Die Kammer in Rheinland-Pfalz feiert ihr fünfjähriges Bestehen, in Nordrhein-Westfalen hat der Errichtungsprozess begonnen, in Niedersachsen soll die Kammer aufgelöst werden. Was hat sich sonst in Sachen Pflegekammer getan? Ein Überblick.
Schleswig-Holstein: Abstimmung über Fortbestand der Kammer im Februar 2021
Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein vertritt seit April 2018 als Körperschaft des öffentlichen Rechts die rund 27.000 Pflegefachpersonen im Land. Sie wurde 2015 von der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW auf den Weg gebracht.
Mitte 2017 hat es einen Regierungswechsel in Kiel gegeben. Seitdem regiert eine „Jamaika-Koalition“ aus CDU, Grünen und FDP. Letztere hat aus ihrer Ablehnung der Kammer nie einen Hehl gemacht. Die CDU folgt ihrem kleinsten Koalitionspartner – anders als in anderen Bundesländern, in denen die CDU Pflegekammern befürwortet. So entschied der Landtag im Dezember 2019, eine Abstimmung unter den Mitgliedern durchzuführen. Auf diese Weise soll das Stimmungsbild und die Haltung der Pflegefachpersonen im Land zur Kammer aufzeigen. CDU und FDP haben betont, dass sie das Ergebnis für politisch bindend ansehen.
Im Gegensatz zur Mitgliederbefragung in Niedersachsen wird die Abstimmung in Schleswig-Holstein als Briefwahl erfolgen. Die Abstimmung soll Ende Februar abgeschlossen sein. Im März soll das Ergebnis verkündet werden.
Stillstand in Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine Bestrebungen der Landesregierung aus SPD und CDU zur Gründung einer Pflegekammer. Das Ministerium will die Erfahrungen der anderen Bundesländer weiter abwarten.
Zweiter Anlauf in Hamburg?
Der im Juni 2020 vorgelegte Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen in der Freien und Hansestadt Hamburg sieht die „Möglichkeit einer erneuten Vollbefragung aller Hamburger Pflegekräfte zur Gründung einer Landespflegekammer“ vor. Laut Vereinbarung werde im Fall eines positiven Votums eine entsprechende Anpassung im Hamburgischen Kammergesetz vorgenommen und eine Anschubfinanzierung für die Gründungsphase der Pflegekammer beschlossen. Die langfristige Finanzierung sei aus einkommensabhängig gestaffelten Mitgliedsbeiträgen der Kammermitglieder zu bestreiten.
Eine erneute Vollbefragung wäre der zweite Anlauf zur Gründung einer Pflegekammer in Hamburg: Anfang 2014 hatten sich in einer repräsentativen Befragung 36 Prozent der Hamburger Pflegefachpersonen für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen, 48 Prozent votierten dagegen, 16 Prozent enthielten sich. Hauptgründe für die Ablehnung waren die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundenen Mitgliedsbeiträge.
Bremen: Arbeitnehmer- statt Pflegekammer
Die rot-rot-grüne Landesregierung der Freien Hansestadt Bremen hat 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Auf Drängen der Grünen war die Prüfung zur Gründung einer Pflegekammer in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Allerdings sind die SPD und die Linken gegen eine berufsständische Selbstverwaltung für die Pflege, weil Bremen – wie das Saarland – über eine Arbeitnehmerkammer verfügt, in der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Auszubildende Pflichtmitglieder sind. Sie finanzieren die Arbeitnehmerkammer durch 0,15 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Weil die Bremer Pflegefachpersonen schon Mitglied in der Arbeitnehmerkammer seien, könne man ihnen keine zusätzlichen Pflichtbeiträge zumuten, so die Ansicht von SPD und Linken.
