Jede halbe Stunde stirbt ein Mensch vermeidbar an Sepsis, denn nach wie vor wird die Erkrankung oft zu spät erkannt. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat daher eine große Aufklärungskampagne gestartet, die auch den Blick des klinischen Fachpersonals schärfen will.
Sepsis ist im Vergleich zu anderen tödlichen Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall nach wie vor eine eher unbekanntere. Die Folgen des mangelnden Wissens sind tragisch: Expertenschätzungen zufolge wären in Deutschland 15.000 bis 20.000 Todesfälle aufgrund von Sepsis vermeidbar, wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt und sofort richtig behandelt werden würde.
Es geht nicht „nur“ um die Todesfälle, sondern auch um die Folgeschäden für diejenigen, die eine Sepsis überleben. Denn viele von ihnen leiden unter dauerhaften Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, des Gedächtnisses oder haben Depressionen und Schmerzen.
Dabei sind die Heilungschancen der Sepsis als gut zu bezeichnen – wenn sie rechtzeitig behandelt und richtig therapiert wird. Das Wichtigste: Die Therapie muss so schnell wie möglich, am besten innerhalb von einer Stunde nach der Diagnose, einsetzen. Studien zeigen, dass die Sterblichkeit mit jeder Stunde einer verspäteten Antibiotikagabe um ca. sieben Prozent zunimmt.
Kampagne "Deutschland erkennt Sepsis": Infomaterial für klinisches Fachpersonal
Egal ob in der ambulanten Praxis, in der Notaufnahme oder im Rettungsdienst, in der ambulanten oder stationären Pflege, die Frage „Könnte es Sepsis sein?“ kann viele Leben retten. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit möchte klinisches Fachpersonal deshalb dabei unterstützen, Patientinnen und Patienten optimal zu versorgen. Die Website der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ (www.deutschland-erkennt-sepsis.de) enthält zahlreiches Informationsmaterial, etwa die Broschüre „Sepsis geht alle an! Handlungsempfehlung für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe“.
Die Gesundheitsfachberufe erreichen
Umso wichtiger ist, eine Sepsis schnell zu diagnostizieren. Doch genau hier liegt die Crux. Denn die Bevölkerung ist über die Symptome einer Sepsis kaum aufgeklärt und sogar manch ein Notarzt erkennt die Anzeichen nicht. Selbst wenn eine Sepsis erkannt wird, werden nicht immer zeitgerecht die richtigen Maßnahmen ergriffen.
Das Thema Sepsis ist dem Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) so wichtig, dass der Verein zum ersten Mal in der über 15-jährigen Geschichte des Bestehens seine gewohnte Arbeitsweise überschritten hat und seine gebündelte Kraft einer Aufklärungsinitiative widmet, und zwar unter dem Motto #DeutschlandErkenntSepsis. Das APS hat diese Kampagne über Monate vorbereitet und ist kürzlich offiziell mit einer Pressekonferenz, Launch einer Website und einem ersten aufmerksamkeitsstarken Film gestartet. All dies soll deutlich machen: Sepsis ist ein Notfall!
#DeutschlandErkenntSepsis möchte die breite Bevölkerung und die Gesundheitsfachberufe erreichen. Die Kampagne möchte aufklären. Hier erfolgen Aktionen im Bündnis. Ganz eng schloss sich das Aktionsbündnis Patientensicherheit dafür mit drei weiteren im Bereich Sepsis engagierten Organisationen zusammen: Gemeinsam mit den Koopera- tionspartnern Sepsis-Stiftung, Deutsche Sepsis-Hilfe und dem Sepsisdialog der Universitätsmedizin Greifswald will das APS die Bevölkerung und auch ganz gezielt medizinisches Personal über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Sepsis informieren. Wenn hohes Fieber, Verwirrtheit bzw. Desorientierung oder Persönlichkeitsveränderungen und extremes Krankheitsgefühl zusammenkommen, dann muss dringend die Frage gestellt werden: „Könnte es Sepsis sein?“
Kliniken werden sicherer
Erster Unterstützer der Kampagne vonseiten der Krankenhäuser in Deutschland ist die Asklepios-Klinikengruppe. Sie nahm den Welttag der Patientensicherheit schon 2019 zum Anlass und entwickelte für das Klinikpersonal eine Entscheidungshilfe in Form eines Posters. Es unterstützt die pflegerischen und ärztlichen Mitarbeitenden, bei bestimmten Symptomkonstellationen eine Sepsis so schnell wie möglich zu erkennen. Außerdem werden konzernweit die Mitarbeitenden geschult und mit Fallbeispielen und Hintergrundinformationen versorgt.
