• 30.04.2020
  • Praxis
Überblick über die Entwicklung

Pflegekammer: Wo stehen die Bundesländer?

Seitdem vor gut 4 Jahren in Rheinland-Pfalz die erste Pflegekammer ihre Arbeit aufnahm, hat sich einiges getan. Wir zeichnen die Entwicklung in den Bundesländern nach.

Die Schwester Der Pfleger

Ausgabe 3/2020

Seite 34

Seitdem vor gut vier Jahren in Rheinland-Pfalz die erste Landespflegekammer ihre Arbeit aufnahm, hat sich einiges getan: Auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind Pflegekammern errichtet worden, in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen stehen sie in den Startlöchern. Wir zeichnen die Entwicklung in den Bundesländern nach.

Schleswig-Holstein plant Urabstimmung über Fortbestand oder Abschaffung der Pflegeberufekammer

Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein hat am 21. April 2018 ihre inhaltliche Arbeit aufgenommen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertritt sie die Belange von rund 27.000 Pflegefachpersonen. Mitglieder sind nach dem Gesetz Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger sowie Altenpflegerinnen und -pfleger. Eine freiwillige Mitgliedschaft ist für Assistenzberufe der Pflege und für Auszubildende der Pflegeberufe möglich.

Historie. Im Dezember 2012 hatte der Landtag die Landesregierung aufgerufen, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer Pflegekammer zu schaffen. Das zuständige Ministerium wollte jedoch erst anhand einer Befragung unter Pflegefachpersonen ein repräsentatives Meinungsbild der Berufsgruppe zum Thema Pflegekammer erhalten. Die Marktforschungsfirma TNS Infratest befragte 2013 rund 1.170 Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein. Eine knappe Mehrheit – 51 Prozent – sprach sich für die Pflegekammer aus, 24 Prozent votierten dagegen.

Die geplante Errichtung einer Pflegekammer führte ab Januar 2014 zu kontroversen Diskussionen im Landtag. Ein Antrag der Oppositionsparteien CDU und FDP gegen eine Pflegekammer wurde von den Regierungsparteien abgelehnt.

Am 15. Juli 2015 stimmte der Landtag der Errichtung einer Pflegekammer zu. Im September 2015 berief Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) die Mitglieder des Errichtungsausschusses. Im Januar 2016 wählten die Mitglieder des Errichtungsausschusses ihren Vorstand. Die offizielle Eröffnung der Geschäftsstelle in Neumünster folgte im August 2016. Vier Monate später startete die Registrierung der künftigen Kammermitglieder.

Kurz vor der Landtagswahl 2017 wurden Pläne der CDU in Schleswig-Holstein bekannt, die Pflegekammer aufzulösen. Die CDU vertrat die Ansicht, ein die Interessen der Pflegefachpersonen vertretender freiwilliger Pflegering sei der „bessere Weg“. Die neu gewählte Jamaika-Koalition hielt dann jedoch an der Kammer fest. Im April 2018 wählten die Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein die Mitglieder für die erste Kammerversammlung.

Protest. Im November 2019 protestierten rund 300 Pflegefachpersonen gegen die „Zwangsmitgliedschaft“. Sie hielten Banner hoch u. a. mit den Aufschriften „No Pflegekammer“ und „Kammer des Schreckens“. Die Kammer sei ein zahnloser Tiger, ein Bürokratiemonster, sagte eine der Organisatorinnen der Protestaktion gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) und Vorstandsmitglieder der Kammer suchten das Gespräch mit den Pflegefachpersonen. Auch lud die Kammer ihre Kritiker zum direkten Austausch in die Geschäftsstelle ein.

Geplante Urabstimmung in der Kritik. Im Dezember 2019 beschloss der Landtag eine nachträgliche Anschubfinanzierung der Pflegeberufekammer. CDU, FDP und Grüne stellen der Kammer demnach drei Millionen Euro zur Verfügung, um die Kammermitglieder von den Kosten zu entlasten, die mit dem Aufbau einer Selbstverwaltung verbunden sind. Diesen Zuschuss soll es aber nur geben, wenn es Anfang 2021 eine Urabstimmung über Fortbestand oder Abschaffung der Kammer gibt. Bis dahin könne die Kammer ihre Arbeitsfähigkeit und ihren Nutzen unter Beweis stellen.

