Untersuchung zur Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern von 2010 litten 29,5 Prozent der Patienten postoperativ unter moderaten und 36,8 Prozent unter starken Schmerzen. Lediglich 12,4 Prozent der Patienten gaben an, postoperativ schmerzfrei gewesen zu sein (Maier, Nestler et al. 2010).
In vielen Krankenhäusern gibt es keine strukturierte postoperative Schmerztherapie. Die klare Zielsetzung, dass ein Patient nach einem operativen Eingriff wenige oder sogar keine Schmerzen haben sollte, ist sowohl unter Ärzten als auch unter Pflegenden noch nicht ausreichend verbreitet. Als weiterhin gegeben gilt, dass jeder Eingriff mit entsprechenden Folgeschmerzen verbunden ist.
Rechtliche Sicht
Jeder Patient hat heutzutage ein Recht auf eine adäquate Schmerztherapie. So wird zum Beispiel im Grundgesetz das „Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (GG Art. 2, Abs. 2 Satz 1) festgelegt. Im Sozialrecht wird „Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung, mit Linderung von Krankenhausbeschwerden" (SGB V §39 Abs. 1, SGB V § 27 Abs. 1) bestimmt. Von strafrechtlicher Seite kann durch Unterlassung von schmerzlindernden Maßnahmen eine Straftat im Sinne von § 223, 13 StGB (Körperverletzung durch Unterlassung) oder im Sinne von § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung) rechtlich belangt werden.
Bei den stetig steigenden Prozesszahlen im Medizinrecht kann man prognostizieren, dass in den nächsten Jahren auch vermehrt Patienten, die Schmerzen während eines Krankenhausaufenthaltes erleiden mussten, rechtliche Schritte einleiten werden. Jedes Krankenhaus ist somit von rechtlicher- und berufsmoralischer Seite dazu verpflichtet, eine adäquate Schmerztherapie für jeden Patienten in verschiedensten Lebensumständen zur Verfügung zu stellen. Aus diesen Gründen wurde das System des Akutschmerzdienstes entwickelt.
Struktur des Akutschmerzdienstes (ASD)
In den meisten deutschen Krankenhäusern wird der Akutschmerzdienst (ASD) von anästhesiologischer Seite geführt. Daraus ergibt sich, dass die Leitung des ASD im Idealfall einem Oberarzt der Klinik für Anästhesie- und Intensivmedizin mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie" übertragen wird. Der Leitende Arzt hat zusätzlich, entsprechend der Größe der jeweiligen Klinik, noch weitere Fachärzte in seinem Team zur Verfügung.
Aus pflegerischer Sicht übernimmt die Leitung eine fachweitergebildete Pflegekraft der Anästhesie idealerweise mit zusätzlicher Weiterbildung „Pain Nurse" (cekib Nürnberg) oder „Algesiologische Fachassistenz" (Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.).
In Rahmenverträgen wird genau beschrieben, welche Befugnisse und Verpflichtungen dem ASD zugeschrieben werden. Außerdem wird die Befugnis für das Pflegepersonal der peripheren Stationen im Rahmen eines Schmerzstandards festgelegt. Gleichzeitig unterzeichnet die Pflegedirektion die Befugnis, dass die Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, die eine Einweisung in den jeweiligen Schmerzstandard und den Umgang mit verschiedenen Medikamenten wie Opioide, NSAR, Metamizol und zum Beispiel Paracetamol erhalten haben, diese im Rahmen des Schmerzstandards selbst ansetzen und eskalieren dürfen.
Der Umgang mit verschiedenen Messskalen wie NRS, VAS, BESD und Doloplus wird ebenfalls in einer Schulung gelehrt. Die Schulung des Schmerzstandards muss sowohl von pflegerischer Seite als auch von ärztlicher Seite besucht werden, da auch viele Ärzte oftmals nur ein partielles Wissen auf dem Gebiet der systematischen Schmerztherapie besitzen.
Zu den strukturellen Rahmenbedingungen zählt die 24-stündige Erreichbarkeit einer Schmerzfachkraft. So wird z. B. im Schmerzstandard festgelegt, dass bei einem NRS von größer sieben ein dringliches Schmerzkonsil innerhalb von 30 Minuten durch einen Arzt des ASD durchgeführt werden muss. Dabei hat die zuständige Pflegekraft den ASD sofort zu verständigen, so dass der Patient möglichst schnell analgetisch kompetent versorgt werden kann.
Als Grundlage der postoperativen Schmerzstandards dient das WHO Stufenschema. Diese Standards sind somit die Basis der postoperativen Schmerztherapie. Jede Pflegekraft, die eine Schulung zum hauseigenen Schmerzstandard besucht hat, ist damit befähigt, den Schmerzstandard innerhalb der vorgegebenen Richtlinien anzuwenden und bei Bedarf die Schmerzmedikation zu eskalieren. Die Deeskalation darf hingegen nur vom behandelnden Arzt oder vom Aktschmerzdienst durchgeführt werden.
Anforderungsprofil einer Pain Nurse
Jede Pain Nurse muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in einem ASD tätig zu sein. Daraus ergibt sich folgendes Anforderungs- und Kompetenzprofil:
Fachliche Voraussetzungen:
- Krankenpflegeexamen
- Berufserfahrung
- Erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang „Pain Nurse"
Persönliche Voraussetzungen:
- Soziale Kompetenz
- Fachliche Kompetenz
- Bereitschaft zur eigenen Fortbildung
- Bereitschaft zur Ausbildung von Mitarbeitern
- Kommunikationsfähigkeit
- Persönliche Autorität
- Belastbarkeit und Flexibilität
Übergeordnet:
- Umsetzung und Anwendung des Schmerzkonzeptes
- Teilnahme an Fortbildungen im Bereich Schmerzmanagement
- Teilnahme an den Qualitätszirkeln
- Weiterleitung von Verbesserungsvorschlägen an den Qualitätszirkel
- Mitarbeit an der Weiterentwicklung des Schmerzmanagements
- Schulungen von Pflegepersonal auf Station
- Ausbildung von Schmerzmentoren auf Station
- Fehlerlisten erstellen und bearbeiten
Tägliche Aufgaben einer Pain Nurse
Die diensthabende Pain Nurse hat eine feste Arbeitszeit von 7.00 bis 15.30 Uhr. Am Morgen beginnt sie mit dem zuständigen ASD-Arzt mit der Visite der ASD-Patienten. Bei dieser Visite wird jeder Patient mit einem invasiven Schmerztherapieverfahren besucht. Während des Gesprächs mit dem Patienten werden folgende Punkte kontrolliert und erfragt: