Der Wettbewerb um Personal wird für Kliniken zur Überlebensfrage. Langfristig punkten können Kliniken, die ihre Prozesse und Arbeitsstrukturen so umstellen, dass sie ihren Pflegenden optimale Bedingungen bieten. Flache Hierarchien, Flexibilität, Selbstorganisation, Wertschätzung – diese Benefits sorgen für mehr Arbeitgeberattraktivität und eine langfristige Bindung.
Flexibles und selbstorganisiertes Arbeiten ist entscheidend für die Zufriedenheit von Pflegekräften. Einen Königsweg gibt es dabei nicht. Vielmehr sind Ideenreichtum und Mut gefordert, gewohnte Pfade zu verlassen. Die Knappschaft Kliniken setzen zum Beispiel auf das eigens entwickelte Gütesiegel „pflegeattraktiv“, das etwa die Pflegedirektion als Bestandteil der Unternehmensleitung vorsieht. Kliniken, die das Gütesiegel anstreben, müssen innerhalb von drei Jahren ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Pflegekräfte zufrieden arbeiten, sich weiterentwickeln können und Wertschätzung erfahren. „Es handelt sich quasi um ein ‚Vorschusszertifikat‘“, beschrieb die Vorsitzende des Bundesverbands Pflegemanagement sowie Referentin der Medizinischen und Pflegerischen Direktion der Knappschaft Kliniken in Dortmund, Sarah Lukuc. „Zum Zertifizierungszeitpunkt muss noch nicht alles perfekt sein. Wir wollen aber sehen, dass sich die Einrichtung auf den Weg macht, Verbesserungen zu erzielen.“
Die GFO Kliniken Bonn wiederum haben mit einem „Pflexbüro“ binnen 250 Tagen 100 Mitarbeitende für die Pflege gewinnen können, davon die Hälfte Pflegende, die den Beruf bereits an den Nagel gehängt hatten, berichtete Thorsten Schütze, inzwischen Geschäftsführer am Kreiskrankenhaus Mechernich. Das entspreche 40 Vollzeitkräften.
„Frei ist plötzlich frei“
Wichtig sei, in Kliniken nicht nur Pflexpools einzurichten, sondern über das Pflexbüro transparente und verbindliche Spielregeln zu etablieren sowie eine Anlaufstelle für Fragen und Probleme anzubieten. Standardmäßig seien so etwa 60 Prozent der kurzfristigen Personalausfälle in der Pflege abzudecken, teilweise sogar weit über 90 Prozent, weil viele Mitarbeiter freiwillig Zeit aufstockten, wenn sie merkten, wie verbindlich Absprachen sind. „Frei ist plötzlich frei und das Vertrauen in den Arbeitgeber wächst“, so Pflexpoolmanagerin und Assistentin der Leitung im Zentralbereich Pflege bei der Marienhausgruppe, Nadine Loth.
Eine neu organisierte Visite am Patientenbett ist für den Leiter Qualitäts- und Organisationsentwicklung der Kliniken Südostbayern, Reinhold Frank, zentrales Element für die „Lean Bettenstation“. Das konsequente Arbeiten nach einer Matrix und zusätzliche digitale Devices wie Tablets hätten die Dokumentation entscheidend verändert: Die Visite am Bett spare 52 Minuten je Pflegefachperson ein, das Pflegepersonal sei weniger gehetzt, zufriedener, habe mehr Zeit für Patienten und auch die Kommunikation im Team sei besser geworden. Die Visite am Bett reduziere Fehler, Wege, Unterbrechungen und Nacharbeiten. „Gemeinsam und dauerhaft die richtigen Dinge richtig tun, darauf kommt es an. Hinter dieser Devise muss aber auch die gesamte Einrichtung stehen“, sagte Frank.
Krankenhäuser haben es selbst in der Hand
Gänzlich ohne Stationsleitung kommt das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau in der Viszeralchirurgie aus. Das Pilotprojekt „Meine Station“ verfolge einen selbstorganisierten Ansatz, in dem die Mitarbeitenden nicht in Hierarchien, sondern in Rollen arbeiteten, erklärte Chefarzt Friedrich Hubertus Schmitz-Winnenthal. „Das Stationsteam kann die Arbeitsbedingungen selbst gestalten“, ergänzte die Pflege-Pionierin im Projekt, Johanna Stecher. Der Dienstplan werde in einer Excel-Tabelle gemeinschaftlich erstellt. Die Teamkoordination erfolge nicht über eine Leitungsfunktion, sondern wechsele in jeder Schicht und könne von jeder Person übernommen werden. Ein Rollenboard veranschauliche, wer welche Rolle in der jeweiligen Schicht innehabe. „Menschen wollen nicht gemanaged werden. ‚Meine Station‘ ermöglicht ein sehr dynamisches, agiles und wertschätzendes Arbeiten“, so der Chefarzt.
Im Wettbewerb um Fachpersonal seien attraktive Arbeitsbedingungen immer entscheidender, resümierte die Moderatorin der Session auf dem DRG-Forum, f&w-Redakteurin Lena Reseck. Krankenhäuser hätten es dabei selbst in der Hand, mit eigenen Projekten und gemeinsam mit dem Pflegepersonal die richtige Richtung einzuschlagen.