Diesen Landtagsbeschluss hat der Deutsche Pflegerat (DPR) scharf kritisiert. Der beschlossene Antrag „grenzt an Erpressung und zeugt von einem schlechten Politikverständnis“, sagte DPR-Präsident Franz Wagner. „Die Bevormundung und Knebelung der Pflegeberufekammer durch die Landesregierung, gekoppelt mit einer Evaluation zur Halbzeit der Legislaturperiode der Kammerversammlung, ist gegenüber den Mandatsträgern, die sich sehr ernsthaft für ihre Profession einsetzen, unfair und wird auch keine sachgerechte Bewertung der Arbeit möglich machen.“

Die Kammerversammlung diskutierte am 30. Januar 2020 den Landtagsbeschluss und entschied, den Vorstand zu beauftragen, ein Konzept zur Vollbefragung der Mitglieder (keine Urabstimmung) einschließlich eines Zeitplans vorzulegen. Auch wurde der Vorstand ermächtigt, im Dialog mit den zuständigen Landtagsfraktionen eine Lösung zu finden, die Anschubfinanzierung unter Wahrung der Selbstverwaltungsrechte der Kammer annehmen zu können.

„Das bedeutet nicht, dass wir die Anschubfinanzierung ausschlagen, wie es in den Medien teilweise vermittelt wird“, äußerte Kammerpräsidentin Patricia Drube. „Es bedeutet auch nicht, dass wir uns gegen eine Befragung der Mitglieder sperren. Im Gegenteil: Wir begrüßen eine qualifizierte Befragung unserer 27.000 Mitglieder. Dafür ist es aber unerlässlich, in weiteren Gesprächen die konkreten Bedingungen zur Vollbefragung mit den Regierungsfraktionen zu klären.“

Pflegekammer ist in Mecklenburg-Vorpommern kein Thema

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Gründung einer Pflegekammer derzeit kein Thema. „Wir wollen die Erfahrungen der anderen Bundesländer abwarten“, teilte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern auf Nachfrage dieser Zeitschrift mit.

Hamburg will die Entwicklung beobachten

In einer repräsentativen Befragung haben sich Anfang 2014 36 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen, 48 Prozent votierten dagegen, 16 Prozent enthielten sich. Hauptgründe für die Ablehnung waren die Pflichtmitgliedschaft und die damit verbundenen Mitgliedsbeiträge.

Die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) teilte dieser Zeitschrift auf Nachfrage mit, dass sie sich seit der Befragung nicht mehr mit Planungen zur Errichtung einer Pflegekammer befasst habe. Die Erfahrungsberichte aus Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zeigten, dass die Gründungsphase einer Pflegekammer „teilweise mit erheblichen Konflikten zwischen Befürwortern und Gegnern“ einhergehe. Die mögliche Gründung einer Pflegekammer setze deshalb eine „ausreichende Akzeptanz“ unter den Pflegefachpersonen voraus. Die BGV werde dementsprechend die Entwicklung „weiterhin beobachten“.

Bremen: Keine Beschäftigung mit der Pflegekammer

Nachdem sich bereits die vorherige Bremer Landesregierung in der Frage zur Errichtung einer Pflegekammer zurückhaltend gezeigt hatte, nimmt das Thema auch unter der 2019 gewählten rot-rot-grünen Koalition nicht an Fahrt auf. Die Pressesprecherin der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz teilte auf Nachfrage dieser Zeitschrift mit: „Wir steuern aktuell auf die Haushaltsverhandlungen zu, sodass ich davon ausgehe, dass die Beschäftigung mit dem Thema Pflegekammer noch auf sich warten lassen wird.“

Turbulente Zeiten für die Pflegekammer Niedersachsen

Die Pflegekammer Niedersachsen hat am 8. August 2018 ihre inhaltliche Arbeit aufgenommen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertritt sie auf der Grundlage des Kammergesetzes für die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG) die „gemeinsamen beruf­lichen Belange“ der rund 90.000 Kammermitglieder „im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit“. Mitglieder sind nach dem Gesetz Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger sowie Altenpflegerinnen und -pfleger.

