Im öffentlichen Dienst wird zur Zeit wieder um das liebe Geld gerungen. Wie viel ist die Arbeitskraft wert? Arbeitgeber und Gewerkschaften sind da unterschiedlicher Auffassung. Erste Warnstreiks erfolgten bereits. Wer aber darf eigentlich streiken? Konkret: Dürfen auch Pflegekräfte streiken, die keiner Gewerkschaft zugehörig sind?
Ja, auch Pflegekräfte, die keiner Gewerkschaft angehören, dürfen streiken, wenn sie die Hinweise der streikführenden Gewerkschaft beachten. Das Streikrecht ist in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, als Grundrecht in Artikel 9 Absatz 3 geregelt. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu ein umfassendes Streikrecht entwickelt.
Arbeitskämpfe dürfen aber nur von Gewerkschaften als Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geführt werden, nicht von einzelnen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen. Sogenannte „wilde Streiks“ von Arbeitnehmern sind rechtswidrig und können eine Abmahnung, Kündigung und Schadensersatzforderung zur Folge haben. Gleiches gilt für einen Berufsverband, der eine Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist. Auch dieser kann nicht rechtmäßig zum Streik aufrufen. Die Vereinigung muss also eine Gewerkschaft im Sinne des Arbeitsrechts sein. Das ist zum Beispiel bei der Gewerkschaft ver.di der Fall.
Nun könnte man folgern, dass dann auch nur diejenigen Arbeitnehmer streiken dürfen, die Mitglied der streikführenden Gewerkschaft sind. So ist die Rechtslage aber aus verschiedenen Gründen nicht. Zum einen darf niemand gezwungen werden, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Diese Entscheidungsfreiheit ist durch den Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützt. Würde man das Streikrecht nur auf Gewerkschaftsmitglieder beschränken, wären alle streikwilligen Arbeitnehmer, die nicht deren Mitglied sind, gezwungen, zunächst einmal dieser Gewerkschaft beizutreten.
Zum anderen gelten Tarifverträge für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst generell, sodass jeder Arbeitnehmer ein Interesse an der Verbesserung seiner Tarifregelung hat, damit also eigene und nicht fremde Angelegenheiten besorgt. Streiken dürfen daher auch Pflegekräfte, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, wenn sie sich dem Streikaufruf anschließen.
Gestreikt werden darf allerdings nicht aus politischen Gründen, sondern nur zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Hier geht es meist um die Verbesserung tarifvertraglicher Ansprüche, insbesondere um mehr Vergütung oder weniger Arbeitszeit. Da davon auszugehen ist, dass Gewerkschaften die Grenzen des Streikrechts kennen und einhalten, können sowohl deren Mitglieder als auch die Nichtmitglieder darauf vertrauen, dass der Streik rechtmäßig ist.
Rechtmäßig ist der Streik allerdings nur dann, wenn die Patientenversorgung nicht gefährdet wird. Für Krankenhäuser schließt ver.di in der Regel Notdienstvereinbarungen mit den Arbeitgebern, die öffentlich zugänglich sind.
Während also Mitglieder der streikführenden Gewerkschaft nach Streikaufruf streiken müssen, weil sie ansonsten ihre Vereinspflichten verletzen, dürfen andere Beschäftigte auch streiken, müssen aber nicht. Auch das macht Sinn, denn Gewerkschaftsmitglieder bekommen als Ersatz für den Vergütungsausfall ein Streikgeld, Nichtmitglieder nicht. Hier ist der Arbeitgeber nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ von der Vergütungspflicht für die Streiktage befreit, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeit leistet.