Jede Fachkraft trifft in der Notaufnahme eine Vielzahl von Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit. Es muss z. B. eingeschätzt werden, wie schnell ein Patient oder eine Patientin ärztlich untersucht und behandelt werden muss. Das Poster „Sepsis erkennen – Leben retten“ des APS ist eine Ergänzung der bestehenden Asklepios-Standards, damit keine Sepsis im Frühstadium übersehen wird (Abb. 1). Die Früherkennung ist neben der Infektionsprävention durch Hygienemaßnahmen und Impfungen eine wichtige Säule zur Reduktion der Sepsissterblichkeit in Deutschland.

Auch über die Grenzen von Asklepios hinaus kann medizinisches Personal an Schulungen teilnehmen: Dr. Sebastian Casu, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme der Asklepios Klinik Wandsbek in Hamburg, schult sehr aktiv unter dem Stichwort „Sepsis in der Präklinik“.
Erste spezialisierte Pflegefachperson in Greifswald
Die Universitätsmedizin Greifswald bietet mit dem „Sepsisdialog“ ein Schulungsprogramm an, bei dem auch Casu Teil der vortragenden Expertinnen und Experten ist.
Die Universitätsmedizin Greifswald gilt als Best-Practice-Beispiel beim Sepsis- Qualitätsmanagement. Durch kontinuierliche Schulungsprogramme, die Bereitstellung von Info- und Ausbildungsmaterialien, die Erfassung von Qualitätsparametern und die klinikinterne Finanzierung der deutschlandweit ersten auf Sepsis spezialisierten Pflegefachperson wurde erreicht, dass in der Universitätsmedizin Greifswald die Sepsissterblichkeit niedriger ist als in den meisten anderen deutschen Kliniken.
Um Sepsis früh zu erkennen, ist das regelmäßige Screening von Risikopatientinnen und -patienten zum Beispiel in der Notaufnahme oder im Rettungsdienst nach feststehenden Kriterien hilfreich. Im Rahmen der Sepsis- diagnostik ist eine rund um die Uhr verfügbare Blutkulturdiagnostik, deren Abfolge auf den zeitkritischen Ablauf einer Sepsis abgestimmt sein muss, aus Sicht des Sepsisdialogs unverzichtbar. Inhaltliche Schwerpunkte der vergangenen Jahre waren daher Personalschulungen auch in der Sepsisakademie, die kontinuierliche Erfassung von Qualitätsparametern wie beispielsweise die Zeit bis zur Gabe des ersten Antibiotikums (Erfassung durch die spezialisierte Pflegefachperson) und die schrittweise Einführung einer 24-Stunden/Sieben-Tage-Notfall-Blutkulturdiagnostik.
Weiterer wichtiger Kernpunkt der Idee von #DeutschlandErkenntSepsis ist, dass alle Einrichtungen und Akteure des Gesundheitswesens dazu motiviert werden sollen, mit ihren eigenen Kommunikationskanälen und Verbreitungsmöglichkeiten zur Kampagne beizutragen. Alle profitieren von mehr Bewusstsein über Sepsis – und alle haben Möglichkeiten, sich tatkräftig der Kampagne anzuschließen.