Die inhaltliche Arbeit der Kammer erfolgt insbesondere in Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Ein Ausschuss besteht aus jeweils fünf Mitgliedern der Kammerversammlung. Neben der Arbeit innerhalb der Kammerversammlung werden Mitglieder der Pflegekammer in politische Gremien und Sitzungen entsandt, um dort pflegefachliche Expertise einzubringen.

Historie. Nach intensiven Diskussionen hatte die Landesregierung im Juli 2015 das Gesetzgebungsverfahren zur Errichtung einer Pflegekammer eingeleitet. Die Gründungskonferenz konnte daraufhin mit ihrer Arbeit beginnen. Vorausgegangen war eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap. In dieser sprachen sich 67 Prozent der Befragten für eine Pflegekammer aus.

Im Dezember 2016 verabschiedete der Landtag das Gesetz zur Errichtung einer Pflegekammer. Anders als andere Bundesländer sah Niedersachsen keine Anschubfinanzierung vor.

Im März 2017 nahm der vom niedersächsischen Sozialministerium berufene Errichtungsausschuss die Arbeit auf. Dieser begann mit dem Aufbau der Geschäftsstelle in Hannover sowie mit der Registrierung der in Niedersachsen tätigen Pflegefachpersonen. Es stellte sich heraus, dass es deutlich mehr Mitglieder gab als ursprünglich angenommen.

Im Juni 2018 wählten mehr als 46.000 Mitglieder die erste Kammerversammlung. Am 8. August desselben Jahres konstituierte sich die Kammerversammlung mit 31 gewählten Kammermitgliedern. Damit endete die Arbeit des Errichtungsausschusses und die Pflegekammer Niedersachsen nahm ihre inhaltliche Arbeit auf.

Im November und Dezember 2018 fanden erste Regionalkonferenzen zur Erarbeitung einer Berufsordnung statt. Die Veranstaltungsreihe wurde 2019 fortgesetzt.

2019 übertrug das Land Niedersachsen der Pflegekammer die Verantwortung für die Weiterbildung in den Pflegefachberufen. Die Pflegekammer verabschiedete hierfür eine Übergangsweiterbildungsordnung.

Im Juni 2019 traf sich die bundesweit erste Ethikkommission einer Pflegekammer zu ihrer konstituierenden Sitzung.

Beitragsordnung. Im Juli 2018 trat die vom Errichtungsausschuss der Pflegekammer Niedersachsen beschlossene Beitragsordnung in Kraft. Demnach solle der künftige Beitragssatz bei 0,4 Prozent des Jahreseinkommens liegen, die tatsächliche Beitragsermittlung auf Basis einer Selbsteinstufung des Mitglieds erfolgen. Erfolge diese nicht, werde automatisch der Höchstbetrag von 140 Euro für das Jahr 2018 fällig.

Anfang Dezember 2018 verschickte die Pflegekammer Beitragsbescheide an alle Mitglieder und forderte pauschal den Höchstbeitrag. Dieser wird aber nur bei Jahreseinkünften von 70.000 Euro fällig. Um lediglich 0,4 Prozent ihres Einkommens zahlen zu müssen, sollten Mitglieder ihre Einkünfte angeben und dann einen neuen Bescheid erhalten.

Im Januar 2019 kündigten Kammerpräsidentin Sandra Mehmecke und Sozialministerin Carola Reimann (SPD) an, die umstrittene Beitragsordnung anzupassen. Das infolge des „unglücklichen“ Vorgehens der Pflegekammer verloren gegangene Vertrauen der Pflegefachpersonen müsse zurückgewonnen werden, sagte Reimann.