Pflegekammer Niedersachsen vor der Auflösung
Die Landesregierung in Niedersachsen hat im November 2020, knapp zwei Monate nach der Entscheidung der Mitglieder zur Auflösung der Pflegekammer, das dafür erforderliche Gesetz auf den Weg gebracht.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Pflegekammer nach Inkrafttreten des Gesetzes sechs Monate Zeit bleiben, um die anfallenden Aufgaben der Abwicklung wie das Kündigen von Verträgen zu erledigen. Die dann noch verbliebenen Aufgaben übernehme das Land in seiner Funktion als Rechtsnachfolger. Schon jetzt sei mit der Pflegekammer vereinbart, dass keine langfristigen Verträge mehr abgeschlossen werden dürfen. Die Regelung von Weiterbildungen werde wieder auf das Land übergehen, das laut Gesetz dazu ermächtigt werde, eine Weiterbildungsordnung zu erlassen. Parallel zum Auflösungsgesetz soll in einem gesonderten Gesetz die Rechtsgrundlage für die Rückzahlung der Mitgliedsbeiträge aus den Jahren 2018 und 2019 geschaffen werden. Das Land werde hierfür rund vier Millionen Euro bereitstellen, damit die Pflegekammer in der Folge mit der Rück- erstattung der Beiträge beginnen kann.
Die Pflegekammer Niedersachsen hatte im August 2018 ihre inhaltliche Arbeit aufgenommen. Seitdem kam es immer wieder zu teilweise heftigen Protesten von Mitgliedern, v. a. wegen der zu zahlenden Mitgliedsbeiträge. Die Kammer selbst sorgte wiederholt für Negativschlagzeilen, etwa wegen fehlerhaft versandter Beitragsbescheide und häufiger Vorstandswechsel.
In einer Online-Abstimmung im Sommer 2020 stimmten rund 71 Prozent der Mitglieder gegen den Fortbestand der Kammer – allerdings gaben von den rund 78.000 Stimmberechtigten nur 15.100 ihr Votum ab.
Nordrhein-Westfalen: Kammer nimmt 2022 Arbeit auf
In Nordrhein-Westfalen hat im September 2020 der Errichtungsausschuss seine Arbeit aufgenommen; Vorsitzende ist die bisherige Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Sandra Postel. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen wird voraussichtlich im April 2022 offiziell gegründet werden. Als größte Pflegekammer Deutschlands wird sie die Interessen von etwa 200.000 bis 220.000 Pflegefachpersonen vertreten.
Hessen: Stillstand nach Negativvotum
Die schwarz-grüne Landesregierung Hessens plant aufgrund einer Online-Befragung im Sommer 2018, in der sich 51,1 Prozent der Teilnehmenden gegen und 42,9 Prozent für eine Pflegekammer ausgesprochen hatten, kein Selbstverwaltungsorgan für die Profes- sion Pflege.
Pflegeverbände hatten die von der Landesregierung beauftragte Befragung als methodisch nicht einwandfrei bemängelt. Laut Deutschem Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Südwest sei die Erhebung „völlig übereilt herbeigeführt“ und zudem „schlecht aufgesetzt und kommuniziert“ worden. Die Pflegeverbände hätten nicht die Möglichkeit gehabt, die Pflegenden flächendeckend zu informieren. Zudem sei es bereits zu Beginn der Befragung zu Problemen bei der Zustellung der Zugangsdaten gekommen. Wie viele Pflegende tatsächlich an der Befragung beteiligt gewesen sind, sei demnach unklar.
Rheinland-Pfalz: Kammer vertritt 40.000 Mitglieder – seit fünf Jahren
Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz ist die gesetzliche Berufsvertretung aller Pflegefachpersonen in Rheinland-Pfalz. Auszubildende in der professionellen Pflege können auf freiwilliger Basis die Mitgliedschaft antreten.
Sie nahm am 1. Januar 2016 als erste Landespflegekammer in Deutschland die Arbeit auf und vertritt mit dem Status einer rechts-fähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und Sitz in Mainz die Belange von rund 40.000 Mitgliedern. Präsident ist Gesundheits- und Krankenpfleger Dr. Markus Mai.
Im November 2017 wurde auf der Vertreterversammlung in Alzey die Weiterbildungsordnung angenommen. Seit dem 1. Januar 2018 werden Weiterbildungen für Pflegefachpersonen nicht mehr vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz geregelt, sondern von der Landespflegekammer und so von den Pflegefachpersonen selber.
