Eine Minute Applaus für die Pflege, davon ein Video drehen und auf www.1min.care hochladen, bis 24 Stunden am Stück zusammenkommen. Das ist die Idee, mit der die ehemalige Pflegende und Sprachkompetenztrainerin Sandra Mantz ein Zeichen für die Pflege setzen möchte. Wir sprachen mit ihr über Hintergründe, bislang Erreichtes und Ziel der Challenge.
Frau Mantz, Sie sind Initiatorin der Aktion "1min.care". Was genau steckt hinter dieser Aktion?
Hinter dem Projekt steckt eine bekennende und nach wie vor lebendige Leidenschaft für die Profession Pflege. Ich bin in 25 Jahren aktiver Pflegezeit durch viele Höhen und Tiefen gegangen und lebe mit dem Credo "Ohne Zuversicht geht es nicht". Aktuell scheint es aber fast schon verwerflich, etwas Positives über den Pflegeberuf zu sagen. Dabei sehe ich diese Zeit als große Chance für die Pflege. Die Profession und der sehr belastete Pflegealltag erfahren aktuell durch die pflegepolitischen Diskussionen deutlich mehr Aufmerksamkeit und Medienpräsenz als in vergangenen Jahren. Die Branche ist stark in Bewegung. Sie verlässt veraltete Traditionen, diskutiert kontrovers, wird lauter und sichtbarer in Gesellschaft und Politik. Immer mehr Pflegende engagieren und positionieren sich. Die Challenge will diese Kraft stärken und eine Bewusstseinswelle in der Gesellschaft in Gang setzen. Gleichzeitig wollen wir den Zusammenhalt fördern und verdeutlichen, dass man stolz sein darf auf seine Berufswahl als Pflegefachperson und seine tägliche Arbeit.
Jeder, der mitmacht, soll eine Minute lang klatschen. Am Ende sollen so 24 Stunden zusammenkommen. Warum haben Sie diese Zeitspannen gewählt?
Die Idee, sich eine Minute Zeit zu nehmen, ist im stressigen Pflegealltag machbar und ermutigt Pflegende mit ihren Teams, mitzumachen. Beim Applaudieren merken die Teilnehmer dann meist schnell, welche Intensität und Sogkraft sich in den 60 Sekunden entwickeln kann. Bei einem größeren Publikum entsteht eine Welle positiver Emotionen, die Masse der Menschen trägt sich selbst und berührt. Im kleineren Publikum steigt das Bewusstsein zum Thema Pflege und löst Diskussion aus. Das ist ein Ziel der Challenge. Die 24 Stunden stehen letztlich symbolisch für 24 Stunden täglichen Einsatz der Pflegenden und dies an 365 Tagen im Jahr. 1.440 Minuten Applaus werden so letztlich gebündelt als Zeichen der Anerkennung, Solidarität, Ermutigung, Wertschätzung für die Profession Pflege, für die Pflegenden und all jene Menschen, die in unserem Land akut oder länger pflegebedürftig sind.
Was passiert, wenn 24 Stunden Applaus zusammen gekommen sind?
Wir werden das gesammelte Werk an die Verantwortlichen im Gesundheitsministerium überreichen. Die Symbolkraft überwiegt hierbei. Wenn Sie so wollen, ist die Challenge eine Petition der etwas anderen Art. Pflege bekommt mit ihr einen positiven Moment der Aufmerksamkeit. Und es ist eine bildhafte Dokumentation dafür, welchen Menschen, Teams, Organisationen und Unternehmen im Land Pflege wirklich wichtig ist.
Wie können Interessierte mitmachen?