Im November 2019 entschieden die Regierungsfraktionen von CDU und SPD, die Pflegekammer Niedersachsen mit einer nachträglichen Anschubfinanzierung zu unterstützen. Die Landesregierung sah laut Haushaltsplan sechs Millionen Euro für die Kammer vor. Nach dem Willen von CDU und SPD sollte das Selbstverwaltungsorgan beitragsfrei sein. Bereits gezahlte Beiträge sollten die Mitglieder zurückerhalten und Zahlungserinnerungen eingestellt werden.

Die politisch Verantwortlichen räumten in diesem Zusammenhang Versäumnisse zum Start der Pflegekammer ein. Laut der Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Johanne Modder, sei es ein Fehler gewesen, die Kammer „bei ihrer Einrichtung nicht mit einer Anschubfinanzierung zu unterstützen und so eine größere Akzeptanz zu erreichen“.

Am 19. Februar 2020 beschloss die Kammerversammlung einstimmig, die nachträgliche Anschubfinanzierung des Landes anzunehmen, und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die bisher gezahlten Mitgliedsbei­träge zu erstatten. Die Kammerversammlung beschloss zudem, jährlich neu zu entscheiden, ob und wie Mitgliedsbeiträge erhoben werden – z. B. für den Fall, dass keine Landesmittel mehr fließen.

In der Sitzung ging es auch um die Frage, ob die Kammerversammlung der Präsidentin Sandra Mehmecke das Misstrauen ausspricht. In einer geheimen Abstimmung sprachen sich 13 der anwesenden Mitglieder für die Präsidentin aus, 14 gegen sie. Mehmecke: „Das Abstimmungsergebnis zeigt, wie gespalten die Kammerversammlung ist. Eine entsprechende Mehrheit für eine andere Präsidentin oder einen anderen Präsidenten gibt es nicht. Es gilt nun, gemeinsam Lösungen im Sinne der Mitglieder der Pflegekammer zu finden.“

Personelle Veränderungen im Vorstand. Anfang Januar 2020 gaben drei Vorstandsmitglieder ihren Rücktritt aus dem Vorstand bekannt. Melina Kregel, Rebecca Toenne und Nora Wehrstedt erklärten, „aus persönlichen Gründen“ ihr Amt nicht fortführen, aber weiterhin Mitglieder der Kammerversammlung zu bleiben.

Ende Januar 2020 wurde öffentlich, dass Diplom-Sozialpädagoge Georg Gabriel den Vorstand in der Funktion eines Interimsmanagers unterstützen werde. Gabriel war von 1991 bis 2017 Geschäftsführer der Landesarbeits­gemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen (LAG FW). Der 66-Jährige verfügt über langjährige Verwaltungserfahrung und umfangreiche Expertise in der Organisa­tionsentwicklung. Er galt in seiner früheren Tätigkeit in der LAG FW als erfahrener Mittler zwischen Politik, Verbänden und Betroffenen.

Kritik. Seit ihrem Start stand die Kammer bei vielen Mitgliedern in der Kritik. Höhepunkt der Proteste war Anfang 2019 die Übergabe einer Liste mit mehr als 50.000 Unterschriften an das Sozialministerium. Sie war das Ergebnis einer Onlinepetition, die aufgrund der pauschalen Forderung des Höchstbeitrags initiiert worden war. Die Initiatoren riefen zudem zu mehreren Protestaktionen in Hannover auf.

Nordrhein-Westfalen: Kammer steht in den Startlöchern

In Nordrhein-Westfalen werden derzeit die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, damit der Errichtungsausschuss seine Arbeit aufnehmen und die Kammergründung vorbereiten kann. Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen könnte demnach in etwa einem Jahr ihre inhaltliche Arbeit aufnehmen. Im Herbst 2018 hatte eine repräsentative Befragung unter Pflegefachpersonen eine Zustimmung zur Errichtung einer Pflegekammer von 79 Prozent ergeben.

Weitere Informationen zur Errichtung der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen sind im Interview mit dem Präsidenten des Fördervereins zur Errichtung einer Pflegekammer Nordrhein-Westfalen, Heinz Günter Niehus, auf den Seiten 44 und 45 zu finden.

