Ein Artikel in der „Zeit“? Ein Interview in der „Süddeutschen“? Klappt eh nicht, denken viele und fragen gar nicht erst an. Dabei können pflegewissenschaftliche Projekte und Einschätzungen auch für die allgemeine Presse interessant sein. Einige Tipps zum Vorgehen.
„Ist mein Projekt überhaupt interessant genug? Andere machen doch bestimmt viel spannendere Sachen.“
Wer so denkt, dem wird es schwerfallen, aktiv auf die Presse zuzugehen. Und fragt sich vielleicht auch: Warum sollte ich das überhaupt tun? Schließlich habe ich mehr als genug zu tun. Pressearbeit gehört doch gar nicht zu meinen Aufgaben.
Das mag zwar stimmen, trägt aber dazu bei, dass Pflegeforschung und -wissenschaft in der Öffentlichkeit relativ unsichtbar bleiben. Eine Recherche zeigt: In den allgemeinen Medien kommen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler nur selten zu Wort. 2021 wurden in acht großen deutschen Medien von der „Bild“ bis zur „Zeit“ insgesamt nur 35 Artikel veröffentlicht, in denen pflegewissenschaftliche Experten beziehungsweise Studien zitiert wurden [1]. Das sind weniger als drei Artikel pro Monat.
Das ist sehr schade – denn ganz gleich, ob Pandemie, Pflegereform oder Personalnotstand: Es gibt viele gesellschaftlich relevante Themen, bei denen Pflegewissenschaftler eine fundierte Einschätzung geben und die öffentliche Diskussion bereichern könnten.
Es sich lohnt sich, Pflegeprojekte bekannter zu machen
Es muss nicht gleich der „Spiegel“ oder die „Zeit“ sein. Jede Veröffentlichung in den allgemeinen Medien, die ein Pflegeprojekt vorstellt oder ein Thema aus pflegewissenschaftlicher Sicht kommentiert, sorgt für notwendige Öffentlichkeit.
Pflege wird gesellschaftlich nach wie vor mit Care-Arbeit, mit Fürsorge und Sichkümmern in Verbindung gebracht und nicht mit wissenschaftlicher Expertise. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass Journalistinnen und Journalisten selten Pflegewissenschaftler zu Wort kommen lassen – einfach weil sie nicht „auf dem Schirm“ haben, dass es diese Expertinnen und Experten gibt.
Mehr Öffentlichkeit für die Pflegewissenschaft ist also ein wichtiger Grund, sich mit seinem Projekt oder seiner Expertise an die allgemeine Presse zu wenden. Darüber hinaus gibt es weitere gute Gründe, warum sich Pressearbeit – ob das Schreiben eigener Artikel oder das Sprechen mit Journalisten – lohnt: Das Projekt wird bekannter, die eigene Einrichtung präsentiert sich in einem guten Licht (was auch für die Nachwuchsgewinnung wichtig ist) und über Pflege wird mal nicht – wie sonst meist – im Zusammenhang mit Negativschlagzeilen berichtet, sondern mit Kompetenz und Lösungen.
Wie sich Fach- und allgemeine Medien unterscheiden
Bei jedem Projekt sollten schon frühzeitig Presseaktivitäten mitgedacht werden – sowohl Fachveröffentlichungen als auch Artikel in der allgemeinen Presse.
Ein guter Zeitpunkt für Veröffentlichungen ist, wenn ein Forschungsprojekt oder eine wissenschaftliche Arbeit abgeschlossen ist. In der Regel macht es jedoch Sinn, sich schon etwas früher an die (Fach-)Presse zu wenden. Je nach Erscheinungshäufigkeit planen Magazine oft langfristig, sodass eine etwas frühere Ansprache sinnvoll sein kann.
Ein großer Unterschied zwischen den Medien: In der Fachpresse schreiben die Expertinnen und Experten meist selbst, in den allgemeinen Medien schreiben Journalistinnen und Journalisten über ein Projekt oder Thema und lassen Fachleute in Form von Statements zu Wort kommen. Grundlage ist in der Regel ein vorheriges Telefonat, aus dem die Journalisten passende Zitate auswählen. Wenn Sie sich als Experte für ein solches Gespräch zur Verfügung stellen, ist eine Freigabe Ihrer Zitate zwar möglich – in der Regel aber nicht üblich, vor allem nicht in der lokalen Presse.