Die Teilnahme ist auf zwei Wegen möglich. Eine Möglichkeit ist die Bühnen-Challenge. Hierzu gibt es einen vorbereiteten Trailer, den man auf der Aktionswebseite einfach downloaden kann. Sie brauchen eine Bühne – egal welcher Größe –, ein Publikum und eine Kamera, die vom Handy reicht schon aus. Sie zeigen den Trailer, laden Ihr Publikum zum Applaus ein und dokumentieren diesen Applaus auf Video. Dieses Video können Sie auf unserer Webseite ebenso einfach uploaden, und schon wird das Video in den Gesamtfilm eingefügt. Das Challenge-Team prüft Qualität und Dauer des Videos und verbreitet es über Youtube, Instagram, Facebook und Twitter. So kann man auch seinen eigenen Beitrag teilen und verbreiten. Dies motiviert wiederum weitere Menschen zum Mitmachen. Die zweite Möglichkeit ist die Social-Media-Challenge. Hierfür finden sich mindestens zwei bis drei Personen zusammen und filmen eine positive, stärkende Botschaft für die Pflege. Anschließen nominieren sie zwei weitere Personen oder Teams und laden ihr Video selbstständig auf einem der Kanäle hoch.
Kick-off der Aktion war im März auf dem Deutschen Pflegetag. Wie ist die bisherige Resonanz auf die Challenge?
Aktuell haben wir bereits 240 Minuten Applaus gesammelt. Das sind mehr als zwei Stunden durchgehende Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Der größte Teil der Videos erreicht uns unaufgefordert, mit Freude und Entschlossenheit. Viel Applaus kommt derzeit von unserem Pflegenachwuchs, aber auch Führungsteams, interdisziplinäre Teams und sogar einzelne Personen organisieren sich. Bewegend ist beispielsweise, wenn eine Gruppe von Senioren, die sich gut betreut fühlt, für die Pflege applaudiert. Die Aktion geht mittlerweile um die Welt. Wir erhalten Videos aus Nordirland, der Schweiz, Luxemburg. Anfragen erreichen uns aus Frankreich, Chile und New York. Eine „Challenge-Botschafterin“ will die Idee nach Australien bringen. Deshalb haben wir unseren Trailer nun auch mit englischem Untertitel versehen. Auch ein Trailer in Gebärdensprache ist in Planung. Insgesamt ist die Resonanz also enorm. Wir erreichen zudem viele Menschen außerhalb des Gesundheitswesens. Genau diesen Austausch mit anderen Professionen aus Sport, Kunst und Kultur wollen wir mit der Challenge anregen und in namhafte Unternehmen tragen. Ein junger Studentenkreis von der Fresenius-Hochschule plant aktuell eine große Aktion, um die Challenge zu verbreiten. Dazu werden 400 Hochschulen zur gemeinsamen Sache eingeladen. Anfang Mai gab es aber auch schon zwei besondere Momente.
Nämlich?
Auf dem Deutschen Ärztetag in Erfurt gab es von den Medizinern Standing Ovations für die Pflege. Aus dieser Berufsgruppe Rückhalt zu bekommen ist schon etwas sehr Besonderes. Wenige Tage zuvor erreichte uns ein Video vom Ministerrat in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, wie viel wir mit unserer Aktion bewegen und wie viele Menschen wir erreichen.
Sie und Ihre drei Teamkollegen betreuen die Aktion ehrenamtlich. Wozu dieses Engagement?
Die Frage nach dem Sinn dieses Engagements erreicht mich oft, und immer wieder kommt mir der gleiche Gedanke: Warum denn nicht? Die Liebe zum Leben, die Liebe zum Beruf und der unerschütterliche Glaube daran, dass es möglich ist, unser Gesundheitssystem so zu gestalten, dass die Würde des Menschen gewahrt bleibt und alle Beteiligten im System ausdrücklich Gesundheit erfahren, spornen uns an. Dies bedeutet einen Bewusstseinssprung und ein neues Denken auf vielen Ebenen. Wenn unsere Challenge hierzu einen Beitrag leisten kann und noch dazu Freude macht, hat sie ihren Sinn erfüllt.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Mantz.
Mitmachen unter 1min.care