Stillstand in Hessen

In Hessen hatten sich im Sommer 2018 in einer Onlinebefragung 51,1 Prozent der Teilnehmenden gegen und 42,9 Prozent für eine Pflegekammer ausgesprochen. Sechs Prozent hatten keine Meinung.

Nach der Veröffentlichung des Ergebnisses mehrten sich die Vorwürfe, dass die von der Landesregierung beauftragte Befragung methodisch nicht einwandfrei erfolgt sei. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Südwest kritisierte, die Befragung sei „völlig übereilt herbeigeführt“ und zudem „schlecht aufgesetzt und kommuniziert“ worden. Die Pflegeverbände hätten nicht die Möglichkeit gehabt, die Pflegenden flächendeckend zu informieren. Bereits zu Beginn der Onlinebefragung sei es zu Problemen bei der Zustellung der Zugangsdaten gekommen. Wie viele Pflegende tatsächlich an der Umfrage beteiligt gewesen sind, sei demnach unklar.

Das zuständige Ministerium für Soziales und Integration teilte dieser Zeitschrift im Mai 2019 mit, dass sich das Kabinett „bislang nicht mit dem Meinungsbild der hessischen Pflegekräfte zur Einführung einer Pflegekammer befasst“ habe. Diese Beratungen würden derzeit vorbereitet. Eine erneute Nachfrage dieser Zeitschrift zum aktuellen Stand ließ das Ministerium unbeantwortet.

Erfolgreiche Pionierarbeit in Rheinland-Pfalz

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz hat am 1. Januar 2016 ihre inhaltliche Arbeit aufgenommen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts vertritt sie nach eigenen Angaben die Belange von rund 40.000 Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pflegern, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pflegern sowie Altenpflegerinnen und -pflegern. Eine freiwillige Mitgliedschaft ist für Auszubildende in diesen Berufen möglich. Die inhaltliche Arbeit der Landespflegekammer erfolgt vor allem in Ausschüssen und Arbeitsgruppen.

Historie. Im März 2013 hatten sich 75 Prozent in einer Befragung unter Pflegefachpersonen im Land für die Gründung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz ausgesprochen. Im Juli 2013 erfolgte die konstituierende Sitzung der Gründungskonferenz, die die Vorarbeiten zur Gründung der Pflegekammer leistete und parallel zum Gesetzgebungsverfahren die Arbeit des Gründungsausschusses administrativ vorbereitete.

Das Sozialministerium berief am 5. Januar 2015 die Mitglieder des Gründungsausschusses. Deren Aufgabe war es, die Pflegekammer organisatorisch und administrativ aufzubauen, die Pflegefachpersonen im Land zu registrieren und schließlich erste Wahlen zur Vertreterversammlung vorzunehmen.

Am 29. November 2017 wurde auf der Vertreterversammlung in Alzey die Weiterbildungsordnung, die die neue Weiterbildung der Pflegeberufe in Rheinland-Pfalz regelt, angenommen. Seit dem 1. Januar 2018 wird diese nicht mehr vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz geregelt, sondern von der Kammer und so von den Pflegefachpersonen selbst.

Kritik. Im August 2016 wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Gruppe von Pflegenden aus Mainz gegen die Pflegekammer ab. In der Beschwerde hatten die Pflegenden v. a. die zu zahlende „Zwangsmitgliedschaft“ kritisiert.

Sonderweg im Saarland?

 Im Saarland ist derzeit keine Pflegekammer geplant. Die Entwicklung in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie die Neugründung einer Pflegekammer in Nordrhein-Westfalen werde „interessiert“ beobachtet, teilte das zuständige Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie auf Nachfrage dieser Zeitschrift mit. Zudem sei die „Ausgangssituation im Saarland eine andere als in den meisten anderen Bundesländern“, da es eine Arbeitskammer gebe, die auch die Interessen der Beschäftigten in der Pflege vertrete.