Interviews sind sowohl in der allgemeinen als auch in der Fachpresse eine beliebte Darstellungsform. Bei dieser Variante hat die interviewte Person das Recht, das Interview vorher zu lesen und freizugeben (beziehungsweise zu autorisieren).
Grundsätzlich richten sich Artikel in den allgemeinen Medien an eine „breite“ Öffentlichkeit. Daher sollten sie möglichst für jeden verständlich sein. Dazu werden komplexe Sachverhalte oft vereinfacht dargestellt. Von den Experten erfordert das, dass sie ihr Thema im Gespräch mit Journalisten in wenigen Sätzen verständlich und interessant „herunterbrechen“ können. Das erfordert etwas Übung und eine gute Vorbereitung auf ein Gespräch mit der Presse.
Tipps zur Ansprache von allgemeinen Medien
Es kann vorkommen, dass die Presse von sich aus auf Sie zukommt und um ein Telefonat oder Interview bittet. Doch meist wissen die Journalisten nichts von Ihrem Projekt. Daher kann es sinnvoll sein, von sich aus mit Redaktionen in Kontakt zu treten und Ihr Thema oder Projekt vorzuschlagen. Dabei ist es wichtig, gezielt vorzugehen:
- Tipp 1: Ein passendes Thema überlegen. Bevor Sie sich an die Presse wenden, sollten Sie sich überlegen, welches Thema Sie anbieten möchten. Je nach Redaktion kann das Thema unterschiedlich sein oder einen anderen Schwerpunkt haben. Wenn Sie zum Beispiel ein neues Konzept zur Unterstützung stillender Mütter in Ihrem Krankenhaus eingeführt haben, könnte das für die Lokalzeitung interessant sein. Wenn Sie parallel eine Befragung zu typischen Stillproblemen nach der Entlassung durchgeführt haben, könnten Sie die Ergebnisse auch einem Eltern- oder Frauenmagazin anbieten. Zusätzlich könnten Sie sich bei entsprechenden Redaktionen als pflegewissenschaftliche Expertin zum Thema Stillen vorstellen. Oft haben Journalisten ihre eigene Expertenliste, die sie nutzen, wenn sie zu einem Thema mal schnell einen Experten oder eine Expertin suchen.
- Tipp 2: Besser wenig und gezielt ansprechen als breit streuen. Um die allgemeine Presse anzusprechen, werden gerne Pressemitteilungen verschickt. Allerdings bringen diese oft wenig, da Journalisten täglich unzählige Pressemitteilungen erhalten. Sie haben gar nicht die Zeit, alle zu lesen, sondern scannen kurz die Betreffzeile – und wenn diese wenig Interessantes verspricht, landen viele Pressemitteilungen ungelesen im digitalen Mülleimer. Als bekannte Institution und mit größeren Forschungsprojekten hat man mit einer Pressemitteilung bessere Chancen, bei kleineren Projekten ist eher eine gezielte, individuelle Ansprache einzelner Redaktionen zu empfehlen.
- Tipp 3: Das richtige Medium auswählen. Überlegen Sie vorab, in welchem Magazin oder welcher Zeitschrift Sie gerne einen Artikel von Ihrem Projekt sehen würden. Von Vorteil ist, wenn Sie das Medium kennen und schon mal selbst gelesen haben. So wissen Sie, in welchem Stil die Redaktion berichtet, welche Rubriken es gibt und welche Darstellungsformen – Interviews, Reportagen, Kommentare etc. – genutzt werden. So können Sie gezielt für eine bestimmte Rubrik ein Angebot machen.
- Tipp 4: Die richtige Ansprechperson finden. Während Fachredaktionen in der Regel klein sind und die Ansprechpersonen sich leicht im Internet finden lassen, ist das in der allgemeinen Presse deutlich schwieriger. Nutzen Sie auf keinen Fall die redaktion@- oder info@-Adresse. Hier wird Ihr Anschreiben in der Regel untergehen. Machen Sie sich die Mühe, den zuständigen Redakteur oder die Redakteurin für Ihr Thema zu finden. Dazu können Sie im Impressum der Zeitschrift/des Magazins nachschauen, wer für das Ressort Gesundheit zuständig ist. Oder Sie rufen einfach bei der Redaktion an und fragen die Redaktionsassistentin, wer das entsprechende Ressort betreut. Bei Online-Magazinen kann man schauen, welcher Redakteur regelmäßig schreibt und Interviews führt. Nicht vergessen: Auch freie Journalisten können gute Ansprechpartner sein, wenn diese regelmäßig zu einem bestimmten Thema – Ihrem Thema – veröffentlichen.