Sondierungsgespräche im Saarland
Im Saarland setzt sich der Landespflegerat seit Jahren für die Gründung einer Pflegekammer ein. Mit der Arbeitskammer existiert jedoch bereits eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, in der alle im Land beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Mitglied sind. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhebt die Arbeitskammer von den in einem im Saarland gelegenen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen Beiträge. Das aus vier Personen bestehende und innerhalb der Struktur der Arbeitskammer einzigartige Pflegereferat als Alternative zur Pflegekammer sieht der Landespflegerat „sehr kritisch“. Es käme schließlich auch keine Politikerin und kein Politiker auf die Idee, die Aufgaben der Ärzte- oder Handwerkskammer der Arbeitskammer zu übertragen, so Landespflegeratspräsidentin Ursula Hubertus.
Ein „Runder Tisch Pflegekammer“ sollte im September 2019 Möglichkeiten und Wege einer „saarländischen Lösung“ bezüglich Selbstverwaltung und Berufsaufsicht der professionellen Pflege ausloten. Teilgenommen hatten u. a. der Landespflegerat, die Arbeitskammer und das zuständige Ministerium. Konkrete Ergebnisse sind nicht bekannt. Im Dezember fand ein erneutes Sondierungs- gespräch statt. Details der Vereinbarung sind nicht bekannt.
Baden-Württemberg legt Gründungsprozess auf Eis
Baden-Württemberg hat das Gesetzgebungsverfahren zur Errichtung einer Pflegekammer im September 2020 gestoppt.
Sozialminister Manfred Lucha halte die Pflegekammer zwar „nach wie vor für sinnvoll“, aber nur „wenn es eine angemessene Phase der Einführung“ gebe. Da die „Konzentration der fachlichen und gesellschaftlichen Kräfte“ im vergangenen Jahr auf der Bewältigung der Pandemie gelegen habe, habe der Grünen-Politiker entschieden, „das Vorhaben erst wieder in der nächsten Legislaturperiode aufzugreifen“. Lucha sei davon überzeugt, dass auch die nächste Landesregierung „dieses wichtige Zukunftsprojekt“ angehen müsse.
Anfang 2018 hatten sich in einer repräsentativen Befragung 68 Prozent der befragten Pflegenden in Baden-Württemberg für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. 26 Prozent votierten dagegen, sechs Prozent machten keine Angabe. Das Ministerium sah in diesem „klaren Votum“ die Legitimation für die Errichtung einer Pflegekammer.
Kammer in Berlin kein Thema
Die Gründung einer Pflegekammer in Berlin ist für die noch bis September 2021 amtierende rot-rot-grüne Landesregierung derzeit kein Thema. Die zuständige Senatsverwaltung äußerte, sich der Herausforderung zu stellen, die sich aus einem stark wachsenden Bedarf an Pflegeleistungen bei begrenztem Arbeitskräftepotenzial ergäben. Eine Pflegekammer zur „Stärkung der Pflegeprofession“ könne hier nur „ein Lösungsbeitrag im Rahmen einer Gesamtstrategie“ sein.
2015 hatte sich in einer Befragung unter Pflegefachpersonen der Alice Salomon Hochschule Berlin eine Mehrheit von 58,8 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. Der damalige Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) wertete das Ergebnis der Befragung als „eindeutigen Auftrag“, in Berlin eine Pflegekammer auf den Weg zu bringen. Kammergegner kritisierten, die Befragung sei nicht repräsentativ.
Stillstand in Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt beschäftigt sich nicht mit der Gründung einer Pflegekammer. 2015 hatte sich der Landtag ausführlich mit dem Für und Wider einer Pflegekammer auseinandergesetzt. Seitdem hat sich nichts getan. Eine Diskussion zum Thema finde aktuell nicht statt, teilte das zuständige Ministerium mit.
Brandenburg will mit bestehenden Kammern sprechen
Im Koalitionsvertrag der rot-schwarz-grünen Landesregierung Brandenburgs steht zum Thema Pflegekammer Folgendes: „Die Koalition plant, im Jahr 2021 eine Fachanhörung mit allen etablierten und im Aufbau befind- lichen Pflegekammern durchzuführen – mit der Option, eine Pflegekammer zu errichten.“
Bemühungen zur Gründung einer Pflegekammer in Brandenburg waren 2019 gescheitert. In einer telefonischen Befragung sprachen sich 56 Prozent der 1.690 befragten Pflegenden für eine Kammer aus. Allerdings hätten nur 30 Prozent eindeutig für oder gegen eine Kammer votiert, so das zuständige Ministerium. Zudem hätten 53 Prozent einen Pflichtmitgliedsbeitrag abgelehnt. Aufgrund der Befragungsergebnisse wurde entschieden, eine mögliche Kammergründung auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben.