Nach Ansicht des Landespflegerats Saarland, der sich seit Jahren für die Errichtung einer Pflegekammer im Saarland einsetzt, könne die Arbeitskammer keine Aufgaben einer Berufskammer übernehmen. Hierfür müsste die gesetzliche Grundlage der Arbeitskammer geändert und eine „von den Gremien der Arbeitskammer völlig unabhängige Sektion“ gegründet werden, sagte Landespflegeratspräsidentin Ursula Hubertus dieser Zeitschrift. Auch die Implementierung eines derzeit aus vier Mitarbeiter/-innen bestehenden und innerhalb der Struktur der Arbeitskammer einzigartigen Pflegereferats als Alternative zur Pflegekammer sehe der Landespflegerat „sehr kritisch“. Es käme schließlich auch kein Politiker auf die Idee, die Aufgaben der Ärzte- oder Handwerkskammer der Arbeitskammer zu übertragen, sagte Hubertus.

Im September 2019 vereinbarten der Landespflegerat und die Arbeitskammer bei einem Spitzentreffen eine Zusammenarbeit. An dem „Runden Tisch Pflegekammer“ nahmen u. a. Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) und die Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, Sandra Postel, teil. Ziel der Vereinbarung sei es, „zeitnah“ Möglichkeiten und Wege einer „saarländischen Lösung“ bezüglich Selbstverwaltung und Berufsaufsicht der Pflegeberufe auszuloten. Zu Details der Vereinbarung haben die Partner Stillschweigen vereinbart.

Baden-Württemberg arbeitet an Gesetzesgrundlage für Kammer

In Baden-Württemberg hatten sich Anfang 2018 in einer repräsentativen Befragung durch ein unabhängiges Institut 68 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer aus­gesprochen. 26 Prozent votierten dagegen, 6 Prozent machten keine Angabe. Unter den Auszubildenden lag die Zustimmung bei 72 Prozent.

Das Ministerium für Soziales und Integration sieht in diesem „klaren Votum“ die Legitimation für die Errichtung einer Pflegekammer. Ziel sei aktuell, die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage in der bis Frühjahr 2021 laufenden Legislaturperiode zu schaffen. Geplant sei eine Novellierung des Heilberufekammergesetzes. Das Ministerium hat einen Beirat Landespflegekammer Baden-Württemberg und eine Koordinierungsstelle Informationskampagne Pflegekammer eingerichtet, die den Prozess der Kammererrichtung eng begleiten.

"Keine positive Verständigung" von Rot-Rot-Grün in Berlin

In Berlin liegt das Thema Pflegekammer auf Eis, da es innerhalb der rot-rot-grünen Regierung dazu „keine positive Verständigung“ gibt. Die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sagte dieser Zeitschrift, sich darauf zu fokussieren, dass „trotz des in den kommenden Jahren weiterhin stark wachsenden Bedarfs an Pflegeleistungen bei begrenztem Arbeitskräftepotenzial die Qualitäten in dem erforderlichen Versorgungsumfang sichergestellt“ seien.

Laut Senat könne mit der „Errichtung einer Pflegekammer eine Stärkung der Pflegeprofession institutionalisiert“ werden. Dies könne aber nur „ein Lösungsbeitrag in der Gesamtstrategie“ sein. Die Erfahrungen mit den bestehenden Pflegekammern seien „sehr genau“ abzuwägen. Der Senat sei hierzu im „engen Austausch“ mit den anderen Bundesländern.

 Historie. 2015 hatte sich in einer Befragung unter Pflegefachpersonen der Alice Salomon Hochschule Berlin eine Mehrheit von 58,8 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. Der damalige Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) wertete das Ergebnis der Befragung als „eindeutigen Auftrag“, in Berlin eine Pflegekammer auf den Weg zu bringen. Andere Stimmen kritisierten die Studie als nicht repräsentativ.