- Tipp 5: Ein individuelles Angebot machen. Wenn Sie die richtige Ansprechperson kennen, können Sie ihr einen Themenvorschlag machen, der genau zur Publikation passt. Erläutern Sie in wenigen Sätzen Ihr Anliegen. Bleiben Sie dabei so verständlich wie möglich, damit der Redakteur sofort versteht, worum es geht. Sie können sich als Gesprächs- oder Interviewpartner anbieten oder den Redakteur auch in Ihre Einrichtung einladen, damit er vor Ort berichten kann (bei Einladungen in jedem Fall die Presseabteilung einbinden). Sinnvoll ist, die Betreffzeile so zu formulieren, dass sie neugierig macht, aber möglichst eindeutig ist, zum Beispiel: „Neue Studie: Stillen – frühe Klinikentlassung birgt Risiken“.
- Tipp 6: Einen Aufhänger für das Thema finden. Mit einem aktuellen Aufhänger haben Sie bessere Chancen. Möchten Sie zum Thema Stillen veröffentlichen, hätte zum Beispiel die Pandemie ein guter Aufhänger sein können: „Stillen unter Corona: Was hat sich geändert?“ Auch lohnt ein Blick, ob es passende Aktionstage gibt. Zum Thema Stillen könnte zum Beispiel die anstehende „Weltstillwoche“ (alljährlich in der 40. Kalenderwoche) ein guter Zeitpunkt sein, um Redaktionen anzusprechen. Dann sollte man allerdings ausreichend Vorlauf für die Redaktionen einplanen, gerade bei monatlich erscheinenden Magazinen. Auch das sogenannte Sommerloch kann ein guter Zeitpunkt sein.
- Tipp 7: Die Presseabteilung einbinden. Wenn Sie über ein Projekt berichten, das an Ihrem Haus stattfindet, sollten Sie die Presseabteilung in jedem Fall informieren. So vermeiden Sie, dass die Mitarbeitenden dort nicht wissen, worum es geht, sollte es Rückfragen seitens der Presse geben. Wenn Sie Ihr Wissen als Forschende weitergeben möchten – ohne Bezug zu Ihrer Einrichtung – können Sie auch direkt an die Presse herantreten – dann möglichst über Ihre private Mailadresse. Sinnvoll ist in jedem Fall, sich im Vorfeld mit der Presseabteilung abzusprechen, wenn Sie Presseaktivitäten planen: Stellen Sie sich vor, berichten Sie über den Stand Ihrer Projekte und fragen Sie nach Wünschen in der Zusammenarbeit. Bedenken Sie: Auch die Pressestelle ist oft eng besetzt und vielleicht froh, wenn Sie selbst aktiv werden.
Einen langen Atem behalten
Pressearbeit ist nichts, was auf die Schnelle Erfolg bringt. Nicht jede Anfrage führt zum Artikel und mitunter gibt es auch keine Rückmeldung. Trotzdem: Wenn von fünf Anfragen zwei beantwortet werden und eine zu einer Veröffentlichung führt, ist das ein gutes Ergebnis. Es ist wichtig, Absagen nicht persönlich zu nehmen – denn Redaktionen haben aus vielen Themen und Anfragen auszuwählen. Vielleicht merkt sich der zuständige Redakteur auch Ihren Kontakt und meldet sich erst drei Monate später bei Ihnen. Es braucht immer einen langen Atem und ein kontinuierliches „Dranbleiben“, wenn es um Pressearbeit geht.
Sich an die Presse zu wenden, hat auch nichts mit Anbiedern zu tun. Im Gegenteil: Fach- und andere Redaktionen sind darauf angewiesen, dass ihnen Themen vorgeschlagen und sie über neue Projekte oder Studien informiert werden. Zeitraubend für die Redaktionen ist lediglich, wenn die Angebote thematisch und vom Format her überhaupt nicht passen. Das können Sie durch eine gute Vorbereitung vermeiden.
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, Forschende schon frühzeitig in der Wissenschaftskommunikation zu schulen und zu begleiten. Noch wird dieses Thema nur selten an Hochschulen angeboten. Je mehr Know-how Pflegewissenschaftler haben, desto eher werden sie aktiv an die Presse herantreten. So könnten schöne Projekte öfter präsentiert werden und die Pflege kann mit Kompetenz und Expertenwissen punkten.
[1] Teigeler B. Pflegewissenschaft in den Medien – Fehlanzeige? Die Schwester | Der Pfleger 2022: 60 (5): 46–49