Unverändert Stillstand in Sachsen
In Sachsen gibt es nach wie vor keine politische Aktivität zur Gründung einer Pflegekammer. Der Sächsische Pflegerat macht sich seit Jahren für eine berufsständische Selbstverwaltung stark – ohne Erfolg. 2011 hatten sich zwei Drittel der befragten Pflegenden für eine Kammer ausgesprochen. Aus Sicht des Sozialministeriums Sachsen habe es sich dabei jedoch nicht um eine repräsentative Befragung gehandelt, u. a. weil sich nur 6,3 Prozent aller Pflegefachpersonen im Freistaat beteiligt hätten und die Beschäftigungsverhältnisse der Pflege in Sachsen in der Befragung nicht korrekt widergespiegelt worden seien.
Thüringen will Bedarf für Kammer ermitteln
Thüringen befinde sich „nach wie vor“ in der Vorbereitung eines geeigneten Verfahrens, um den „Bedarf und die Rahmenbedingungen für eine Pflegekammer gemeinsam mit den Akteuren der Pflege“ zu eruieren, teilte das zuständige Ministerium mit. Das Thema werde Bestandteil der Haushaltsberatung für 2021 sein. Da sich Thüringen vor Neuwahlen im Jahr 2021 befinde, bleibe die weitere Entwicklung abzuwarten.
Bayern: Imagekampagne soll Mitgliederzahl der VdPB erhöhen
Im Freistaat Bayern gibt es seit 2017 die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), die als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit freiwilliger Mitgliedschaft als umstrittene Alternative zur Pflegekammer gilt. Die VdPB ist für die Interessenvertretung der Pflegenden im Land zuständig und übernimmt gesetzliche Aufgaben auf der Grundlage des Pflegendenvereinigungsgesetzes (BayPfleVG). Die Rechtsaufsicht obliegt dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
Trotz der etwa 120.000 bis 130.000 Pflegefachpersonen im Land hat die VdPB aktuell nur knapp 2.000 Mitglieder. Eine Imagekampagne im neuen Jahr soll für eine höhere Mitgliederzahl sorgen.
Im Dezember 2013 hatten sich in einer repräsentativen Befragung 50 Prozent der Pflegefachpersonen in Bayern für eine Pflegekammer ausgesprochen, 34 Prozent votierten dagegen, 16 Prozent waren unentschieden. 4.571 Fragebögen waren für die Erhebung versandt worden, davon kamen 1.118 zurück. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) wertete das Befragungsergebnis zunächst als Votum für die Kammer. Auf Druck von Arbeitgeberverbänden und der Gewerkschaft Verdi wurde das Befragungsergebnis im Februar 2014 im Bayerischen Gesundheitsministerium diskutiert. Daraufhin lud Huml Befürworter und Gegner der Kammer zu einem „Runden Tisch Pflegekammer“ ein, um verschiedene Möglichkeiten der Interessenvertretung in der Pflege zu erörtern. Die VdPB wurde schließlich im April 2017 mit einer Mehrheit der Stimmen von CSU und SPD beschlossen.
Bundesebene
Die Bundespflegekammer, die sich offiziell als „Pflegekammerkonferenz (Arbeitsgemeinschaft der Pflegekammern – Bundespflegekammer)“ betitelt, hat mit der ersten Arbeitssitzung der bestehenden Landespflegekammern und des Deutschen Pflegerats (DPR) im Juni 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen von geschätzt 1,3 Millionen Pflegefachpersonen in Deutschland zu vertreten und länderübergreifend die Kommunikation sowie die Harmonisierung von Berufsordnungen zu steuern. Alle künftig noch entstehenden Landespflegekammern können an der Kammerkonferenz mitwirken. Voraussetzung ist, dass deren Unabhängigkeit über Mitgliedsbeiträge gesichert und die Mitgliederzahl so hoch sei, dass sie den Großteil der Berufsgruppe umfasst.