Sachsen-Anhalt: Kammer ist derzeit kein Thema

Die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat sich zur Errichtung einer Pflegekammer nicht positioniert. 2015 hatte sich der Landtag ausführlich mit dem Für und Wider einer Pflegekammer auseinandergesetzt. Eine Diskussion zum Thema finde allerdings aktuell nicht statt, teilt das zuständige Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration mit. „Grundlage wäre in erster Linie eine Befragung der Pflegekräfte in Sachsen-Anhalt, die bislang nicht durchgeführt wurde.“

Brandenburg: Keine politische Mehrheit für eine Kammer

In Brandenburg wird es vorerst keine Pflegekammer geben. Das bestätigte das zuständige Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie dieser Zeitschrift. Im zuständigen Landtagsausschuss habe es keine Mehrheit für die Errichtung einer Kammer gegeben. Grundlage dafür seien „vielschichtige und in Teilen widersprüch­liche Ergebnisse“ aus Umfragen und des Dialogs zur Pflegekammer. „Sie lassen sich aus Sicht des Ministeriums gleichermaßen für oder gegen die Errichtung einer Pflegekammer deuten“, so das Ministerium. Anders als bei vergleichbaren Befragungen in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen liege in Brandenburg „eine ungleich komplexere Lage“ vor.

Gesundheitsministerin Susanne Karawan-skij (Linke) hatte Anfang 2019 eine telefonische Befragung präsentiert, an der sich 1.690 der insgesamt 54.000 Pflegefachpersonen in Brandenburg beteiligt hatten. Laut Ministe­rium hatten sich zwar 56 Prozent der Befragten für die Kammer ausgesprochen. Allerdings hätten nur 30 Prozent eindeutig für oder gegen eine Kammer votiert. 53 Prozent der Befragten hätten einen Pflichtmitgliedsbeitrag abgelehnt.

Aufgrund der Befragungsergebnisse habe das Ministerium entschieden, derzeit „keine konkrete Empfehlung für oder gegen die Errichtung einer Pflegekammer“ auszusprechen. Die Ergebnisse des Dialogs sowie der Stellungnahmen bedürften zunächst einer politischen Einordnung im zuständigen Landtagsausschuss und im Landtag. Erst in der kommenden Legislaturperiode solle „sorgfältig und ohne Zeitdruck“ eine Entscheidung gefällt werden.

Keine Kammer in Sachsen – dafür Förderung des Pflegerats

Der Freistaat Sachsen befasst sich derzeit nicht mit der Errichtung einer Pflegekammer. Das zuständige Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz verweist auf Nachfrage dieser Zeitschrift darauf, dass die damalige Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch (CDU), im Mai 2019 ein „umfangreiches Paket für die Pflege“ vorgestellt habe. Darin enthalten sei u. a., den Sächsischen Pflegerat künftig finanziell mit dem Aufbau einer Geschäftsstelle zu fördern.

Historie. Der Sächsische Pflegerat setzt sich seit Jahren für die Errichtung einer Pflegekammer ein. In einer Befragung unter Pflegefachpersonen im Jahr 2011 hatte sich eine Mehrheit von mehr als zwei Dritteln für eine Kammer ausgesprochen. Aus Sicht des Staatsministeriums habe es sich dabei nicht um eine repräsentative Befragung gehandelt, u. a. weil sich nur 6,3 Prozent aller Pflegefachpersonen im Freistaat Sachsen beteiligt hätten und die Beschäftigungsverhältnisse der Pflege in Sachsen in der Befragung nicht korrekt widergespiegelt worden seien.

Thüringen will Bedarf für eine Kammer ermitteln

Das zuständige Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Freistaats Thüringen teilt auf Nachfrage dieser Zeitschrift mit, sich „nach wie vor in der Vorbereitung eines geeigneten Verfahrens“ zu befinden, um den „Bedarf und die Rahmenbedingungen für eine Pflegekammer gemeinsam mit den Akteuren der Pflege“ zu eruieren. Das Thema werde Bestandteil der Haushaltsberatung für 2021 sein. Da sich Thüringen aktuell in einer schwierigen Regierungsbildung bzw. vor potenziellen Neuwahlen befindet, bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Umstrittener Sonderweg in Bayern

2011 hatten der Bayerische Landespflegerat und seine 17 Mitgliedsverbände einstimmig eine Pflegekammer gefordert. Der damalige Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) wollte diesem Wunsch entsprechen – vorausgesetzt, dass dies die Pflegenden in Bayern auch wollten.

Im Dezember 2013 hatten sich in einer repräsentativen Befragung 50 Prozent der Pflegefachpersonen für die Kammer ausgesprochen, 34 Prozent votierten dagegen, 16 Prozent waren unentschieden. Über TNS Infratest So­zialforschung waren für die Befragung 4.571 Fragebögen versandt worden, davon kamen 1.118 Bögen zurück.

Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) wertete das Befragungsergebnis zunächst als Votum für die Kammer. Auf Druck von Arbeitgeberverbänden und der Gewerkschaft Verdi wurde das Befragungsergebnis im Februar 2014 im Bayerischen Gesundheitsministerium diskutiert. Daraufhin lud Huml Befürworter und Gegner der Kammer zu einem „Runden Tisch Pflegekammer“ ein, um verschiedene Möglichkeiten der Interessenvertretung in der Pflege zu erörtern. Der Bayerische Landespflegerat stellte im Verlauf der Diskussionen klar, sich nicht an einem Pflegering mit freiwilliger Mitgliedschaft zu beteiligen.

Im April 2017 verabschiedete der Landtag mit der Mehrheit von CSU und SPD die Gründung der „Vereinigung der Pflegenden in Bayern“ (VdPB) als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit freiwilliger Mitgliedschaft.

Laut Selbstbeschreibung ist die VdPB die Interessenvertretung und das Selbstverwaltungsorgan der beruflich Pflegenden in Bayern. Sie vertrete die Interessen von Pflegefachpersonen und Pflegefachhelfern in Bayern. Sie sitze in für die pflegerische Versorgung Bayerns relevanten Gremien und gestalte die Gegenwart und Zukunft der Pflegeberufe mit. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts übernehme sie außerdem gesetzliche Aufgaben auf der Grundlage des Pflegendenvereinigungsgesetzes (BayPfleVG). Die Rechtsaufsicht obliegt dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.

Die VdPB hat rund 1.200 Mitglieder (Stand: 5. Februar 2020). Davon sind rund 98 Prozent dreijährig ausgebildet oder befinden sich in der dreijährigen Ausbildung. Die VdPB geht von insgesamt 120.000 bis 130.000 Pflegefachpersonen in Bayern aus. Zur Zahl der einjährig ausgebildeten beruflich Pflegenden liegen keine gesicherten Daten vor, sie wird auf etwa 60.000 geschätzt.

Bundesweit wird die VdPB von einigen Pflegeverbänden kritisch gesehen; der Bayerische Landespflegerat und der Deutsche Pflegerat lehnen die VdPB strikt ab. Haupt­kritikpunkte: Der Vereinigung fehle es an der notwendigen Unabhängigkeit, da sie aus dem Staatshaushalt finanziert werde. Als freiwillige Interessenvertretung könne sie zudem nicht für die Gesamtheit der beruflich Pflegefachpersonen sprechen.

Bundesebene

Mit der ersten Arbeitssitzung der bestehenden Landespflegekammern und des Deutschen Pflegerats (DPR) hat die Bundespflegekammer, die sich offiziell als „Pflegekammerkonferenz (Arbeitsgemeinschaft der Pflegekammern – Bundespflegekammer)“ betitelt, im Juni 2019 ihre Arbeit aufgenommen.

Ihre Aufgabe sei es, die Interessen von geschätzt 1,3 Millionen Pflegefachpersonen zu vertreten und länderübergreifend die Kommunikation sowie die Harmonisierung von Ordnungen zu steuern. Der DPR agiere dabei als „starker und erfahrener Partner“, der von Beginn an die Kammerbewegung unterstützt habe und die Interessen der Pflegefachpersonen aus Bundesländern ohne Pflegekammern vertrete.

Alle künftig noch entstehenden Landespflegekammern könnten an der Kammerkonferenz mitwirken. Voraussetzung sei, dass deren Unabhängigkeit über Mitgliedsbeiträge gesichert und die Mitgliederzahl so hoch sei, dass sie den Großteil der Berufsgruppe umfasse. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) erfülle beide Voraussetzungen nicht.

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